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Trinken während des Essens ist unbedenklich  
  Während der Mahlzeiten soll man nichts trinken - so lautet eine verbreitete Lehrmeinung. Stimmt nicht, meint der Wiener Ernährungswissenschaftler Ibrahim Elmadfa. Allerdings gibt es eine kleine Einschränkung: Es kommt auf die Menge an.  
Wenn wir nämlich vor, während oder nach den Mahlzeiten sehr viel Wasser zu uns nehmen, wird die Magensäure verdünnt. Und das, so Elmadfa, verlangsame die ersten Verdauungsschritte im Magen. Ein Glas Wasser zum Essen ist jedenfalls unbedenklich.
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Die Frage im Wortlaut
Otto L.: "Meine Frau sagt mir immer, dass ich während dem Essen nicht trinken soll, da angeblich die Magensäfte durcheinander kommen. Erst nach dem Essen soll man trinken. Was sagt ein Ernährungsfachmann dazu?"
->   Die Frage der Woche mit den User-Antworten
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Trinken beim Essen: In Maßen empfohlen
Die verbreitete Annahme, dass es schlecht für die Verdauung sei, während der Mahlzeiten zu trinken, ist in dieser Pauschalität falsch, erklärt Ibrahim Elmadfa, Vorstand des Instituts für Ernährungswissenschaften an der Universität Wien, gegenüber science.ORF.at.

Wie User "solidstate" richtig vermutet, ist es in Maßen sogar sinnvoll, zum Essen Wasser zu trinken: Ein Schluck zwischendurch regt den Speichelfluss an. Auch wenn wir - was aus ernährungsphysiologischer Sicht empfohlen wird - sehr vielseitige, z.B. salzige und süß-saure Speisen zugleich zu uns nehmen, sei der Genuss von Wasser zwischendurch förderlich für die Verdauung.
Große Flüssigkeitsmengen behindern Nahrungsaufnahme
Ein Körnchen Wahrheit steckt in der Warnung vor dem Trinken vor oder während des Essens dennoch, meint Ibrahim Elmadfa. Zu viel Wasser fülle kurzfristig den Magen an und man nehme dann kleinere Portionen zu sich - eine Methode, die vor allem junge figurbewusste Menschen oft gezielt anwenden würden.

Auch im islamischen Fastenmonat Ramadan, der heuer am 23. September beginnt, wird die Frage des Zeitpunkts und der Menge der Flüssigkeitszufuhr immer wieder virulent. Während dieses Monats ist Gläubigen zwischen Morgendämmerung und Sonnenuntergang nicht nur die Aufnahme von fester und flüssiger Nahrung, sondern auch das Trinken von Wasser untersagt.

Vor allem ungeübte Fastenneulinge, so Ibrahim Elmadfa, machen oft den Fehler, nach Sonnenuntergang zu große Flüssigkeitsmengen auf einmal zu sich zu nehmen - das schwäche den Körper, weil er dann zu wenig Nahrung aufnehmen kann.
Zu viel Wasser verdünnt Magensäure
Zu viel Wasser verändert aber auch die Konzentration der Magensäure. Magensäure ist - chemisch betrachtet - eine wässrige Lösung, die aus Salzsäure und dem eiweißspaltenden Enzym Pepsin besteht. Sie wird in der Magenschleimhaut produziert und hat die Aufgabe, die Nahrung aufzuschließen und die Bakterien abzutöten, die über die Nahrung in den Körper eingeschleust werden.

Im nüchternen Zustand weist die Magensäure einen pH-Wert von rund 1,5 auf. Ist der Magen voll, steigt der pH-Wert auf 2 bis 4 an. Wenn wir nun zu viel Wasser trinken, wird die Magensäure verdünnt. Und das hat zur Folge, dass sich die Verdauung verzögert, so Ibrahim Elmadfa.
Zeitpunkt der Verdünnung nicht entscheidend
Ist es also doch besser, erst nach dem Essen zu trinken, wie Otto L.'s Frau vermutet? Auch hier gilt: Auf die Dosis kommt es an. Trinken wir unmittelbar nach den Mahlzeiten zu viel, dann bleibt das Essen länger im Magen - und das, so Elmadfa, spürt man auch.
Getränketemperatur nahe der Körpertemperatur
User "agentbluescreen" hat zusätzlich die Frage aufgeworfen, ob neben dem pH-Wert der Magensäure auch die Temperatur des Getrunkenen eine Rolle für die Verdauung spielt. Generell gilt: Je näher die Temperatur der getrunkenen Flüssigkeiten der Körpertemperatur kommt, umso besser ist es für den Körper.

Tee, Kaffee oder Suppe werden meist viel zu heiß serviert und getrunken, so Elmadfa. Das reizt, wie auch User "zlozale" angemerkt hat, die Magenschleimhäute. Ideal sei es daher, diese Flüssigkeiten auf 60 bis 70 Grad Celsius abkühlen zu lassen. Nimmt man sie in dieser Temperatur zu sich, gelangen sie in etwa in Körpertemperatur in den Magen.

Allerdings sollte man nicht nur bei den Getränken, sondern auch bei den Speisen auf die Temperatur achten. Hier stelle unsere ausgefeilte Esskultur immer wieder Tücken bereit: Die Verbrennungsgefahr beim Essen mit Besteck ist ungleich höher als wenn man mit der Hand isst. Das Essen mit der Hand baut natürliche und simple Barrieren ein: Was man nicht in die Hand nehmen kann, ist noch zu heiß, um es zu essen.
Veränderungen im Trinkverhalten
Stärkere Probleme als in der prinzipiellen Frage des Trinkens zum Essen sieht Ibrahim Elmadfa in der Veränderung unserer Trinkkultur: "Die Leute trinken heute mehr als früher, aber die Zusammensetzung hat sich verändert." Stand früher immer ein Wasserkrug am Tisch, so greifen wir heute immer öfter zu energiereichen Getränke wie Fruchtsäften oder Alkohol.

Trinken beim Essen mit Maß, lautet also die Devise - nicht nur im Hinblick auf die Menge, sondern auch auf die Art der Flüssigkeit.

Martina Nußbaumer, 20.09.06
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