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Männliche Hormone: Täglicher statt monatlichem Zyklus  
  Im Vergleich zur Frau besitzt der Mann ein wesentlich stabileres System von Hormonspiegeln. Schwankungen gibt es im Gegensatz zur Frau hauptsächlich im Tagesbereich. Wie oft und wie heftig Hormone männliche Reaktionsmuster erzeugen, wird oft schon in der Kindheit festgelegt.  
Das Wechselspiel zwischen der Psyche eines Mannes und seinen Hormonen sowie Steuerungsmöglichkeiten durch emotionale Bedürfnisse erläutern Experten für die User von science.ORF.at.
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Die Frage im Wortlaut
Linus L..:"Dass Frauen einen hormonellen Zyklus aufweisen, ist allseits bekannt. Dass damit auch Stimmungsschwankungen einhergehen können (Stichwort PMS), ebenfalls. Aber wie sieht's in dieser Hinsicht mit dem Mann aus? Weisen auch Männer gewisse zyklische hormonelle Schwankungen auf? Und wenn ja: Könnte das auch die Psyche beeinflussen?"
->   Zur Frage samt User-Forum
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Männliches Hormonsystem stabiler
"Wir haben es bei der Frau mit einem sehr variablen System von Hormonspiegeln zu tun, die sich fast täglich ändern. Bei Männern dagegen bleibt der Hormonzyklus über Jahrzehnte relativ stabil.

In ein stabiles System lässt sich wesentlich schwieriger eingreifen als in ein variables. Daher gibt es die Pille für die Frau schon seit Jahrzehnten, ein ähnliches Verhütungsmittel für den Mann aber noch nicht", bringt Axel Kamischke, Forscher am Institut für Reproduktionsmedizin an der Universität Münster, den hormonellen Unterschied zwischen Mann und Frau aus seiner Sicht auf den Punkt.
Männliche Hormonfluktuation im Tagesbereich
Mit dem weiblichen Zyklus vergleichbare Schwankungen im Monatsbereich treten laut Johannes Huber, Leiter der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Sterilitätsbehandlung am AKH Wien, beim Mann nicht auf:

"Das gesamte Hormonsystem, ebenso das des Mannes, unterliegt einer Fluktuation, die jedem hormonellen System eigen ist. Beim Mann sind es mehr die Hormonschwankungen im Tagesbereich, die sich ganz verschiedenartig auswirken können."
Beispiel: Stresshormon Cortisol
Als prominentes Beispiel nennt Huber "Cortisol, das am Abend in geringerem Ausmaß als in den Morgenstunden ausgeschüttet wird und Auswirkungen auf Wachstum, Stoffwechsel und Psyche hat. Markant ist, dass es in Stresssituationen bei Männern stärker ausgeschüttet wird als bei Frauen."
Epigenetische Prägung
"Beim Mann laufen eher bestimmte Reaktionsmuster aufgrund der Ausschüttung von Neurohormonen ab, die im Gehirn gebildet werden.

Vor allem wann und wie oft diese durch beispielsweise Stress gesteuerten Neurohormone abgerufen werden, wird stark epigenetisch und somit in den ersten fünf Lebensjahren bis zur Pubertät entscheidend beeinflusst", hält der Wiener Hormonexperte im Gespräch mit science.ORF.at fest.
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Neue Aktion: Fragen & Wissenschaft
Fragen jeder Art zum Thema Wissenschaft kann man nun auch bei der Online-Plattform "Innovatives Österreich" stellen. Daraus entsteht eine öffentliche zugängliche "Fragenbank", die interessantesten Probleme werden dann an Experten zur Beantwortung weitergeleitet.
->   innovatives-oesterreich.at
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Männliche Verhaltensweisen testosteronabhängig
Verhaltensbiologin Katharina Hirschenhauser von der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau: "Hormonelle Schwankungen gibt es bei Männern auf alle Fälle, das Muster hingegen ist noch fraglich."

Ihrer bisherigen Forschungstätigkeit zufolge war bisher zwar kein direkt hormonabhängiger Zyklus beim Mann nachweisbar, sehr wohl aber testosteronabhängige Verhaltensweisen.
Kinderwunsch lässt Testosteron-Spiegel schwanken
Um diese Korrelationen nachzuweisen, wurde der Hormonparameter der männlichen Probanden per morgendlichen Speichelabstrich festgehalten, zusätzlich mussten sie Auskunft über ihre emotionale, psychische Situation durch tägliche Fragebögen geben.

Laut Schrödinger-Stipendiatin Hirschenhauser das Interessanteste dabei: "Die Männer, die sich Kinder mit Ihrer Partnerin gewünscht haben, passten ihre Testosteronpeaks an den Zyklus der Frau an."
->   Mehr über Testosteron (Wikipedia)
"Treuehormon" Progesteron
Neuerdings konzentrierten sich Hirschenhausers Forschungsaktivitäten auch auf das Hormon Progesteron, das - obwohl als weibliches Geschlechtshormon bekannt - von Männern in den Hoden und Nebennieren produziert wird.

Progesteron stelle ihr zufolge einen Pool dar, um auf Stress zu reagieren, und dürfte ein weiteres männliches Sexualhormon oder zu mindestens eine Vorstufe dazu sein.

"Progesteronpeaks sind bei den untersuchten Männern ganz klar in Zusammenhang mit heimlichen sexuellen Erlebnissen aufgetreten, sprich jedesmal wenn "Mann" fremd gegangen ist", verrät die Verhaltensbiologin ein pikantes Detail ihrer Forschung.
->   Mehr über Progesteron (Wikipedia)
Psychisch-hormonelle Gleichberechtigung
Auch wenn Männer im Gegensatz zur Frau "nur" durch tageszeitliche Schwankungen gesteuert werden, wirken sich diese für Katharina Hirschenhauser aber genauso auf die Psyche aus wie bei den Frauen:

"Denn auch Männer haben ihre Tage, an denen sie nicht allzeit bereit sind. Sie haben sogar das Potenzial, ihren Testosteronzyklus auf die Frau abzustimmen, wenn sie das bei intensiver emotionaler Bindung zur Frau auch selber wollen."
Männliche Selbstbestimmung
Ganz allgemein meint die Verhaltensbiologin, dass sich unser Verhalten und Lebensstil auf den Hormonspiegel direkt auswirke.

"Aktivitäten wie sportliche Betätigung aber auch Stress beeinflussen ganz maßgeblich den Hormonhaushalt, den somit vor allem der Mann mehr als die Frau bis zu einem gewissen Grad selbst in der Hand hat", so die Schrödinger-Stipendiatin für die User von science.ORF.at.

Christoph Urbanek, 10.10.05
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->   Institut für Reproduktionsmedizin, Uniklinikum Münster
->   Studie: Testosteronschwankungen bei werdenden Vätern (.pdf)
->   Mehr über Hormone im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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