Ask Your Scientist
User stellen Alltagsfragen, Experten antworten
 
ORF ON Science :  Ask Your Scientist :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Warum es kein deutsches Wort für "Orange" gibt  
  Die rötlichgelbe Zitrusfrucht findet sich heute in jedem Supermarkt, auch ihre Farbe wird danach bezeichnet: Die Orange und das Orange. Das Wort kommt allerdings ursprünglich aus dem Französischen. Ein deutsches Wort für "Orange" gibt es nicht, denn letztlich hat die Farbbezeichnung erst über die Frucht Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden.  
Warum gibt es im Deutschen kein eigenes Wort für die Farbe "Orange"?, fragte science.ORF.at-User vaterjohn vergangene Woche. Wir haben den Sprachwissenschaftler Richard Schrodt von der Universität Wien um eine Antwort gebeten.
...
Die Frage der Woche im Wortlaut
vaterjohn:
"Warum gibt es im Deutschen kein eigenes Wort für die Farbe "Orange" (=franz. Lehnwort)? Liegt das daran, dass diese Farbe in unseren Breiten in der Natur kaum vorkommt?"
->   Zur Frage der Woche mit den Antworten der User
...
"Nicht jede Farbe erhält einen Ausdruck"
Wie der Linguist ausführt, wird das physikalische Farbspektrum in den verschiedenen Sprachen der Welt ganz verschieden eingeteilt und bezeichnet: "Nicht jede Farbe erhält einen eigenen Ausdruck, und auch unsere 'Grundfarben' sind nicht überall vollständig ausgedrückt", so Schrodt.

Im Fall von "Orange" ist es tatsächlich so, wie vaterjohn und viele User in den Kommentaren zur Frage schon geschrieben haben: Das Wort stammt aus dem Französischen.
Mit der Gartenkultur kam die Orange
Die "Orange" ist eine Entlehnung aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wie Richard Schrodt erklärt. Zur damaligen Zeit hat die französische Gartenkultur Eingang in die deutschsprachigen Länder gefunden.

Es handelt sich bei "Orange" also um ein so genanntes Fremd- oder Lehnwort: Die Übernahme eines fremdsprachigen Begriffs in eine andere Sprache. Den Worten merkt man dies häufig noch durch ihre untypische Aussprache an.
Der große Einfluss des Französischen
Schon im Mittelalter hatte das Französische im Übrigen über das Rittertum und die damit verbundene Kultur einen deutlichen Einfluss auf das Deutsche - dieser hat sich allerdings etwa ab der Mitte des 13. Jahrhunderts abgeschwächt.

Im 17. und 18. Jahrhundert schließlich wird dieser Einfluss wieder spürbar: Die dominierende Sprache des Bürgertums ist Französisch, das Nachbarland ist prägendes "Stilvorbild" der Gesellschaft.
->   Mehr dazu in einer Vorlesung von Richard Schrodt: Wörter aus der Fremde
...
Deutsch und Französisch: Beides indogermanische Sprachen
Grundsätzlich gehen sowohl das Deutsche wie auch das Französische auf die gleiche "Ursprache" zurück - genauer gesagt gehören beide zur so genannten Indogermanischen Sprachfamilie. Von dieser haben sich allerdings verschiedene Zweige abgespaltet - das Französisch zählt etwa neben Spanisch oder Italienisch zu den romanischen, das Deutsche zu den germanischen Sprachen. Dementsprechend unterschiedlich sind heute beide Sprachen in Grammatik und Aussprache.
->   Sprachgeschichtliche Infos bei der Volkshochschule Floridsdorf
...
Vor der Orange war die Pomeranze
Noch bevor die "Orange" in Gebrauch war, gab es allerdings bereits ein anderes Wort, um die Zitrusfrucht zu beschreiben: Die Pomeranze - das Wort ist tatsächlich schon im Frühneuhochdeutschen (ab etwa 1500) belegt, wie Richard Schrodt erklärt.

Die Pomeranze selbst leitet sich laut Schrodt aus dem Lateinischen "Pomum" für "Obstfrucht" oder "Baumfrucht" sowie dem mittellateinischen Begriff "Arancia" für "Orangenbaum" ab, das selbst wieder über ein persisches Wort auf das arabische "Narang" zurück gehe.
Vor "Orange" gab es die "Pomeranzenfarbe"
Ein älteres Wort für "Orange" bzw. "orangenfarbig" ist daher nach Auskunft von Richard Schrodt "Pomeranzenfarbe" oder "Pomeranzengelb" und "pomeranzenfärbig". Belege hierfür finden sich allerdings erst um 1700.
...
Der "Apfel aus China" als dritter Begriff
Das Deutsche kennt sogar noch einen weiteren Begriff für die Frucht: Die Apfelsine. "Orangen waren ursprünglich eine aus dem Orient stammende rotgoldene und bitter schmeckende Sorte von Zitrusfrüchten und wurden im 11. Jahrhundert in Sizilien angebaut", erläutert dazu der Wiener Sprachwissenschaftler: "Im 16. Jahrhundert wurden sie von einer aus China stammenden und von den Portugiesen eingeführten süßen Sorte ersetzt, daher der Name 'Apfelsine' für 'chinesischer Apfel'".
...
Erst die Frucht brachte die Farbbezeichnung
Letztlich also hat die Farbbezeichnung erst über die Frucht Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden. Denn zuvor hat wohl schlicht keine Notwendigkeit bestanden, der Farbe einen Namen zu geben.

User vaterjohn hat mit seiner Vermutung im Wesentlichen richtig gelegen, wie Richard Schrodt bestätigt. Ein Fehlen von zu bezeichnenden Objekten in der entsprechenden Farbe hat den Farbton bis zur Übernahme der "Orange" ohne Namen gelassen.
Keine Synonyme: Sprache tendiert zur Ökonomie

Dass es im Übrigen nicht mehrere Worte - etwa einen eigen- sowie einen fremdsprachlichen Begriff - für ein und denselben Gegenstand oder das gleiche Phänomen gibt, liegt an der Wirtschaftlichkeit von Sprachen:

Eine "echte" Synonomie - also die in jeder Hinsicht übereinstimmende Bedeutung zweier Wörter in einer Sprache - gibt es nicht. Dies wäre schlicht unökonomisch. Wozu zwei Worte, wenn sie exakt dasselbe bezeichnen?

Wird ein Wort aus einer anderen Sprache entlehnt und es existiert bereits in der Originalsprache ein Wort für den bezeichneten Gegenstand, so ändert sich entweder die Bedeutung in Details, oder einer der Begriffe verschwindet schließlich aus dem Sprachgebrauch.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   Institut für Germanistik der Universität Wien
->   Etymologisches zu verschiedensten Wörtern in www.etymologie.info
...
"Ask Your Scientist": Stellen Sie auch weiterhin Fragen
science.ORF.at lädt seine User ein, im Rahmen von "Ask Your Scientist" auch weiterhin Fragen zum Thema Wissenschaft zu stellen.
Sie können die Fragen unter der E-mail-Adresse askyourscientist@orf.at stellen oder per Post: science.ORF.at, Argentinierstraße 30a, 1040 Wien.
->   So funktioniert "Ask Your Scientist"
...
->   www.innovatives-oesterreich.at
->   "Ask Your Scientist"-Archiv
 
 
 
ORF ON Science :  Ask Your Scientist :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick