Ask Your Scientist
User stellen Alltagsfragen, Experten antworten
 
ORF ON Science :  Ask Your Scientist :  Umwelt und Klima .  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 
Landkarten und Vermessungen in der frühen Neuzeit  
  Im 15. und 16. Jahrhundert gab es moderne Geräte für die Landvermessung noch nicht - dennoch wurden schon damals Landkarten erstellt. Wie also wurden in der Frühen Neuzeit "genaue" Positionen zu Land oder zu Wasser ermittelt? So lautete vergangene Woche die Frage an "Ask Your Scientist". Die Antwort: Exakte europäische Landkarten aus der Frühen Neuzeit gibt es nicht. Zwar kannte man damals bereits die geografischen Breitengrade, die Bestimmung der geografischen Länge fand allerdings erst im 18. Jahrhundert Eingang in die Kartographie.  
Beantwortet hat die aktuelle User-Frage die Wissenschaftlerin Ingrid Kretschmer vom Institut für Geografie der Universität Wien. Die Geschichte der Kartographie zählt zu ihren Forschungsschwerpunkten.

Demnach existieren - wie schon vom User neanderberger im Forum zur Frage festgestellt - keine genauen Landkarten aus der Frühen Neuzeit.
...
Die Fragen der Woche im Wortlaut
Gerhard G.: Wie führten die Entdecker und Eroberer des 15., 16. Jahrhunderts Landvermessungen in großem Stil durch? Die Landkarten der damaligen Zeit sind z.T. verblüffend genau. Wie wurden in der damaligen Zeit "genaue" Positionen zu Land oder zu Wasser ermittelt?
->   Die Frage der Woche mit dem User-Diskussionsforum
...
Keine Landvermessungen im großen Stil
Tatsächlich wurden im 15. Jahrhundert keine Landvermessungen im heutigen Sinn in großem Stil durchgeführt, erläutert Ingrid Kretschmer. "Die ersten genaueren trigonometrischen Aufnahmen in Europa entstammen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts."

Als Beispiel nennt die Wissenschaftlerin die "Baierischen Landtafeln" von Philipp Apian: Der Mathematiker erstellte die erste auf umfassenden Aufnahmen beruhende Karte Altbayerns im Maßstab von etwa 1:45.000. In verkleinertem Maßstab wurde sie 1568 in 24 Blättern als "Bayerische Landtafeln" veröffentlicht.
->   Informationen zu Philopp Apian in www.vermessungsamt-freising.de
->   Kolorierte Version der "Bayerischen Landtafeln von Philipp Apian"
Seefahrer: Astronomische Ortsbestimmung
Die Seefahrer dagegen waren nach Auskunft von Ingrid Kretschmer nicht an Landvermessung, sondern an astronomischer Ortsbestimmung interessiert, um ihre Position bestimmen zu können.

Wie unser User peterkoller bereits richtig im Forum zur Frage schrieb: "In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts beherrschte man die Bestimmung der geografischen Breite in einer für die Seefahrt ausreichenden Genauigkeit", erläutert die Wissenschaftlerin.

"Man bediente sich hiezu verschiedener Geräte, wie z. B. des Jakobstabes oder des marinen Astrolabiums und wendete die Messung der Polhöhe (Höhe des Polarsterns über dem Horizont des Beobachters) oder die Messung der Mittagshöhe der Sonne an."
->   Erklärungen zum Astrolabium in www.deutsches-museum.de
->   Informationen zum Jakobsstab beim Europäischen Segel-Informationssystem
Geografische Breiten ab 1500 in Seekarten
Ab ca. 1500 wurden daher die Linien der geografischen Breiten in Seekarten (Portolankarten) aufgenommen.

Die Bestimmung der geographischen Länge dagegen sei im 16. Jahrhundert zwar in der Theorie bekannt gewesen, "doch fehlten die entsprechenden Geräte (Chronometer), um die Messung auch praktisch durchzuführen", so Kretschmer weiter.
->   Ausführliche Informationen zu den so genannten Portolankarten
Problem erst im 18. Jh. gelöst
"Dieses Problem wurde erst Mitte des 18. Jahrhunderts gelöst. Aus diesem Grund enthalten Land- und Seekarten noch bis in das 18. Jahrhundert zum Teil grobe West-Ost-Langefehler", erzählt die Wissenschaftlerin.
Beispiel: Grobe Verzerrung des Mittelmeeres

"Zum Beispiel wurden das europäische Mittelmeer bis 1700 um 20 Längengrade zu groß dargestellt und damit auch Europa und Afrika grob verzerrt. Dieser Fehler wurde erst in Landkarten des 18. Jahrhunderts korrigiert."

In Karten des 16. Jahrhunderts dagegen seien daher- wie die Expertin weiter erläutert - zwar einzelne Positionen bezüglich ihrer Breite zum Teil sehr genau, nicht aber bezüglich ihrer Länge.

"Die vom Fragesteller genannten 'verblüffend genauen' Landkarten des 15. und 16. Jahrhunderts kenne ich, von oben genanntem Beispiel abgesehen, leider nicht. Weltkarten dieser Zeit weisen grobe Fehler auf und müssen in großen Teilen unvollständig sein."
->   Institut für Geografie und Regionalforschung der Uni Wien
...
"Ask Your Scientist": Stellen Sie auch weiterhin Fragen
science.ORF.at lädt seine User ein, im Rahmen von "Ask Your Scientist" auch weiterhin Fragen zum Thema Wissenschaft zu stellen.
Sie können die Fragen unter der E-mail-Adresse askyourscientist@orf.at stellen oder per Post: science.ORF.at, Argentinierstraße 30a, 1040 Wien.
->   So funktioniert "Ask Your Scientist"
...
->   www.innovatives-oesterreich.at
->   "Ask Your Scientist"-Archiv
 
 
 
ORF ON Science :  Ask Your Scientist :  Umwelt und Klima .  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick