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"Die Katze im Sack kaufen" statt einem Ferkel  
  Lassen wir die Katze aus dem Sack: Wenn Sie die Katze im Sack kaufen, dann übernehmen oder kaufen Sie etwas, ohne es vorher in Augenschein genommen zu haben und werden dabei übervorteilt. Im Klartext: Sie wurden betrogen! Historischer Ursprung dieser Redensart sind Tierverkäufe während des späten Mittelalters, bei denen nicht alles mit rechten Dingen zuging.  
Der erste, der die Redewendung "Katze im Sack kaufen" in dieser Bedeutung angeblich verwendet hat, ist Till Eulenspiegel, Gaukler und Titelheld des gleichnamigen niederdeutschen Volksbuches aus dem 14. Jahrhundert.

Was die Redewendungen genau bedeuten, lässt sich über ein gutes Wörterbuch oder das Internet meist einfach recherchieren. Woher diese Tierphrasen kommen und worauf sie beruhen, dafür muss man sehr häufig einen Blick zurück bis in die Neuzeit und sogar manchmal bis ins Mittelalter werfen, wie Experten für die User von science.orf.at erklären.
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Die Frage im Wortlaut
katzeaufheißemblechdach: "Woher kommt der Ausdruck 'die Katze im Sack kaufen'?"
->   Frage der Woche samt User-Forum
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Katze ist beliebtes Tier in Redewendungen
"Die Katze ist generell ein beliebtes Tier in Redewendungen", schickt die Wiener Sprachwissenschaftlerin und diplomierte Tierpsychologin Elke Peyerl vorweg. "Man lässt die Katze aus dem Sack; in der Nacht sind alle Katzen grau; etwas ist nur einen Katzensprung entfernt."

Wenn man eben die Katze im Sack kauft, übernimmt man etwas - und wird dabei übervorteilt - ohne den Kauf vorher begutachtet zu haben. Die Festlegung auf die Katze rührt daher, dass früher auf Märkten oft eine wertlose Katze anstelle eines Ferkels, Kaninchens oder Hasen in den Sack getan wurde, um den unachtsamen Käufer hereinzulegen - wie auch die meisten unserer Webuser richtig festgestellt haben.
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Elke Peyerl weiß, wovon sie spricht: Die Forscherin erstellt gemeinsam mit Kollegen unter der Leitung des Wiener Sprachwissenschaftler Peter Ernst ein "Wörterbuch zur österreichischen Phraseologie", in dem die Herkunft und Bedeutung derartiger und ähnlicher Phrasen erforscht werden.
->   Mit der Phraseologie ein Leiberl reißen (20.3.06)
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"Katze im Sack" auch bei Till Eulenspiegel
Der Grazer Sprachwissenschaftler Hanspeter Gadler erklärt die Herkunft der "Katze im Sack" noch in einem anderen Zusammenhang: "Das Volksbuch von Till Eulenspiegel bringt zu ersten Mal den Schwank von der Katze im Sack, die als Hase verkauft wurde", so der Experte.

"Die frühesten schon im Mittelalter geläufigen Redensarten sprachen nur vom 'Kaufen in einem Sack'. Das findet sich auch noch bei Luther, wenn die Rede von 'im sacke keuffen' oder 'im sacke verkeuffen' ist. Diese Phrase gibt es übrigens auch im Französischen, Italienischen und Niederländischen."
Im "Deutschen Wörterbuch" von 1873
Dieselbe Erklärung für die Redewendung "die Katze im Sack kaufen" geben die Gebrüder Jakob und Wilhelm Grimm bereits 1873 in ihrem "Deutschen Wörterbuch", wie der Innsbrucker Sprachwissenschaftler Manfred Kienpointner festhält.

"Warum Tiere bevorzugt in Redewendungen und Sprichwörtern vorkommen, liegt wohl an der anthropozentrischen Sicht der Welt", führt der Experte aus. "Viele dieser Wendungen beziehen ihre Relevanz allerdings eher aus Zeiten, wo für den Menschen die Jagd und die Landwirtschaft in höherem Ausmaß Teil der Alltagswelt waren."

Wer muss heute schon noch "mit den Hühnern aufstehen"? Hingegen wird der Bock heutzutage schon noch gerne zum Gärtner gemacht - sprich: eine unfähige Person in eine Position erhoben, für die diese nicht geeignet ist.
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Fragenbank auch bei "Innovatives Österreich"
Fragen jeder Art zum Thema Wissenschaft kann man auch bei der Online-Plattform "Innovatives Österreich" stellen. Daraus entsteht eine öffentliche zugängliche "Fragenbank", die interessantesten Probleme werden an Experten zur Beantwortung weitergeleitet. Regelmäßig präsentiert das Ö1-Radio und science.ORF.at die "Frage des Monats".
->   innovatives-oesterreich
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Von geschenkten Gäulen und bellenden Hunden
Warum man dem geschenkten Gaul nicht ins Maul schaut, beantwortet Webuser "cormacolindo": "Die Redewendung kommt daher, dass die Zähne im Pferdemaul als ein Gesundheitsmerkmal für Tiere gelten. Tierärzte kontrollieren das noch heute. Ein Gaul war sehr teuer. Und dann etwas bei einem geschenkten Tier zu bemängeln...na ja."

Ebenso kompetent die Antwort "cormacolindos" auf die bellenden Hunde, die nicht beißen: "Also dass ist doch nun mehr als logisch. So lange sie bellen, beißen sie nicht, weil sie dass Maul offen haben."
Tier-Phrasen zum Schimpfen
Tier-Phrasen kommen auch häufig in Schimpfwörtern und abwertenden Redewendungen vor - im Deutschen ebenso wie in anderen Sprachen, wenn auch nicht immer mit dem gleichen Tier: "poule mouillee" ("nasses Huhn") ist französisch für Angsthase, im Englischen hingegen ist man als Feigling eher ein "chicken".

Und was im Deutschen das "Spatzenhirn" ist im Englischen "beetle brained" (also jemand mit "Käferhirn"). Im Griechischen wird nicht die "Mücke zum Elefanten" gemacht, sondern "der Floh zum Kamel".
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Innsbrucker Sprachtelefon
Für derartige und ähnliche Fragen im alltäglichen Sprachgebrauch hat Manfred Kienpointner gemeinsam mit Kollegen vom Innsbrucker Institut für Sprachen und Literatur ein "Sprachtelefon" eingerichtet, über das man sich kostenlos bei kompetenten Experten informieren kann.
->   Mehr dazu (Uni Innsbruck; pdf-Datei)
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Williams "Katze auf den heißen Blechdach"
Aber was hat sich Tennessee Williams eigentlich gedacht, als er eines seiner berühmtesten, mit dem Pulitzer-Preis honorierten Dramen extra "Die Katze auf den heißen Blechdach" genannt hat?

"Es ist natürlich ein symbolischer Titel, der mit 'Maggie', einer der Hauptfiguren, verknüpft ist", erklärt Ewald Mengel vom Wiener Institut für Anglistik und Amerikanistik. "Es interpretiert die Situation der jungen lebenslustigen Frau, die sich in der dargestellten Familiensituation nicht wohl fühlt und die Pfoten von der brenzligen Situation zu heben versucht.

Gleichzeitig will sie sich aber aus ihrer Lage nicht befreien, obwohl sie einfach nur vom Dach springen - sich aus dem System befreien - müsste und auf ihren vier Pfoten landen - also die Probleme hinter sich lassen - könnte."

"Der Titel wird im Drama übrigens direkt in einem Gespräch zwischen Maggie und ihrem homosexuellen Ehemann Brick beschrieben", resümiert Mengel. Wenn unsere Webuser noch mehr wissen wollen: Bitte einfach in der Weltliteratur nachlesen!

Eva-Maria Gruber, 10.4.06
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"Ask Your Scientist": Stellen Sie auch weiterhin Fragen
science.ORF.at lädt seine User ein, im Rahmen von "Ask Your Scientist" auch weiterhin Fragen per E-mail-Adresse askyourscientist@orf.at zum Thema Wissenschaft zu stellen.
->   So funktioniert "Ask Your Scientist"
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->   Das "Ask Your Scientist"-Archiv
->   Institut für Sprachwissenschaft, Uni Wien
->   Institut für Sprachen und Literatur, Uni Innsbruck
->   Institut für Sprachwissenschaft, Uni Graz
->   Institut für Anglistik und Amerikanistik, Uni Wien
 
 
 
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