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Ask Your Scientist: Wie man Kerzen ausblasen kann  
  Warum kann man Kerzen ausblasen - bzw. welche chemischen oder physikalischen Prozesse laufen dabei ab? So lautete die erste Frage der neuen Aktion "Ask Your Scientist", die wir in der Vorwoche unseren Usern gestellt haben. Nun folgen die Antworten der Experten: Sie stimmen weitgehend mit jenen der User überein. Zwei Effekte werden für das Auslöschen der Kerzen verantwortlich gemacht: Zum einen die auftretende Gasbewegung, zum anderen die Reduktion der Temperatur.  
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Die Frage der Woche im Wortlaut
User "Michael S." hat uns diese Frage geschickt: "Ich habe mir schon des öfteren die Frage gestellt, warum man Kerzen ausblasen kann und verfiel bei der Antwort in einen kleinen Zank mit einem Freund. Wir stellten folgende Theorien auf:
1) Die Luft kühlt die Kerze ab, sodass die Verbrennung nicht mehr ablaufen kann
2) Der hohe CO2-Gehalt der Atemluft beim Ausatmen raubt der Kerze den Sauerstoff. (Deswegen "bewegt" sich die Flamme auch weg. Andererseits funktioniert das auch aus größerer Entfernung.)
Jetzt ist die Frage: Welche ist richtig? Oder stimmen beide bedingt?"

Zur Frage und den Antwort-Postings der letzten Woche:
->   Kerzen ausblasen: Wie geht das?
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"Kerze" als naturwissenschaftlicher Begriff
"Kerze" ist ein Wort, das auch Physiker oder Chemiker hin und wieder verwenden. Im Gegensatz zu anderen physikalischen Begriffen wie "Feld" oder "Spannung" beschreibt die physikalische "Kerze" ziemlich genau das, was wir auch in der Alltagssprache darunter verstehen: Nämlich eine Lichtquelle, die aus einem Docht und einer meist zylinderförmigen Brennmasse (z.B. Paraffin, Stearin oder Bienenwachs) besteht.
Kerzenlicht aus chemischer Sicht
Chemisch betrachtet stammt das Licht der (brennenden) Kerze von einer Reaktion, die das Kerzenwachs mit dem Luftsauerstoff eingeht. Entscheidend dabei ist, dass eine gewisse Entzündungstemperatur überschritten werden muss. Die liegt beim Kerzenwachs (auch Paraffin genannt) bei etwa 250 Grad Celsius. Zum Vergleich: Ein Streichholzkopf brennt bereits ab 60, Erdgas hingegen erst ab 600 Grad Celsius.
Verbrennung braucht drei Zutaten
Wie etwa unser User "funtasy" richtig bemerkt hat, sind also für den korrekten Anlauf einer Verbrennung drei Dinge nötig: "Brennstoff, Sauerstoff und Hitze". Das Praktische am Funktionsprinzip einer Kerze ist die Tatsache, dass sich diese Reaktion über längere Zeit von selbst aufrecht erhält.

Das heißt konkret: Die Flamme erhitzt das Paraffin, ein Teil davon verdampft zu einem Gas, welches verbrennt. Der Docht entwickelt dadurch eine Saugwirkung, neues Paraffin strömt nach, es verdampft, verbrennt aufs neue usw.
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Verbrennung bedeutet Oxidation
Aus chemischer Sicht können die Begriffe "Brennstoff" und "Sauerstoff" durch die allgemeineren Begriffe "Reduktionsmittel" und "Oxidationsmittel" ersetzt werden. Im weiteren Sinne sind nämlich nicht nur Kerzen, Lagerfeuer u. dgl. Verbrennungen, sondern auch unscheinbare Oxidationsprozesse, wie etwa das Rosten von Eisen oder die Atmungsvorgänge in Lebewesen.
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Was passiert, wenn die Kerze ausgeblasen wird?
Im Prinzip kann eine Kerze sowohl mit chemischen, als auch mit physikalischen Begriffen beschrieben werden. Daher haben wir Experten beider Forschungsrichtungen befragt.

Renate Hitzenberger vom Institut für Experimentalphysik der Universität Wien betont, dass das Auslöschen der Kerze mit einer Unterbrechung des Kreislaufes der Verdampfung/Verbrennung gleichkommt: "Die Reaktion bricht ab, weil das brennende Gas durch den Luftstoß entfernt wird." Mit anderen Worten: Weil das heiße Gas vom Docht wegbewegt wird, und kalte Luft dazukommt, erlischt die Reaktion.
Spielt Kohlendioxid eine Rolle?
Johannes Fröhlich vom Institut für Angewandte Synthesechemie der TU Wien sondiert die möglichen Hypothesen systematisch:

"Zunächst muss man sich fragen: 'Was benötigt die Flamme zum Brennen?' Erstens: Sauerstoff." Durch das 'Ausblasen' mit Atemluft werde der Sauerstoff allerdings nicht entfernt; außerdem könne man mit einer Fahrradpumpe ebenfalls eine Kerze ausblasen: "Also fällt dieses Argument weg", so der Chemiker.
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Lungen- und Außenluft im Vergleich
Ein Vergleich der Außenluft mit jener in den Lungenbläschen zeigt auf andere Weise, warum die CO2-Hypothese von Michael S. (siehe Infobox oben) nicht stimmen kann: Die Außenluft weist einen Sauerstoffgehalt von 21 Prozent und einen CO2-Gehalt von 0,03 Prozent auf. In der so genannten Restluft der Lungenbläschen ist der Sauerstoffgehalt zwar erniedrigt (15 Prozent) und der CO2-Gehalt erhöht (fünf Prozent), dies reicht aber nicht aus, um eine Kerze zum Erlöschen zu bringen.
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Nicht der Docht, sondern das Gas brennt
"Welches Defizit kann noch eine Verbrennung stoppen?", fragt Fröhlich weiter: "Zweitens: Mangel an Brennstoff. Beim Nachdenken fällt einem natürlich wieder ein, dass bei einer Kerzenflamme ja nicht 'der Docht brennt', sondern die Gase des Paraffins um den Docht brennen."
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Ein experimenteller Nachweis
Dass bei einer Kerze nur das gasförmige Wachs und nicht der Docht brennt, kann man am weißen aufsteigenden "Rauch" einer gerade erloschenen Kerze ersehen. Dabei handelt es sich um gasförmiges Paraffin, das kondensiert und dadurch sichtbar wird. Hält man ein brennendes Streichholz in diesen Bereich, bewegt sich eine Flamme in Richtung Docht und entzündet die Kerze aufs neue. Unser User "rolfrüdiger" hat diesen experimentellen Nachweis bereits letzte Woche gepostet.
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Die eigentlichen Ursachen des Erlöschens

Fröhlich weiter: "Das heißt, eine Unterbindung des 'Nachschubes' an gasförmigem Paraffin beendet die weitere Verbrennung." Dies könne laut Fröhlich prinzipiell durch zwei Eingriffe erreicht werden:

Die Abkühlung des Systems unter die Entzündungstemperatur und/oder die Entfernung des brennenden heißen Gases, so dass kein weiteres Paraffingas entstehen kann. Letzteres sei, so Fröhlich, wohl der essenzielle Faktor.
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