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Warum warmes Wasser schneller gefriert als kaltes  
  Auf den ersten Blick scheint diese Behauptung den Gesetzen der Wärmelehre zu widersprechen: Warmes Wasser gefriert schneller als kaltes. Unter gewissen Bedingungen ist sie aber tatsächlich richtig. Die Ursache dieses Sachverhaltes liegt in der unterschiedlichen Verdunstung von heißem und kaltem Wasser.  
Ersterem wird aufgrund der höheren Verdunstungsrate mehr Wärmeenergie entzogen, wodurch es das kalte Wasser im Abkühlprozess "einholen" kann.

Gleichzeitig verliert es dadurch überproportional an Volumen: Deshalb läuft wiederum die Abkühlung und letztlich der Gefrierprozess schneller ab. science.ORF.at bat diese Woche Günter Wiesinger von der Technischen Universität Wien um seine Expertenmeinung.
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Die Frage der Woche im Wortlaut
Martin H.: "Warum gefriert warmes Wasser schneller als kaltes? Ich wäre über eine wissenschaftliche Auskunft wirklich dankbar."
->   Zur Frage der Woche mit den Antworten der User
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Experiment: Zwei Behälter in die Tiefkühltruhe
Für Physiker ist die von Martin H. gestellte Frage freilich etwas zu allgemein formuliert. Da prinzipiell klar ist, worauf unser User hinaus wollte, stellen wir uns folgende Situation vor:

Man befülle zwei Behälter, einen mit Wasser aus dem Teekocher (etwa 95 Grad Celsius) und einen mit Wasser aus der Wasserleitung (etwa 20 Grad Celsius) - und stelle dann beide unverschlossen in die Tiefkühltruhe. Nach einiger Zeit sollte tatsächlich das ehemals wärmere Wasser den Gefrierpunkt als erstes erreichen.
Gesetze der Wärmelehre verletzt?
Warum ist das so? Widerspricht das nicht den Gesetzen der Wärmelehre? Denn letztlich muss doch das warme Wasser mehr Wärmeenergie "loswerden", als das beim kalten Wasser der Fall ist.

Letzteres stimme zwar, meint Günter Wiesinger vom Institut für Festkörperphysik der TU Wien, deswegen würden aber trotzdem nicht die thermodynamischen Grundgesetzte verletzt.
Die Antwort: Verdunstung bewirkt Effekt
"Die Antwort darauf liegt im Phänomen der Verdunstung begründet: Bis zu ein Viertel des heißen Wassers kann im Laufe des Verdunstungs-Prozesses verloren gehen - und das beschleunigt das Gefrieren gleich auf zweifache Weise", erklärt Wiesinger:

"Einmal bleibt einfach weniger Wasser übrig, das gefrieren muss. Zum zweiten wird dem Wasser die Verdampfungswärme entzogen, was zu einer Abnahme der Temperatur des Wassers führt. Diesen Kühleffekt nützen wir übrigens aus, wenn wir schwitzen - ebenso beim Vereisen von Körperstellen bei chirurgischen Eingriffen."
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Mehr zur Verdunstung
Als Verdunstung bezeichnet man den langsamen Übergang einer Flüssigkeit in den gasförmigen Zustand unterhalb der Siedetemperatur des jeweiligen Stoffes. Die Verdunstung vollzieht sich im Gegensatz zum Sieden nur an der Oberfläche der Flüssigkeit. Die Verdunstung ist temperaturabhängig und nimmt mit steigender Temperatur zu. Bei der Verdunstung wird Wärme verbraucht, die der Flüssigkeit und der Umgebung entzogen wird; dieser Wärmeentzug bewirkt eine so genannte Verdunstungskälte.

So verspürt man etwa beim Übergießen der Haut mit einer niedrigsiedenden Flüssigkeit (z.B. Ether oder Benzin) ein Kältegefühl. In der Atmosphäre ist die Verdunstung z.B. dafür verantwortlich, dass es einen Wasserkreislauf gibt.
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Schnelle Moleküle verlassen das Glas bevorzugt
"Anders gesagt," erklärt Wiesinger weiter, "durch die höhere Verdunstung holt das heiße Wasser das kalte tatsächlich ein - und dann ist weniger Wasser da, das noch gefrieren muss."

"Man kann sich leicht vorstellen, dass gerade die Moleküle mit der höchsten (kinetischen) Energie (= größten thermischen Geschwindigkeit) beim Verdunsten das Wasser verlassen, so dass die Durchschnittsenergie und damit die Temperatur des Wassers sinkt."
Verdampfungswärme von Wasser ist besonders hoch

"Wasser hat eine besonders große Verdampfungswärme (2.258 kJ/kg). Darum verwendet man es auch bei der Zentralheizung", so der Wiener Physiker:

"Ein Beispiel: Um einen Liter siedendes Wasser in Dampf umzuwandeln, braucht man mit einem 1-kW-Tauchsieder etwa 40 Minuten! Der oben beschriebene Effekt wurde übrigens bereits vor etwa 400 Jahren von Francis Bacon erklärt."
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