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ORF ON Science :  Ask Your Scientist :  Umwelt und Klima 
 
Eines ist fix: Reiner Schnee riecht nicht  
  Dass viele Menschen dieser Tage Schnee nicht mehr riechen können, ist verständlich: Zu viel ist in diesem Winter schon gefallen. Ob unser Geruchsinn ihn aber prinzipiell wahrnehmen kann, können Experten wissenschaftlich fundiert nicht beantworten. Einzig eines ist fix: Reiner Schnee - oder besser gesagt: gefrorenes Wasser - riecht nicht! Maximal darin eingeschlossene Gaspartikel von anderen Substanzen können wir wahrnehmen.  
Noch ist das weit verbreitete Sinnesphänomen des "Schneeriechens" ein weißer Fleck auf der wissenschaftlichen Landkarte.

Welche Spekulationen und Erklärungsversuche die Fachleute dennoch wagen, können die User von science.ORF.at hier nachlesen.
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Die Frage im Wortlaut
Gernot L.: "In meinem Bekanntenkreis behaupten mehrere Leute (darunter auch ich), dass man Schnee riechen kann. Ist dies nur Einbildung oder kann man bevorstehenden Schneefall wirklich riechen? Eigentlich ist Schnee jedoch geruchlos, oder?"
->   Frage der Woche samt User-Forum
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Reiner Schnee ist in Natur nicht vorhanden
Gleich vorweg: Ja, unsere Nase könnte theoretisch Schnee wahrnehmen, wenn dieser einen Eigengeruch hätte. Soviel bestätigt der Geruchsforscher Helmut Hinghofer-Szalkay, Leiter des Instituts für Systemphysiologie an der Medizinischen Uni Graz. Aber: Riecht Schnee überhaupt?

"Prinzipiell gibt es in der Natur kein reines, destilliertes Wasser beziehungsweise Schnee", stellt Alexander Gohm vom Innsbrucker Institut für Meteorologie und Geophysik klar. "Es sind darin immer Substanzen enthalten, die durchaus einen Geruch haben können."
Beimengungen entwickeln Geruch ...
Und seine Kollegin Andrea Fischer ergänzt: "Im Frühjahr hat beispielsweise die bereits vorhandene Schneedecke sehr häufig einen typischen Eigengeruch", so die Meteorologin. "Mit den steigenden Temperaturen bilden sich nämlich im Schnee auch Algen und die riechen sehr wohl."

Dass viele Menschen Schnee riechen können, sei ein bekanntes Phänomen. "Es stellt sich aber die Frage, ob diese Wahrnehmung tatsächlich mit dem Schnee zu tun hat oder ob es sich dabei nicht eher um ein Phänomen handelt, das begleitend zum Schneefall auftritt", fügt Gohm hinzu.

"Vielleicht ist dies von einer bestimmten Wetterlage abhängig, die immer knapp davor herrscht und einen bestimmten Geruch erzeugt."
... etwa Aerosole aus der Luft
Vielleicht nimmt man aber auch nicht den Schnee, sondern Geruchspartikel in der Luft wahr, mutmaßt der Meteorologe weiter: "Denn auch die Luft ist niemals klar, sondern immer mit verschiedensten Aerosolen - eine Mischung aus festen und flüssigen Schwebeteilchen sowie Luft - angereichert. Und die können einen Eigengeruch haben."

Michael Hantel vom Wiener Institut für Meteorologie und Geophysik kann sich mit dieser Spekulation anfreunden: "Der Schnee bildet sich ja erst unmittelbar bevor er auf die Erde fällt, da können also im Vorfeld gar keine Geruchspartikel wahrgenommen werden", so der Wetterexperte.

"Aber es gibt sicherlich bei einer bestimmten Wetterlage ganz spezielle Aerosole, die man dann vielleicht riechen kann."
Zwei User-Vermutungen
Möglicherweise liegt Webuser "rollingmill" nahe an der Wahrheit: "Also ich glaube, man riecht nicht den kommenden Schnee, sondern nimmt die Änderung von Geruchsstoffen in der kälter werdenden Luft wahr. Möglicherweise können sich Düfte in kälterer Luft nicht so gut entwickeln und ausbreiten und wenn jetzt in eine relativ warme Umgebung vom schneebedeckten Berg ein kalter Wind reinweht, nimmt die Nase eine Verringerung an Geruchsreizen wahr, die im Hirn als "Schneegeruch" interpretiert werden."

Ebenso spekuliert auch Webuser "putzel71": "Es liegt am Ozon(03). Das riecht man übrigens auch, wenn man einen synthetischen Pulli auszieht, der knistert oder beim Kopieren und Laserdrucken."
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Fragenbank auch bei "Innovatives Österreich"
Fragen jeder Art zum Thema Wissenschaft kann man auch bei der Online-Plattform "Innovatives Österreich" stellen. Daraus entsteht eine öffentliche zugängliche "Fragenbank", die interessantesten Probleme werden an Experten zur Beantwortung weitergeleitet. Regelmäßig präsentiert das Ö1-Radio und science.ORF.at die "Frage des Monats".
->   innovatives-oesterreich
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Wissenschaftlerin des Jahres: Keine Studien zum Thema
Dass Ozon einen wahrnehmbaren Eigengeruch hat, bestätigt auch die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb von der Wiener BOKU. "Ozon hat eine relativ niedrige Geruchsschwelle und die meisten kennen den 'verbrannten' Geruch eben vom Kopieren oder vom Scannen - Prozesse, bei denen sich Ozon bildet", so die Wissenschaftlerin des Jahres 2005.

Aber Kromp-Kolb glaubt nicht, dass Ozon der "Schneebote" ist. "Ich kann leider auch keine schlüssige Antwort geben, weil es weder bereits vorhandenes Lehrbuchwissen, noch irgendeine bekannte Studie dazu gibt", führt Kromp-Kolb aus.

"Ich vermute aber, dass es sich nicht um einen Eigengeruch des Schnees handelt, den man wahrnimmt, sondern um das Umfeld und die begleitenden Erscheinungen im Vorfeld des Schneefalls wie eben bestimmte Wolkenformen oder eine spezielle Wettersituation."
"Schnee riecht nicht"
Einen klaren Standpunkt vertritt Hans Peter Aubauer von der Abteilung Energie&Umwelt des Wiener Instituts für Materialphysik: "Schnee riecht nicht!", so der Wissenschaftler kurz und bündig.

"In diesem Sinne nimmt man auch definitiv nicht den Schnee wahr, sondern maximal den Geruch von gasförmigen Partikeln im Schnee beziehungsweise im gefrorenen Wasser."

Eva-Maria Gruber, 13.3.06
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"Ask Your Scientist": Stellen Sie auch weiterhin Fragen
science.ORF.at lädt seine User ein, im Rahmen von "Ask Your Scientist" auch weiterhin Fragen per E-mail-Adresse askyourscientist@orf.at zum Thema Wissenschaft zu stellen.
->   So funktioniert "Ask Your Scientist"
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->   Das "Ask Your Scientist"-Archiv
->   Institut für Meteorologie und Geophysik, Uni Innsbruck
->   Institut für Meteorologie und Geophysik, Uni Wien
->   Institut für Materialphysik, Uni Wien
->   Institut für Meteorologie, BOKU Wien
->   Institut für Systemphysiologie, Med.UniGraz
 
 
 
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