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Fische "spucken" das Wasser wieder aus  
  Es hat zwar den Anschein, als ob Karpfen oder Haie jede Menge Wasser schlucken, wenn sie zur Planktonaufnahme ständig ihr Maul aufreißen. Aber keine Angst: Bevor die Nahrung in den Magen gelangt, wird das Wasser wieder "ausgespuckt".  
Ebenso wenig wird die Magensäure "verdünnt", wenn ein Hai erst mal einen Bissen seiner Beute abreißt und dann erst verspeist. Des Rätsels Lösung ist das ausgeklügelte Maul-Kiemensystem der Fische.

Dass ein einzigartiger Mechanismus hinter den Essgewohnheiten der Unterwasserlebewesen steckt, haben unsere Webuser richtig erkannt. Wie das komplexe System genau abläuft, erklären Experten für die User von science.ORF.at.
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Die Frage im Wortlaut
Martin M.: "Hallo, wie können Tiere ihre Beute unter Wasser in ihren Magen bringen, ohne dass dieser mit einem großen Schwall Wasser 'überflutet' wird. Folglich müsste ja auch die Magensäure sich zu stark verdünnen. Oder passiert dies - und es gibt andere Mechanismen, die ein zu starkes Verdünnen wieder ausgleichen?"
->   Zur Frage der Woche samt Userforum
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Keine Lungen, kein Verschlucken
"Prinzipiell können Fische vom Wasser nicht 'überflutet' werden, schließlich ist es ihr Element", stellt der Zoologe Bernd Pelster, Leiter der Abteilung Ökophysiologie am Innsbrucker Institut für Zoologie, vorab einmal fest.

"Sie können sich auch am Wasser nicht 'verschlucken', weil sie ja keine Lungen haben." Aber es ist tatsächlich das Atmungsorgan der Fische, das bei der Nahrungsaufnahme eine Rolle spielt.
Kiemen filtern Sauerstoff aus Wasser
"Egal, ob Planktonfresser oder Räuber - das Wasser wird über die Kiemen beziehungsweise die Kiemendeckel - das Atmungssystem der meisten Wasserlebewesen - abgeleitet", führt Pelster aus.

"Das ist gut so, denn das Wasser enthält den für die Fische essenziellen Sauerstoff, der in den Kiemen aus dem Wasser gefiltert und dann dem Körper zugeführt wird."

Dementsprechend wird auch die Magensäure nicht beziehungsweise nur unwesentlich verdünnt, sodass keine anderen Mechanismen notwendig sind, die ein starkes Verdünnen ausgleichen müssten.
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Kiemen
Kiemen (Plural; v. mittelhochdeutsch kimme: Einschnitt, Kerbe) sind ein Organ, das bei vielen Wassertieren dem Blut den im Wasser gelösten Sauerstoff zuführt. Diese Form der Atmung unter Wasser wird als Kiemenatmung bezeichnet.
->   Mehr über Kiemen (Wikipedia)
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Nahrungsaufnahme bei Fischen
Webuser "cormacolindo" hat die Nahrungsaufnahme bei Fischen ganz richtig erkannt und erweitert die Antwort noch um die Erklärung für Mollusken, Reptilien und Säugetiere: "Das geht bei den meisten Fischen durch die Kiemen oder spezielle Ablauföffnungen, bei Walen gibt es eigene Fasern und bei Delfinen dürfte es ähnlich sein.

Krokodile fressen nicht unbedingt im Wasser, sondern meist in der Ufernähe, weil sich die Tier da zum Trinken sammeln. Sie zerreißen die Beute aber oft im Wasser, da geht dann das Maul zu und das Restwasser wird rausgepresst - erst dann schlucken die Tiere.

Bei Nilpferden dürfte das ähnlich gehen. Muscheln filtrieren die Nahrung mit Fänger. Tja und wieso sollte man ausschließen, dass nicht auch Fische 'furzen'?" Berechtigte Frage, auch wenn hier nicht das Thema: wir haben darüber schon berichtet.
->   Mehr dazu: Heringe blubbern - neue Fisch-"Sprache"? (5.11.03)
Erst rinnt Wasser ab, dann wird geschluckt
Der Marinbiologe Robert Patzner vom Salzburger Institut für Organismische Biologie erklärt den Mechanismus der Essensaufnahme genauer: "Bei den meisten Planktonfressern wird die Nahrung in den Barten - feinen, hornartigen Platten - im Maul abgefangen, während das Wasser über die Kiemen abläuft", so der Wissenschaftler.

"Erst wenn das Wasser größtenteils aus dem Maul ist, wird das Plankton hinuntergeschluckt." Ähnlich ist es auch bei den Haien, mit dem einzigen Unterschied, dass sie - anstatt mit Barten - die Beute mit ihrem scharfen Zähnen festhalten.
Kiemendeckel wie Einwegventile
Webuser "zlozale" hat den Ablauf des Schluckens laut Marinbiologe Patzner bestens formuliert. Hier seine - leicht veränderte - Erklärung: "Vorausgesetzt Fische schlucken wie Menschen - eher simpler, schließlich haben sie keinen Kehlkopf und brauchen Luft- und Atemweg nicht in der Form zu trennen wie Landlebende - dann ist Schlucken ein Vorgang mit Druck und Unterdruck.

Nahrung im Maul wird festgehalten, Wasser durch die Kiemendeckel ausgepresst. Die Kiemendeckel sind Einwegventile, sie schließen sich bei Unterdruck, den die Schlundmuskulatur beim Schlucken erzeugt - und flutsch - ist die Nahrung unten."
Fische trinken nicht und urinieren dennoch
Eine Frage bleibt dann noch offen: Trinken Fische eigentlich? "Nein", weiß Patzner. "Fische nehmen ohnehin ständig Wasser auf - nicht nur über das Maul - wo der Großteil über die Kiemen zur Atmung fließt und ein kleiner Teil tatsächlich in den Organismus gelangt -, sondern auch über die gesamte Außenhaut. Sie besitzen auch die Ausscheidungsorgane Niere und Blase und sie urinieren dementsprechend", resümiert der Patzner.

"Aber ein Trinkverhalten wie bei Säugetieren oder gar einen Durst haben sie nicht." Na dann: Prost, liebe Fische!

Eva-Maria Gruber, 30.1.06
->   Institut für Organismische Biologie, Uni Salzburg
->   Institut für Zoologie, Uni Innsbruck
 
 
 
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