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Ob Licht oder luftige Höhen - Gelsen sind immer lästig  
  Stechmücken, auf gut österreichisch: Gelsen, fliegen wie die Motten ins Licht. Grund dafür ist ihre Form der Flugkoordinierung, die sich an hellen nächtlichen Lichtquellen, zum Beispiel dem Mond, orientiert. Allerdings ist es den Weibchen - nur sie haben einen zum Stechen geeigneten Mundteil - im Prinzip einerlei, ob das Licht eingeschaltet oder ob es stockfinster ist. Die Hauptsache ist, sie kommen zu ihrer essenziellen Blutmahlzeit.  
Hat sich der Parasit an den "falschen" Orientierungspunkt "Nachttischlampe" gewöhnt, stechen sie gnadenlos zu. Leider garantiert auch eine Wohnung im 18. Stockwerk noch keine "Gelsenfreiheit": Zwar treten sie dort nicht in Massen auf, aber sie können durchaus auch in diesen Höhen zum lästigen Schlafräuber werden.

Dass Gelsen absolut lästige Quälgeister sind, steht außer Zweifel. Warum die Insekten bei Licht wie bei Dunkelheit ein unfeines Verhalten an den Tag legen und warum sie in luftige Höhen aufsteigen, erklärt ein Experte den Usern von science.ORF.at.
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Die Fragen der Woche im Wortlaut
Helmut J.: Werden Gelsen durch Licht angezogen? Meiner Erfahrung nach nicht, denn wenn ich in moskitoreichen Gegenden am Abend das Licht im Zimmer aufgedreht ließ, wurde ich von Stichen verschont, drehte ich das Licht aus, fielen die Biester über mich her!!?

Gerald L.: Habe Ihren Bericht über die Gelsenplage gelesen. Die Frage, wie hoch Gelsen fliegen können, wurde jedoch nicht behandelt. Da ich in Kürze in eine im 18. Stock gelegene Wohnung ziehe, würde mich interessieren, ob ich zukünftig überhaupt Vorbeugungsmaßnahmen wie Gelsennetze oder dergleichen benötige.
->   Zur Frage samt Userforum
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Nachtaktive Blutsauger
"Prinzipiell sind Stechmücken nachtaktive Insekten", erläutert Hannes F. Paulus, Leiter des Instituts für Evolutionsbiologie am Wiener Fakultätszentrum für Zoologie. "Einige der blutsaugenden Gelsenarten bevorzugen also die Dämmerung und Nacht, um auf Nahrungssuche zu gehen."

Daher überfallen die Biester einen auch bevorzugt an lauen Sommerabenden im Heurigengarten oder nachts im Bett. Aber um an die essentielle Blutmahlzeit zu kommen, schreckt sie Licht vom Stechen nicht ab.
Gelsen mit Geruchs- und Wärmesensoren ausgestattet
Für diese zur Fortpflanzung lebensnotwendige Eiweiß-Ration, die Weibchen dringend zur Entwicklung der Larven benötigen, können sie ihre Opfer im Hellen wie im Dunklen anzapfen.

"Sie erkennen potenzielle Nahrungsquellen an ihrem Geruch", führt der Experte aus. "Gelsen haben nämlich hochsensible Geruchs- und Wärmesensoren, mit denen sie ihre Opfer aufspüren und exakt die passende Stichstelle an einer Blutader detektieren."
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Wie finden Gelsen ihre Opfer?
So klein die Biester sind, so komplex sind ihre Mechanismen bei der Auswahl des Wirtes. Die Parasiten finden diese über den Atem - genauer gesagt über das Kohlendioxid, das wir ausstoßen.

Sie können nämlich den CO2-Gehalt in der Luft per Geruchsrezeptoren genau messen und registrieren, wenn die Dosis erhöht ist und sich damit ein potenzielles Opfer in ihrer Nähe befindet. Die Gelsen fliegen der 'CO2-Fahne' nach und - voilá! - haben ihren Wirten gefunden.

"In der Nähe der Wirten spielt dann auch der Körperduft eine Rolle", so Paulus. "Der Säureschutzmantel der Haut besteht aus verschiedenen Säuren wie Milch- oder Buttersäure und diesen Cocktail erriechen sie."

Ist der Wirt einmal gefunden, muss das gute Tier nur noch feststellen, wo die Zapfsäule ist. "Gelsen können mit hochentwickelten Wärmesensoren die Temperaturunterschiede auf der Haut feststellen", erklärt der Evolutionsbiologe weiter. "Je wärmer es ist, desto näher ist das Tier am Blutgefäß."
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Licht als Orientierungspunkt
Bei Licht dauert es lediglich ein wenig länger, bis die Stechmücken ihre Opfer ausmachen können. "Ebenso wie viele andere nachtaktive Insekten - beispielsweise die Motten - werden Gelsen vom Licht angezogen", führt Paulus weiter aus. "Der Grund dafür liegt darin, dass sie sich zur Flugkoordination prinzipiell am Licht der hellsten Quelle des Nachthimmels, des Mondes, orientieren."

Webuser "zlozale" erklärt dies folgendermaßen: "Insekten orientieren sich nächtens seit Jahrmillionen an der hellsten Lichtquelle, dem Mond: Ein Aufstieg und dann ein geradliniger Flug gelingt ihnen mit dem simplen Algorithmus, dass man zuerst auf die Lichtquelle zufliegt, man dann abbiegt, und dann der Lichteinfallswinkel konstant bleiben muss. Landen kann man, indem man sich von der Lichtquelle entfernt. Dies gilt allerdings nur, so lange die einzige Lichtquelle unendlich weit entfernt ist.

Nun hat der Mensch hinterfotzigerweise künstliche, sehr nahe Lichtquellen in die Nacht gestellt: Fliegt man auf sie zu, knallt man dagegen, fliegt man von ihr weg, kommt man irgendwo hin, aber nicht unbedingt zu einem Landeplatz. Und fliegt man so, dass die Lichtstrahlen stets parallel ins Auge fallen, bewegt man sich auf einer Kreisbahn um die Lichtquelle."
Künstliche Lichtquelle verwirrt Gelsen
Der Evolutionsbiologe Paulus erklärt dies genauer: "Im Gegensatz zum Mond senden unser künstlichen Lichtquellen das Licht konzentrisch - weil die Quelle sehr nah ist - anstatt wie der Mond geradlinig - weil dieser sehr weit weg ist - aus. Die Gelsen verlieren sozusagen die Orientierung", so Paulus.

Erst wenn sie sich an diese Lichtquelle gewohnt haben, wenn sie nicht zuvor von ihr geschmort werden, können sie sich wieder an die Stecherei machen. Dementsprechend verzögert sich die Qual nur ein wenig.
Höhe bewahrt nicht vor Stichen
Das 18. Stockwerk ist leider ebenfalls keine Garantie für gelsenfreie Nachtruhe. "Für Stechmücken sind Hochhäuser nichts anderes als Felswände, die sie immer wieder gerne aufwärts fliegen", führt Paulus aus.

"Auf der Suche nach der lebensnotwendigen Blutnahrung ist ihnen kein Hindernis zu hoch. Zwar ist die Chance eines Gelsenstiches in luftigen Höhen tatsächlich geringer, aber eben nicht gleich null." Ein Gelsennetz schadet also nie.
Viele Stiche machen immun gegen Juckreiz
Der effektivste Gelsenschutz ist die wahrscheinlich unbeliebteste Variante: Einfach mehrere Tage lang ordentlich und oft stechen lassen!

Dann wird der Körper den Sommer hindurch immun gegen die Auswirkungen eines Gelsenstiches und man hat beim nächsten Mal Ruhe vor Dippel und Juckreiz.

Eva-Maria Gruber, 31.7.06
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->   Das "Ask Your Scientist"-Archiv
->   Hannes F. Paulus - Uni Wien
->   Frühe Gelsenplage: Jetzt reduzierte Bestände (8.6.06)
->   Maßnahmen gegen die drohende Gelsenplage (19.8.02)
 
 
 
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