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Warum "uralte" Strahlung die Erde erreicht  
  Immer wieder melden Astrophysiker neue überraschende Erkenntnisse über die Anfangszeit des Universums - und liefern noch dazu spektakuläre Aufnahmen von Galaxien und Sternen aus der "kosmischen Kinderstube". Wie diese "Fotografien" möglich werden, wollte vergangene Woche der science.ORF.at-User Gerald E. wissen. Die Erklärung: Die von Galaxien oder Sternen stammende Strahlung, genauer gesagt Lichtteilchen breiten sich nicht in einem ruhenden Weltraum, sondern im expandierenden, immer größer werdenden Universum aus. Die Wege dieser Photonen sind nicht gerade, sonder verschlungen.  
Als Folge der Relativitätstheorie Einsteins sind auf kosmologische Distanzen die Wege des Lichts verschlungen, erklärt der Astrophysiker und science.ORF.at-Host Ernst Dorfi vom Institut für Astronomie der Universität Wien.

Was also in der Umgebung als gerade Lichtstrahlen erscheint, wird beim Zurückschauen in das alte, wesentlich kleinere Universum gekrümmt - so wird möglich, dass die Erde noch immer Strahlung aus der Frühzeit des Universums erreicht.
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Die Fragen der Woche im Wortlaut
Gerald E.: Wie ist es möglich, Sterne aus der Zeit 1 Mrd. Jahre oder noch weniger nach dem Urknall zu "fotografieren"? Warum erreicht die Erde immer noch Strahlung aus dieser Zeit?
->   Zur Frage der Woche mit dem User-Diskussionsforum
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Strahlung von frühen Sternen und Galaxien
Von Ernst Dorfi

Nach den neuesten Daten des WMAP-Satelliten sind die ersten Sterne bereits etwa 200 Millionen Jahren nach dem Urknall aus dem Gas durch eine gravitative Verdichtung entstanden. Durch Kernprozesse im Inneren der Sterne wird Energie erzeugt, die an der Oberfläche in Form von Licht, als Lichtteilchen (=Photonen) in den Weltraum abgestrahlt wird.

Diese Photonen breiten sich nicht in einem ruhenden Weltraum, sondern im expandierenden, immer größer werdenden Universum aus. Dieser Effekt der universellen Expansion wird erst auf kosmologischen Distanzen durch die Rotverschiebung bemerkbar. Da wir Teil des Universums sind, schwimmen wir gleichsam mit dieser Expansion mit.

Eine direkte Folge ist, dass sich jeder Punkt im Universum von jedem anderen Punkt entfernt. Eine solche Änderung hat zur Folge, dass, je weiter zwei Punkte von einander entfernt sind, sie sich auch um schneller von einander entfernen.
->   NASA: The First Stars were Earlier Than Expected
Reise des Lichtes: 13 Milliarden Jahre
In diesem wachsenden Universum hat es mehr als 13 Milliarden Jahre gedauert, bis das Licht dieser ersten Sterne zu uns gelangt ist. Da sich die Photonen dieser ersten Sterne natürlich im Universum extrem verdünnt haben, benötigen wir eine entsprechend große Sammelfläche (=Teleskope), um die wenigen bei uns ankommenden Lichtteilchen nachzuweisen.
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Je tiefer wir ins Weltall blicken, desto älter sind die Objekte
Je tiefer wir in das Weltall blicken, desto älter sind auch die Objekte, die wir sehen, da sich die Lichteilchen, die wir auf Photografien bannen, mit endlicher Geschwindigkeit, eben der Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Nun ist das Universum in seiner Gesamtheit sehr gleichförmig aufgebaut und so voll von Ereignissen, dass in jeder Blickrichtung etwas stattfindet. Außerdem war das Universum früher kleiner, so dass wir im Gesichtfeld unseres Teleskops einen größeren Ausschnitt des Universums beobachten können.
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Die Wege des Lichtes sind verschlungen
Als Folge der Relativitätstheorie Einsteins sind auf kosmologische Distanzen die Wege des Lichts verschlungen, d.h. was in der Umgebung als gerade Lichtstrahlen erscheint, wird beim Zurückschauen in das alte, wesentlich kleinere Universum gekrümmt.

Ich hoffe, den Sachverhalt durch die folgende Illustration zu verdeutlichen: Es handelt sich dabei um ein eindimensionales Bild des expandierenden Universums.
Das expandierende Universum
 


Horizontal ist der Raum aufgetragen, vertikal die Zeit. Die schwarzen, geraden Linien zeigen die Wege der einzelnen Objekte (Sterne, Galaxien). Die rote Linie hingegen den Weg, den das Licht nimmt. Nur dort wo sich die rote Linie mit einer schwarzen Linie schneidet, können wir eine Beobachtung machen.

Es ist damit gleichzeitig der Ort und das Alter festgelegt, zu dem wir das Objekt sehen. Alle Linien laufen beim Urknall, vor 13.7 Milliarden Jahren zusammen. Wir befinden uns am Ort des kopfstehenden Astronomen.
Information aus verschiedenen Zeiten und Orten
Vielleicht macht folgender Vergleich die Situation deutlicher: Es erreicht uns andauernd Information aus verschiedenen Zeiten und Orten. Denken wir dabei an Schallwellen (statt Lichtwellen). Unser Ohr hört beispielsweise das Donnergrollen, während wir uns unterhalten und gleichzeitig der Verkehrlärm oder Vogelgezwitscher an unser Ohr dringt.

Obwohl wir das Donnern erst jetzt hören, wissen wir, dass es von einer Blitzentladung stammt, die früher stattgefunden hat. Das Geräusch musste erst durch die Schallwellen in der Luft an uns herangetragen werden, ehe wir es hören (messen) konnten. Wir hören damit in die Vergangenheit, so wie wir im Kosmos in die Vergangenheit sehen und damit Ereignisse beobachten, die längst vergangen sind.

Um in diesem Bild zu bleiben: Horchen wir nicht in die richtige Richtung, oder verpassen wir den Zeitpunkt des Blitzschlages, so bemerken wir das Gewitter nicht. Verglichen mit dem Universum, sind wir aber von lauter Gewittern umgeben, so dass wir immer und in jede Richtung etwas hören können.
Die ältesten Photonen: Hintergrundstrahlung

Übrigens, die ältesten Photonen, die wir sehen können, stammen aus dem Rest des Urknalls, der so genannten kosmischen Hintergrundstrahlung. Sie sind etwa 380.000 Jahre nach dem Urknall entstanden, als das gesamte Universum eine Temperatur von rund 3.000 Grad Kelvin (3000 - 273 = 2727 Grad Celsius) hatte.

Durch die Expansion des Universums, an der Rotverschiebung zu erkennen, hat sich diese Strahlung so abgekühlt, das sie nun der Wärmestrahlung einer Temperatur von drei Grad Kelvin, oder -270 Grad Celsius entspricht.
->   Mehr dazu: Verblüffende neue Aufnahmen des jungen Universums
Vorlesung mit Hintergrundinfos zur Kosmologie
Allgemein kann ich als sehr ausführliche Hintergrundinformation zur Kosmologie auf meine Einführungsvorlesung in die Astronomie hinweisen, insbesondere das letzte Kapitel.
->   Kapitel sechs: Bildung und Entwicklung des Universums
->   Institut für Astronomie der Universität Wien
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