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Sturm im Wasserglas, Teil 2: Das Experiment  
  Die letzte Frage der Serie "Ask Your Scientist" spaltete die Web-Community: Klingen die mittels Löffelschlag erzeugten Töne eines mit Wasser gefüllten Glases tiefer, wenn die Flüssigkeit im Gefäß rotiert? Die Meinungen gingen auseinander, hitzige Diskussionen entbrannten. Wir ließen die Frage nun von einem Physiker prüfen. Das Resultat des Experiments: Ja, die Tonhöhe sinkt tatsächlich. Und: Die Erklärungen der befragten Experten stimmen.  
Demzufolge verändert rotierendes Wasser seinen Wasserstand, wodurch wiederum die Schwingungseigenschaften des klingenden Glases verändert werden. Das Experiment verdanken wir einer spontan organisierten Versuchsreihe von Werner Gruber, der am Wiener Institut für Experimentalphysik arbeitet.
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Die Frage im Wortlaut
Vor kurzem fiel mir auf, dass die Geräusche, die ein Löffel in einem Glas mit Wasser macht, während man damit umrührt, tiefer klingen, je schneller die Flüssigkeit rotiert. Hört man auf zu rühren und schlägt trotzdem gegen das Glas, werden die Töne immer höher, bis die Flüssigkeit wieder ruht. Wie ist dieses Phänomen zu erklären?
->   Zur Antwort Teil 1 samt Diskussionen
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Zwei Fragestellungen
"Zur bereits formulierten Hypothese - 'Ein höherer Wasserpegel im Glas erzeugt tiefere Töne' - habe ich mir folgende zwei Forschungsfragen gestellt", führt Werner Gruber vom Wiener Institut für Experimentalphysik aus.

"Erstens: Gibt es eine Tonhöhenänderung mit der Änderung des Wasserstandes? Zweitens: Gibt es Tonhöhenänderungen durch das Rotieren beziehungsweise der damit verbundenen Änderung des Wasserstandes einer Flüssigkeit?"

Um den Anforderungen an ein wissenschaftliches Experiment zu erfüllen - sprich: dass es messbare Ergebnisse liefert und wiederholbar ist - hat Gruber den Versuchsaufbau genau beschrieben, die Parameter definiert und eine Formel für die Grundfrequenz in einem zylindrischen leeren Wasserglas (mit und ohne Wasser) entworfen.

"Allein durch diese Formel kann bereits gezeigt werden: Je höher der Wasserstand ist, desto geringer wird die Grundfrequenz", so der Experimentalphysiker. "Das bedeutet, der Ton klingt umso tiefer, je höher das Glas gefüllt ist."
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Messprotokoll zum Download
Physik-Aficionados können das komplette Messprotokoll mit den Formeln, Frequenz-Diagrammen und Sonagrammen downloaden.
->   Zum Dokument (pdf-file)
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Zwei Antworten
Die Ergebnisse des Experiments bestätigen die Erklärungen, die Martin Gröschl und Werner Gruber letzte Woche angeboten haben. "Die den Ton bestimmende Frequenz verändert sich mit der Wasserhöhe", führt Gruber sein erstes Resümee zur ersten Frage. Und: "Ein Glas klingt um so tiefer, je höher es gefüllt ist. Genauer gesagt reden wir von 65 Hertz [Hz] Frequenzänderung bei fünf Millimeter Änderung des Wasserstandes."

Der Ergebnisse zur zweiten Forschungsfrage: "Im Versuch zeigte sich eine schöne Frequenzänderung mit der Zeit, die proportional zur Wasserhöhe gegeben ist", fasst Gruber zusammen. "In den Diagrammen sieht man auch, dass die höheren Frequenzen nur einen sehr kleinen Teil zum Klang beitragen."
Wasserstand als entscheidender Faktor
Mit den Ergebnissen wurde gezeigt, dass das Schwingungsverhalten eines Wasserglases vom Wasserstand abhängt. Das Wasser am Glas bestimmt die Eigenfrequenz, mit der das Glas schwingen kann. Allerdings ist auch die Stärke des Druckes, welches das Wasser auf das Glas ausübt, mitverantwortlich.

"Beim höchsten Wasserstand haben wir nur einen dünnen Wasserfilm, der nur einen geringen Anteil auf die Schwingungsmoden des Glases hat", so Gruber. "Deshalb ergibt sich auch nicht ein so großer Unterschied der Frequenzen bei einer rotierenden Flüssigkeit."

Bleibt im Sinne Euklids nur noch zu sagen:
Quod erat demonstrandum - was zu beweisen war!
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Fragenbank auch bei "Innovatives Österreich"
Fragen jeder Art zum Thema Wissenschaft kann man auch bei der Online-Plattform "Innovatives Österreich" stellen. Daraus entsteht eine öffentliche zugängliche "Fragenbank", die interessantesten Probleme werden an Experten zur Beantwortung weitergeleitet. Regelmäßig präsentiert das Ö1-Radio und science.ORF.at die "Frage des Monats".
->   innovatives-oesterreich.at
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Diskussion der User-Beiträge: Dämpfung, ...
Nachtrag: Werner Gruber hat in seinem Protokoll auch die wichtigsten Fragen, Interpretationen und Schlussfolgerungen der Webuser beantwortet und kommentiert. Im Folgenden ein Auszug:

Webuser "derphysiker" meint: "Beim vorliegenden Versuch verändert sich durch die Wasserschicht am Glas die Frequenzzusammensetzung, höhere Frequenzen bzw.
Schwingungsmoden des Glases werden leichter gedämpft als tiefe, somit sinkt die empfundene Tonhöhe, der Klang wird dumpfer."
Gruber: "Die höheren Frequenzen wurden stärker gedämpft, als die niedrigeren. Prinzipiell ist die geringste Grundschwingung des Glases für den Ton verantwortlich. Die Oberschwingungen bei höheren Frequenzen sind alle sehr stark gedämpft. Es sinkt tatsächlich die Frequenz."
... nochmals Dämpfung, ...
"rollingmill" ist überzeugt: Dämpfung verändert die Eigenfrequenz eines Systems erst bei sehr, sehr hohen Dämpfungsgraden! Mit Wasser erreicht man das sicher nicht.
Gruber: "Die Dämpfung ist ausreichend. Sogar ein Millimeter mehr oder weniger im Wasserglas verändern schon den Ton - die Eigenfrequenz des Glases."

"rollingmill" meint weiters: "Dämpfung hat vor allem Auswirkung auf die Amplitude, aber weniger auf die Frequenz, das heißt, mehr Dämpfung macht den Ton leiser, aber nicht tiefer."
Gruber: "Sorry, wir müssen hier zwischen der Akustischen Dämpfung und der Dämpfung der Schwingungsmoden des Wasserglases unterscheiden. Eine Akustische Dämpfung führt tatsächlich zu einer Verringerung der Lautstärke. Diesen Effekt haben wir aber hier nicht gegeben. Hier wird durch das Wasser das Glas am Schwingen gehindert. Man spricht von einer Dämpfung der Schwingungsmoden. Manche Frequenzen können entstehen, andere nicht. Es entspricht dem Stimmen eines Klaviers."
... Zentrifugalkraft
Zur Zentrifugalkraft, die laut "rollingmill" nicht existiert, ergänzt Gruber: "Die Zentrifugalkraft ist die nach außen gerichtete Kraft in einem rotierenden System. Die Zentripetalkraft ist nach innen gerichtet. Beide Kräfte sind sogenannte Scheinkräfte, das bedeutet, dass man durch Wahl eines geeigneten Koordinatensystems diese Kräfte zum verschinden bringen kann. Dafür entstehen dann aber neue Kräfte."

Eva-Maria Gruber, 12.6.06
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