Ask Your Scientist
User stellen Alltagsfragen, Experten antworten
 
ORF ON Science :  Ask Your Scientist :  Gesellschaft .  Umwelt und Klima 
 
Wetter und Klima wirtschaftlich betrachtet  
  "Wie sieht das volkswirtschaftlich ideale Klima bzw. Wetter aus?" lautet die aktuelle Frage von "Ask Your Scientist". Die Antwort darauf hängt freilich stark von der Perspektive ab: Was für das eine wirtschaftliche Segment gut ist, kann in einer anderen Branche katastrophale Auswirkungen haben. Tatsache ist, dass auch Österreich vom Klimawandel betroffen ist. Dessen Auswirkungen sind nicht nur an Thermometer oder Wasserständen ablesbar, sondern machen sich bereits in finanzieller Hinsicht bemerkbar.  
science.ORF.at bat diese Woche die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb und die WWF-Experten Stefan Moidl und Gerald Steindlegger um ihre Meinung zum Themenkreis Klima, Wetter und Wirtschaft.
...
Die Fragen im Wortlaut
pjelitsc: "Dem Jahrhunderthochwasser des Jahres 2002 folgten unzählige Berechnungen, welcher volkswirtschaftliche Schaden dadurch entstanden ist. Nun stellt sich mir die Frage, was ein Jahrhundertsommer wie dieser volkswirtschaftlich bringt. Stichworte: Autobahnbaustellen sind schneller fertiggestellt; Energiehaushalt (weniger Stromproduktion durch geringere Wasserstände vs. weniger Verbrauch durch Nichtfernsehen); Dürreschäden; Leute machen zu Hause Urlaub, da es sowieso heiß genug ist; etc. Und schließlich stellt sich die Frage, wie das volkswirtschaftlich ideale Wetter aussieht."
->   Zur Frage der Woche samt Diskussionsforum
...
Die Ansichten der User: Gibt es das ideale Wetter?
Unser User "pjelitsc" wollte letzte Woche wissen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen der heurige Jahrhundertsommer hatte - und gelangte so zur allgemeinen Frage nach dem volkswirtschaftlich idealen Wetter: Gibt es ein solches überhaupt?
Beantwortung ist relativ
Wie etwa unser User "mahindra" im Diskussionsforum zu Recht betonte, gibt es bei jedem Wetter finanzielle Gewinner und Verlierer: Beispielsweise seien Hotellerie und Weinbauern von dem Jahrhundertsommer begeistert, Gemüsebauern hingegen eher weniger. "mahindra" folgert daraus, dass es das volkswirtschaftlich ideale Wetter gar nicht gibt.
Finanzielles Optimum existiert nur in Theorie
Dem hält z.B. User "martinq" entgegen, dass es - in Abhängigkeit der Wetterbedingungen in einem Jahr - sehr wohl ein finanzielles Optimum geben kann. "martinq" fügt aber hinzu, dass im Rahmen einer Suche nach dem idealen Wetter auch längerfristige Auswirkungen von Klimawandel, wirtschaftlichen Investitionen und deren Wechselwirkungt berücksichtigt werden müssten. Also Daten, die z.T. noch gar nicht existieren bzw. abschätzbar sind.

Daher verläuft der - pragmatische - Weg der Beantwortung über die Einzelstationen wirtschaftlicher Sektoren, in denen bereits konkrete Bilanzen und Prognosen getätigt werden können. Aus solchen individuellen Berichten lässt sich dann ein Gesamtbild fertigen, wie User "hal8999" bereits im Forum vorgeschlagen hat.
Extremereignisse durch globalen Klimawandel bedingt?
Extremereignisse wie Hochwasser oder Dürreperioden kosten die Volkswirtschaft Geld, darauf können sich Experten aller Fachrichtungen einigen.

Die Frage ist jedoch: Wo hört das Wetter auf und wo beginnt das Klima? Oder anders formuliert: Sind Stürme, Trockenheit und Überschwemmungen zufällige lokale Ereignisse oder sind sie bereits Ausdruck eines globalen Klimawandels?
Zumindest bei Dürre der Fall
Nach Auskunft der Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb ist letzteres - zumindest teilweise - der Fall: Dürreperioden nehmen seit einiger Zeit zu, die extreme sommerliche Trockenheit im Jahr 2003 in Mittel- und vor allem Südeuropa sei Ausdruck eines Trends, der wiederum durch den globalen Klimawandel mitbedingt sei.

"Beim Hochwasser letztes Jahr kann man das allerdings nicht sagen, weil die extremen Niederschläge sehr punktuelle Ereignisse waren und Hochwasser nicht ausschließlich niederschlagsbedingt ist ", so Kromp-Kolb im Gespräch mit science.ORF.at. Zusammenhänge mit dem globalen Klima können allerdings keineswegs ausgeschlossen werden.
->   Das Klima ändert sich - auch in Österreich
Dürre schädigt Wälder
Dass Wetterkapriolen z.B. direkten Einfluss auf das - wirtschaftlich bedeutende - Ökosystem Wald haben, erklärt WWF-Alpenexperte Gerald Steindlegger:

Faktum ist, dass es heuer in vielen Regionen Österreichs gut ein Drittel weniger geregnet hat, als im Vergleichszeitraum der letzten Jahre. Gepaart mit der andauernden Hitze während des Sommers führte das zum Phänomen Trockenstress:
Misere zum Teil hausgemacht
"Das löste eine massive Abnahme des Zuwachses und einen bis zu acht Wochen verfrühten Abwurf der Blätter bei Laubbäumen aus", so Steindlegger im Gespräch mit science.ORF.at:

"Der eigentliche wirtschaftliche Schaden entstand durch das Absterben von Bäumen entweder infolge der Wipfeldürre - oder aufgrund einer verminderten Widerstandsfähigkeit gegen Schädlinge."

Ganz unschuldig sei aber auch der Mensch an der Misere nicht: "Denn abgestorben sind vor allem Bäume, die an nicht-natürlichen Standorten gepflanzt wurden." Beispiel dafür sei etwa die Fichte, die, so Steindlegger, "in Ostösterreich unter 600 Metern eigentlich nichts zu suchen hat."
->   Trockenheit verursachte Borkenkäfer-Invasion
Landwirtschaft: Hagelausfälle nehmen zu
Eine Zunahme von Extremereignissen registriert man auch in der Landwirtschaft. Ernteausfälle etwa durch Hagelschlag nahmen in den letzten Jahren zu - die Rechnung haben entweder die Bauern und/oder die Versicherungsgesellschaften zu begleichen.
...
Tourismus: Situation ambivalent
Zweischneidig ist die Situation im Tourismus: Die österreichischen Seengebiete haben ohne Zweifel vom Jahrhundertsommer profitiert, negative Auswirkungen haben hingegen die Gletscherschigebiete zu beklagen. Und zwar weniger, weil mit einem Ausbleiben der Gäste zu rechnen ist, sondern weil den Tourismusgebieten schlichtweg der Rohstoff aus Schnee und Eis abhanden zu kommen droht. In den klassischen Schigebieten, etwa Kitzbühel, hadert man schon länger mit den allzu milden Temperaturen. Setzt sich der Trend während der Winter fort, so werden selbst die Beschneiungsanlagen nicht verwendet werden können.
->   Glaziologische Details bei science.ORF.at-Host H. Slupetzky
...
Heißester Sommer seit Aufzeichnungen existieren
Was konkrete Zahlen anlangt, gibt der Klimaexperte Stefan Moidl vom WWF Österreich Auskunft: Der heurige Sommer war 3 bis 5°C wärmer als sonst üblich - und somit der heißeste seit es überhaupt meteorologische Aufzeichnungen gibt.

Bisheriger Rekordhalter war im Übrigen der Sommer im Jahr 1811. Eine abschließende ökonomische Bewertung des heurigen Sommers liege noch nicht vor, so Moidl - mit hohen Ausfällen bei Landwirtschaft, Stromproduktion oder Grundwasserkörpern sei naturgemäß zu rechnen.
Hochwasser kostete drei Milliarden Euro
"Das letztjährige Hochwasser hat die österreichische Volkswirtschaft drei Milliarden Euro gekostet, vergleicht man das mit dem BIP von 216 Millarden, so ergibt das knapp 1,4 Prozent", erklärt Moidl.

Die Jahresdurchschnittstemperatur hat sich in Österreich in den letzten 100 Jahren um 1 °C erhöht. Zum Vergleich: International betrug die Temperaturzunahme lediglich 0,6 °C.

Das UNO-Gremium für Klimaveränderung (IPCC) geht in den nächsten 100 Jahren von einer zusätzlichen Steigerung um 1,5 bis zu 6°C aus. Das liege im Bereich der Schwankungsbreiten zwischen den geologischen Warm- und Eiszeiten, so der Klimaexperte.
Wie das ideale Wetter nicht aussieht

Wie sieht also das ideale Wetter aus? Zumindest lässt sich sagen, wie es nicht aussieht: Extreme oder gar katastrophenartige Wetterbedingungen haben den wirtschaftlichen Bilanzen noch selten gut getan.

Leider ist - in Anbetracht des Klimatrends - gerade mit dem vermehrten Auftreten solcher Ereignisse zu rechnen.
...
"Ask Your Scientist": Stellen Sie auch weiterhin Fragen
science.ORF.at lädt seine User ein, im Rahmen von "Ask Your Scientist" auch weiterhin Fragen zum Thema Wissenschaft zu stellen.
Sie können die Fragen unter der E-mail-Adresse askyourscientist@orf.at stellen oder per Post: science.ORF.at, Argentinierstraße 30a, 1040 Wien.
->   So funktioniert "Ask Your Scientist"
...
->   www.innovatives-oesterreich.at
->   "Ask Your Scientist"-Archiv
->   WWF Österreich
->   BOKU Wien
->   Intergovernmental Panel on Climate Change
 
 
 
ORF ON Science :  Ask Your Scientist :  Gesellschaft .  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick