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Thermik hält Wolken am Himmel  
  Es ist die Thermik, welche die Wolken am Himmel hält. Die Wassertröpfchen bleiben solange hoch in der Luft, als die thermischen Aufwinde stärker sind als die Schwerkraft, die auf die Wassertröpfchen wirkt. Kehrt sich das Verhältnis um, dann fallen sie tatsächlich vom Himmel: nämlich als Regen.  
Und manchmal verschwinden sie einfach: Wenn sie in ein Gebiet kommen, in dem die Luft noch nicht mit Wasserdampf gesättigt ist, beispielsweise an einem schönen, heißen Sommertag. Dann verdunsten die Tröpfchen einfach - und weg ist sie, die Schönwetterwolke.
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Die Frage im Wortlaut
regow: Warum fallen Wolken nicht vom Himmel? Wolken bestehen aus Tröpfchen, nicht nur aus Wasserdampf (der ja unsichtbar wäre). Tröpfchen (flüssiges Wasser) sollten aber schwerer als Luft sein. Manchmal wird mit der Reynolds-Zahl und der Thermik argumentiert, an die Thermik (Aufwinde) kann ich allerdings nicht glauben, weil mir die Wolkendecke dafür viel zu ruhig erscheint. Also, wieso bleiben die Wassertropfen oben?
->   Zur Frage samt Userforum
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Zutaten: Sonne, Luft und Wasser
Vorab: Wolken sind ein fragiles Luft-Wasser-Gebilde, dessen Entstehung, Veränderung und Verschwinden von der Temperatur und Feuchtigkeit der Luftmassen abhängt. Zwei wesentliche Faktoren sind die Sonne, die die Erde erwärmt, und das Wasser auf der Erdoberfläche. Sie spielen auch eine wesentliche Rolle beim Vermögen der Wolken, sich am Himmel halten zu können.

"Durch die Sonneneinstrahlung erwärmt sich die Erdoberfläche und mit ihr auch die Luft am Boden", erläutert Regina Hitzenberger vom Wiener Institut für Experimentalphysik:

"Die erwärmte Luft steigt in der stabil geschichteten Atmosphäre der Erde auf - warme Luft hat nämlich eine geringere Dichte als kalte Luft - und kühlt sich dabei langsam ab. Dabei entstehen thermische Aufwinde."
Wasserdampf kondensiert
Je nachdem, wie heiß es ist bzw. wie viel Wasser von der Sonne bestrahlt wird, ist die Luft mehr oder weniger mit Wasser gesättigt. Je mehr sich die erwärmte Luft beim Aufsteigen abkühlt, desto schlechter kann sie den Wasserdampf halten.

Ab einer bestimmten Höhe erreicht die Luft das Kondensationsniveau - jene Höhe, in der die Luft ihre Taupunkttemperatur erreicht und der Wasserdampf der Luft gesättigt ist.
Rußpartikel helfen mit
"Ist das Kondensationsniveau erreicht, werden aus dem Wasserdampf winzige Wassertröpfchen - so genannte Wolkentröpfchen. In großen Höhen können auch winzige, schwebende Eiskristalle entstehen", führt Hitzenberger aus.

"Zu einer stabilen Wolke kann es erst dann kommen, wenn die Kondensationsrate höher ist als die Verdunstungsrate, sprich: wenn mehr Wassermoleküle kondensieren als verdunsten."

Damit sich überhaupt Tropfen bilden können, braucht es so genannte Kondensationskeime wie Staub, industrielle Emissionen oder Rußpartikel, an denen sich die Wolkentröpfchen ausbilden können.
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Fragenbank auch bei "Innovatives Österreich"
Fragen jeder Art zum Thema Wissenschaft kann man auch bei der Online-Plattform "Innovatives Österreich" stellen. Daraus entsteht eine öffentliche zugängliche "Fragenbank", die interessantesten Probleme werden an Experten zur Beantwortung weitergeleitet. Regelmäßig präsentieren das Ö1-Radio und science.ORF.at die "Frage des Monats".
->   innovatives-oesterreich.at
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Tröpfchen sinken sehr langsam
"Die Größe der entstehenden Tröpfchen ist sehr gering - zwischen zehn und 30 Mikrometer", so Hitzenberger. "Daher haben sie auch relativ geringe Fallgeschwindigkeiten, die sich meist in einem Bereich von einem bis zu einigen Zentimetern pro Sekunde bewegen."

Solange die Geschwindigkeit der thermischen Aufwinde höher ist als die Fallgeschwindigkeit der Wolkentröpfchen, halten sich die entstandenen Wolken mehr oder weniger auf gleicher Höhe, weil immer neue Wolkenkondensationskerne mit den Aufwinden in die Höhe des Kondensationsniveaus getragen werden.

Die Tröpfchen in der Wolke selbst steigen weiter und wachsen, bis die Thermik nicht mehr ausreicht, um sie hochzutragen. Nebel ist übrigens ebenfalls eine Form von Wolke, die unter bestimmten Bedingungen in Bodennähe sowie in der Höhe auftreten kann - allerdings ohne Thermik.
Sichtbar ist nur gestreutes Licht
"Was wir am Himmel sehen, sind natürlich nicht die Wassertröpfchen, denn sie sind viel zu klein, um sichtbar zu sein", fügt die Physikerin hinzu. "Wir sehen das Streulicht, das die von der Sonne oder der diffusen Strahlung beleuchteten Tröpfchen abstrahlen."

Mit der Reynoldszahl hat es übrigens nichts zu tun, dass Wolken am Himmel "oben bleiben": "Die Relativgeschwindigkeit von Tropfen zu einem Beobachter - beispielsweise auf einem Berg - hängt von der Differenz zwischen Fallgeschwindigkeit und Strömungsgeschwindigkeit der Luft, d.h. Aufwind oder Abwind oder gar kein Wind - ab", ergänzt Hitzenberger.
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Reynoldszahl
Die Reynoldszahl wird als Kriterium verwendet, ob eines Strömung - in diesem Fall die Strömung der Luft um den fallenden Tropfen herum - laminar (ohne Wirbel) oder turbulent (mit Wirbeln) ist. Bei laminaren Strömungen ist der Strömungswiderstand bei gleicher Geschwindigkeit geringer, d.h. die Tropfen werden weniger stark von der Luft abgebremst als bei turbulenter Strömung. Die Reynoldszahl von Wolkentröpfchen ist sehr klein (< 0,02), also ist die Strömung der fallenden Tröpfchen laminar.
->   Reynoldszahl - Wikipedia
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Wie Regen entsteht
Wolken verschwinden auch wieder: "Entweder sie kommen in eine Region, in der die relative Luftfeuchtigkeit unter hundert Prozent liegt - beispielsweise weil der Aufwind nachlässt oder es sogar einen Abwind gibt. Dann verdunsten die Wassertropfen einfach und die Wolke löst sich auf", erklärt Walter Wolf von der Wiener Zentralanstalt für Meteorologie und Geophysik.

"Oder die Wassertröpfchen sind so groß respektive so schwer geworden - nämlich 0,5 bis 3 Millimeter -, dass die Fallgeschwindigkeit höher ist als die Aufwindgeschwindigkeit. Dann beginnt es zu regnen."
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Buchtipp
Warum die Wolken nicht vom Himmel fallen. Von der Allgegenwart der Physik, von K. C. Cole, Aufbau Verlag, 256 Seiten, Berlin 2000
->   Zum Buch
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Auf und Ab der Hagelkörner
Nicht immer fallen Wassertropfen vom Himmel. "Hagel entsteht beispielsweise in Gewitterwolken, in denen es zu starken Auf- und Abwinden mit Geschwindigkeiten von bis zu 200 Stundenkilometern kommt - ein Grund warum, Flugzeugpiloten solche Gewitterwolken meiden", fügt der Wetterexperte hinzu.

"Da werden die bereits gefrorenen Wassertropfen zuerst auf und abgewirbelt, wobei sie sich zusätzlich noch sukzessive vergrößern, bevor sie als Hagelkörner zu Boden fallen." Ihre Entstehung kann man sogar selbst nachprüfen: "Schneidet man große Hagelkörner in der Mitte durch, sieht man, dass diese wie eine Zwiebel aufgebaut sind", so Wolf.
Platz- und Schnürlregen
Platzregen entsteht lokal an Orten mit großer Hitze. Hier haben sich richtige Heißluftblasen gebildet, die rasch riesige Wolken verursachen, die sich dann abregnen müssen. "Der klassische Schnürlregen ist hingegen ein Phänomen großräumiger Wetterbedingungen", resümiert der Meteorologe.

"Hier kommen immer wieder verschiedene großflächige Luftmassen zusammen, die dann die typischen Wolkenkonstellationen für Schnürlregen hervorrufen."

Wer mal so einen richtigen Schnürlregen erleben will, sollte Salzburg besuchen. Die Stadt ist nämlich nicht nur für Mozart, sondern auch für dieses meteorologische Phänomen bekannt.

Eva-Maria Gruber, 3.7.06
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