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ORF ON Science :  Ask Your Scientist :  Kosmos 
 
Die "Grenzen des Universums" - existieren nicht  
  Die Urknall-Theorie besagt, dass das Universum einst in einer gewaltigen Explosion entstand und sich seitdem fortwährend ausdehnt. Wenn sich der Kosmos ausdehnt, dann muss er auch eine definierte Grenze haben, argumentiert unser User "oberbrain" in der aktuellen Frage von Ask Your Scientist - und fragt nach, wie diese Grenze aussieht und was dahinter liegt oder liegen könnte. Seine Argumentation hat allerdings einen Haken: Die "Grenzen des Kosmos" existieren nicht.  
Der Frage haben sich diesmal die Astrophysikerin Sabine Schindler von der Universität Innsbruck sowie Franz Embacher vom Institut für theoretische Physik der Universität Wien angenommen - und beide sind sich einig:

Grenzen in einem geografischen oder geometrischen Sinn hat das Universum schlicht nicht.
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Die Fragen der Woche im Wortlaut
oberbrain: "Da sich das Universum ausdehnt, muss es eine definierte Grenze haben. WORIN dehnt es sich aus, wie könnte diese aussehen und was ist auf der anderen Seite? Gibt es hierzu Theorien?"
->   Die Frage der Woche samt User-Forum
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Mit dem Urknall fing es an ...
Beginnen wir am Anfang: Das Universum ist - soweit sind sich die Wissenschaftler heute einig - nicht unendlich alt, sondern entstand laut jüngsten NASA-Datierungsversuchen vor etwa 13,7 Milliarden Jahren im Urknall oder "Big Bang", den man sich der Veranschaulichung halber auch als gewaltige Explosion vorstellen kann.

Seitdem dehnt es sich tatsächlich aus, wie "oberbrain" richtig bemerkt. Seine Expansionsgeschwindigkeit könnte sogar Studien zufolge immer weiter zunehmen. Ein mögliches wenn auch unangenehmes Szenario in der fernen Zukunft wäre auch, dass das Universum irgendwann kollabiert.
->   Ein Bild zur Veranschaulichung der Geschichte des Universums
"Endlich" ist nicht gleich "begrenzt"
Die Schlussfolgerung ist allerdings falsch. Denn selbst wenn das sich ausdehnende Universum endlich wäre - was genauso wenig bewiesen ist, wie ein unendlicher Kosmos -, heißt das nicht, dass es auch Grenzen aufweisen muss.

Das Universum ist, soviel steht fest, grenzenlos. Und kein Raumschiff wird je an eine Grenze in unserem Sinn stoßen. "Entgegen der geometrischen Anschauung muss ein Universum, das sich ausdehnt, keine definierte Grenze haben", lautet denn auch Franz Embachers Antwort.
Für die Ausdehnung ist kein Raum nötig
Präziser: "Die Ausdehnung besteht darin, dass Abstände - zum Beispiel zwischen Galaxien - größer werden. Dazu ist vom Standpunkt der Theorie (d.h. der modernen Kosmologie, die sich zu einem großen Teil auf Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie gründet) kein Raum nötig, in dem es sich ausdehnt."
->   Die Allgemeine Relativitätstheorie in www.quantenwelt.de
Vergleich mit Rosinenkuchen und Luftballon
Um das Problem zu veranschaulichen, muss wohl dennoch ein Vergleich her: Franz Embachers Wahl ist ein unendlich großer Rosinenkuchen, in dem die Abstände zwischen den einzelnen Rosinen immer größer werden.

Die Astrophysikerin Sabine Schindler veranschaulicht das Problem anhand eines Luftballons, der aufgeblasen wird: "Die Oberfläche dieses Luftballons hat keine Grenze. Eine Ameise, die auf dieser Oberfläche läuft, stößt nie an eine Grenze. Und daran ändert sich auch nichts, wenn der Luftballon weiter aufgeblasen wird."
Das Problem mit den Dimensionen
So mancher möchte nun vielleicht einwenden, dass sowohl Luftballon als auch Rosinenkuchen sehr wohl eine Grenze aufweisen, die das Innere vom sie umgebenden Raum trennt. Das ist richtig - allerdings nur, solange man in drei Dimensionen denkt.

Nach Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie kommt allerdings noch die Zeit hinzu - womit wir bereits bei der Vierdimensionalität angelangt wären. Das aber übersteigt bereits unsere Vorstellungskraft. Ganz zu schweigen von möglichen weiteren Dimensionen, wie sie etwa in der Stringtheorie angenommen werden.
->   Gedanken zur Vierdimensionalität in www.uni-kassel.de
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Eine "Grenze" gibt es doch: Das Licht
Eine Begrenzung gibt es aber doch - und zwar die endliche Lichtgeschwindigkeit, die unsere Beobachtungen begrenzt, wie Sabine Schindler erläutert. Licht kann sich bekanntermaßen nur mit einer endlichen Geschwindigkeit bewegen - damit hat es seit dem Urknall nur eine bestimmte Strecke zurücklegen können

"Alles, was jenseits dieser Strecke liegt, ist für uns nicht beobachtbar", so die Astrophysikerin. "Diese Grenze nennt man den Horizont. Was sich hinter dem Horizont befindet, ist also nicht direkt mit Beobachtungen messbar." Theorien gibt es allerdings: Unter anderem existiert das Konzept von parallelen Universen bzw. dem "Mulitversum", in denen vielleicht ein Doppelgänger von uns gerade einen Webartikel zur Frage nach den Grenzen des Universums liest ...
->   Mehr dazu: "Parallel Universes" (Scientific American, 14.4.03)
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Weder Sprache noch Vorstellungskraft reichen aus

Wir scheitern also zu guter Letzt auch an unserem Mangel an Phantasie, wenn man so will. Zum Trost bleibt letztlich nur die Versicherung von Sabine Schindler, dass dieser "Mangel an Vorstellungskraft" uns alle betrifft - die Wissenschaftler und Experten eingeschlossen.

Denn das grenzenlose Universum ist zwar mathematisch beschreibbar, für eine in der Dreidimensionalität lebende Person aber schlicht nicht in Bildern vorstellbar oder mit den Begriffen unserer Alltagssprache beschreibbar. Oder wie Wittgenstein es formuliert hat: "Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt."

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   Institut für Astrophysik der Universität Innsbruck
->   Homepage Franz Embacher
->   Alles zum Stichwort Universum in science.ORF.at
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