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Digitale Speichersysteme sind unsichere Archivmedien  
  Schlechte Nachrichten für Hobby-Archivare: Optische Speichermedien wie CDs und DVDs sind als Langzeitspeichermedien ungeeignet. Mehr als drei bis zehn Jahre Haltbarkeit - und selbst das nur bei idealen Aufbewahrungsbedingungen - darf man sich von ihnen nicht erwarten.  
Dennoch: Die Rückkehr zum Papier - in säurefreier Form neben Stein und Metall noch immer ungeschlagener Sieger in der Langzeitdatensicherung - ist auch nicht immer die Lösung. Vor allem nicht, wenn man wie User "Gunnar L." die Videosammlung sichern will.

Befolgt man allerdings einige Grundregeln beim Umgang mit DVD und Co. und sorgt man für regelmäßige Datenmigration auf neue Speichermedien, lässt sich der Lieblingsfilm auch im Zeitalter der Digitalisierung länger aufbewahren.
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Die Frage im Wortlaut
Gunnar L.: Ich bin eben dabei, meine Videosammlung zu digitalisieren. Nun habe ich gelesen, dass DVDs Daten nur vier Jahre verlustfrei speichern, sofern man sie nicht im Dunklen und bei niedriger Temperatur lagert. Stimmt das? Wie lange sind digitale Speichermedien generell haltbar?
->   Die Frage der Woche mit den User-Antworten
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CD und DVD: Empfindlich und kurzlebig
Wie lange DVDs und CDs verlustfrei Daten speichern können, hängt von der Qualität des Datentransfers auf den Datenträger und von der Lagerung ab, erklärt Nadja Wallaszkovits, Leiterin der Audio-Abteilung im Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, gegenüber science.ORF.at.

"Wenn die Beschreibqualität gut ist und die CDs und DVDs sachgemäß gelagert werden - dunkel, staubfrei, bei 20 Grad Celsius und 40 Prozent Luftfeuchtigkeit -, dann können sie so lange halten, wie es die Hersteller angeben: drei bis zehn Jahre."
Professionelle Archive setzen auf Computerbänder
Für Einrichtungen wie das Phonogrammarchiv sind CDs und DVDs als Langzeitspeichermedien daher unattraktiv. Im ältesten Schallarchiv der Welt, wo seit 2001 auch videographische Forschungsdokumente archiviert und bewahrt werden, setzt man derzeit auf so genannte LTO- und DLT-Bänder - sowohl im Audio- als auch im Videobereich.

LTO- und DLT-Bänder - die Abkürzungen steht für "Linear Tape Open" und "Digital Linear Tape" - sind eine neue Generation von Magnetbändern, die mehr Speicherkapazität und Stabilität aufweisen als herkömmliche Bandspeichersysteme. Mit den neuesten DLT-Bändern kann man bis zu 300 GB an Daten unkomprimiert speichern, mit LTO-Bändern sogar noch größere Datenmengen. Dabei werden bis zu 704 Spuren auf ein Band geschrieben, wodurch sich eine Speicherkapazität bis zu 400 GB erreichen lässt.

So ausgereift sie sind: Auch Computerbänder halten nicht ewig. Um den Datenverlust gering zu halten, legen Archive mehrere Kopien auf Bändern unterschiedlicher Hersteller an - und nehmen regelmäßige Updates vor. "Im Schnitt erfolgt alle zwei Jahre ein Software-Wechsel", sagt Nadja Wallaszkovits. "Und alle drei bis vier Jahre kommt es zu einem Hardware-Update."
->   LTO (Linear Tape Open) - Wikipedia
->   DLT (Digital Linear Tape) - Wikipedia
Empfehlungen für die private Archivpraxis
Für den Privatbereich sind Bandspeichersysteme wie LTO und DLT ungeeignet, weil viel zu teuer. Welches Speichermedium empfiehlt Nadja Wallazkovits daher für die Sicherung des Heimarchivs?

"Man kann schon mit CDs und DVDs arbeiten - wenn man eben auf die Brennqualität und die Lagerung achtet." Am besten sei es, immer gleich zwei bis drei Kopien herzustellen, einen hochqualitativen Brenner zu verwenden und darauf zu achten, dass man die Datenträger nicht mit der schnellsten Beschreibgeschwindigkeit beschreibt, sondern eine mittlere Geschwindigkeit wählt. Und dann geht es mit der CD oder DVD am besten ab in den Überkarton.

Generell gelte: Mehrere verschiedene Speichermedien sind besser als eines. Ein bis zwei Mal im Jahr sollte man überprüfen, ob die Daten noch intakt sind. Und: um regelmäßige Datenmigration auf neue Speichermedien kommt man langfristig auch im Privatbereich nicht herum.
Die Speichermedien der Zukunft
Die heißesten Nachfolgekandidaten von CD und DVD sind derzeit die Blu-ray-Disc und die HD DVD. Beide basieren auf einem blau-violetten Laser und erreichen aktuell Speicherkapazitäten bis zu 25 GB. Mehrlagige Blu-ray-Scheiben sollen bald bis zu 200 GB Kapazität aufweisen.

Auch die übernächste Generation von optischen Speichermedien wartet bereits in den Startlöchern: Die HVD (Holographic Versatile Disc), die mit zwei Lasern und holografischen Verfahren arbeitet. Sie soll Kapazitäten von bis zu einem Terabyte erreichen - also dem 20fachen einer Blu-ray-Disc.

Holografische Speicherformen und Speichermedien auf Nanotechnologiebasis werden in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen, ist Nadja Wallaskovits überzeugt. Wie es mit ihrer Haltbarkeit aussehen sein wird, ist noch unklar. Eine Gefahr zeichne sich jedenfalls schon jetzt ab: "Je höher die Speicherkapazität wird, desto mehr Daten gehen auf einmal verloren, wenn das Speichermedium defekt wird."
->   Blue-ray-Disc - Wikipedia
->   HD DVD - Wikipedia
->   HVD - Wikipedia
Auch bestehende Speichermedien haben Potenzial
Weitere Forschung tut aber auch im Hinblick auf bereits bestehende Speichermedien not. Ungeahntes Potenzial, so Wallaskovits, könnten z.B. wieder beschreibbare CDs haben.

Der Grund: CD-RWs arbeiten mit einem Verfahren, bei dem durch Erhitzung über den Curiepunkt die kristalline Struktur des Datenträgers verändert wird. Sie sind damit weniger licht- und wärmempfindlich als CDs und DVDs, deren organische Schicht schon bei niedrigeren Temperaturen verändert wird. Theoretisch müssten sie also länger halten. User "karl273" und "willycoyote" zeigten sich allerdings skeptisch.
->   Curie-Temperatur -Wikipedia
Das sichere Speichermedium gibt es nicht
Die Frage, was das ideale Speichermedium ist, bleibt also offen. Denn, wie User "deafmax" treffend festgestellt hat: Es kommt immer darauf an, was man speichern will.

Geht es um Texte und Bilder, scheint Papier noch immer am sichersten - sieht man von den Gefahren durch Feuer oder Wasser ab, die diesem an sich Jahrhunderte lang haltbaren Medium in Sekunden den Garaus machen können. Auch im Audiobereich sind die Metall-Negative der historischen Phonogramme, die nach wie vor intakt sind, und die guten alten Tonbänder, die eine Lebensdauer von 40 bis 50 Jahren aufweisen, ihren digitalen Nachfolgern an Haltbarkeit überlegen.

Doch auch für sie gilt, wie Nadja Wallaszkovits feststellt: "Es gibt keine Speicherung, die endgültig ist." Ob das User "Gunnar L." beim Digitalisieren seiner Videosammlung hilft?

Martina Nußbaumer, science.ORF.at, 23.10.06
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->   Phonogrammarchiv - Österreichische Akademie der Wissenschaften
 
 
 
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