Host-Info
Peter Biegelbauer
Institut für Höhere Studien
 
ORF ON Science :  Peter Biegelbauer :  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 
EU-Politik: National Egoismen oder Europäische Visionen?  
  Der europäische Rat in Laeken hat es wieder gezeigt: Verhandlungen im Rahmen der Europäischen Union sind meist geprägt von nationalen Egoismen - oft aber ist das Endergebnis trotzdem ein weiterer Schritt zu einem vereinten Europa. Die von den einzelnen Ländern im Laufe der Verhandlungen angewandten Strategien und Taktiken unterscheiden sich dabei teils beträchtlich.  
Kleinliche Staatsoberhäupter
In der Berichterstattung über EU-Verhandlungen wirken die politischen Vorgänge in Brüssel oft kläglich und kleinlich: Mitgliedstaaten und Beitrittswerber sind auf ihre jeweiligen Vorteile bedacht, verteidigen diese mit Zähnen und Klauen und kümmern sich letztlich kaum um das gemeinsame Ziel - der Aufbau eines gemeinsamen Europas.
Knifflige Verhandlungen
Meist wird dabei übersehen, dass es die politischen Vertreter der Nationalstaaten nicht immer leicht haben: einerseits von nationalen Parlamenten und Interessensvertretern bedrängt, andererseits doch auch dem höheren Ziel eines gemeinsamen Europa verpflichtet, begeben sich die Staatsoberhäupter in Verhandlungen um knifflige Themen.

Diese Verhandlungen werden zwar von Experten monatelang vorbereitet, aber es sind oft die noch offenen Fragen, mit denen sich die Kanzler, Premiers und Präsidenten auseinandersetzen müssen - und das sind oft die schwierigsten.
->   IHS-Arbeitsgruppe "Vergleichende Politische Ökonomie Europas"
15 Milliarden EURO in einem Programm
Die seit Ende 1999 im Rahmen der Arbeitsgruppe "Vergleichende Politische Ökonomie Europas" des Instituts für Höhere Studien laufende RP5-POL Studie beschäftigt sich im Auftrag des bm:bwk mit einem solchen Problem, das in Brüssel mehrere Jahre lang verhandelt wurde.

Die Konstruktion und Verabschiedung des rund 15 Milliarden EURO umfassenden 5. Forschungsrahmenprogrammes der EU nahm die Zeit unzähliger nationaler und europäischer Beamter (in Österreich vor allem des vormaligen Wissenschafts- und jetztigen Bildungsministeriums) und Politiker in Anspruch.
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Die EU-Forschungsrahmenprogramme
Die Forschungsrahmenprogramme bündeln seit 1984 die Anstrengungen der EU (bis 1992: EG) zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas durch die Förderung von Wissenschaft und Technologie. Forschungsrahmenprogramme laufen 4-5 Jahre und bestehen aus Programmen in einer Vielzahl von unterschiedlichen Feldern, von Informations- und Kommunikationstechnologien über Materialforschung bis zu Aeronautik und Biotechnologien und anderem mehr.
->   Das 5. Forschungsrahmenprogramm
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Die große EU
Das RP5-POL Team untersucht einerseits die Entstehung dieses riesigen Programmes, andererseits aber auch das Verhalten dreier kleiner europäischer Länder dabei.

Konkret versucht das IHS-Team herauszufinden wie Österreich, die Niederlande und Schweden zuerst zu den jeweiligen nationalen Positionen in Bezug auf die Verhandlungen um das Forschungsprogramm gekommen sind und diese dann umzusetzen suchten.
Drei kleine Länder:
Rasch stellte sich heraus, dass in Österreich und Schweden seitens der dort federführenden Wissenschafts/Bildungsministerien große Bemühungen in eine umfassende Einbindung von Forschungsinstituten, Firmen, Sozialpartnern und Universitäten gesetzt wurden.

In den Niederlanden war der Prozess der Herausbildung einer nationalen Position zum EU-Forschungsprogramm einer Handvoll Personen vorbehalten, die weitgehend aus der Verwaltung stammten.
Unterschiedlichkeiten und ...
Das unterschiedliche Vorgehen der für die Herausbildung nationaler Positionen verantwortlichen Ministerien in den drei Ländern setzte sich auch im Lauf der jahrelangen Verhandlungen um das Forschungsrahmenprogramm fort: während vor allem in Österreich, aber auch in Schweden, laufend Experten aus dem Forschungsbereich zugezogen wurden, war das in den Niederlanden kaum der Fall.
... Gemeinsamkeiten
Ähnlichkeiten zwischen den drei Ländern ergaben sich hingegen im Hinblick auf die Institutionen, die im Laufe der 1990er Jahre zur Abwicklung der politischen Prozesse um die umfangreichen EU-Forschungsprogramme gebildet wurden.

Innerhalb und um die Wissenschafts-, Bildungs- und Wirtschaftsministerien bildeten sich Institutionen und Arbeitsgruppen mit verschiedenen Spezialisierungen heraus, die auf den ersten Blick in allen drei Ländern gleich aussahen - bei näherer Betrachtung aber doch wesentliche Unterschiede aufwiesen.
Österreich: vielfältige Lösungen ...
Insgesamt war der gesamte sich zur europäischen Forschungspolitik herausbildende politische Apparat in Österreich im Vergleich zu den anderen beiden Ländern besonders zentralistisch und in Schweden besonders dezentral.

Erstaunlicherweise war in Österreich trotzdem ein auch im Vergleich zu den beiden anderen Ländern hoher Reichtum an verschiedenartigen Kommunikationsmustern und politischen Lösungsversuchen feststellbar, der vor dem Hintergrund der relativ zentralisierten Verwaltungsstruktur nicht erwartbar schien.
... auf persönlicher Basis
Eine mögliche Erklärung liegt in den in Österreich im Vergleich zu den beiden anderen Ländern bevorzugten informellen und persönlichen Netzwerken, die oft bunte organisatorische Varianten der Interessenvermittlung ermöglichen - möglicherweise ein Erbe der Sozialpartnerschaft.

Was auf Ebene der nationalen Politik aber ein Vorteil ist, kann auf EU-Ebene zum Nachteil geraten: bei der Entstehung des 5. Rahmenprogrammes fehlten professionalisierte Netzwerke Österreichs in Brüssel noch weitgehend, was die Durchsetzung österreichischer Positionen in EU-Gremien erschwerte.

In anderen EU-Politikbereichen lassen sich vergleichbare Muster österreichischer Interessenvertretung auch heute noch ausmachen.
Schweden als Vorbild?
Schweden, mit Österreich und Finnland 1995 der EU beigetreten, hat diesem Manko rasch Abhilfe geschaffen. Ein Mitarbeiter des Außenministeriums beschäftigt sich in Stockholm mit dem Ausbau und der professionellen Betreuung eines Netzwerks von schwedischen Interessenträgern in Brüssel, die auf regelmäßigen Treffen und mittels elektronischen Medien Standpunkte und Erfahrungen austauschen. Österreich könnte hier von Schweden lernen.
->   Ein am IHS kürzlich zum Thema erschienenes Arbeitspapier
 
 
 
ORF ON Science :  Peter Biegelbauer :  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 

 
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