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Peter Biegelbauer
Institut für Höhere Studien
 
ORF ON Science :  Peter Biegelbauer :  Gesellschaft 
 
9/11: Globalisierte Probleme, nationale Lösungen?  
  In ihren Bemühungen, eine Koalition um einen möglichen Militäreinsatz im Irak zu schmieden, tritt die US-Führung seit Monaten auf der Stelle. Die ablehnende Haltung der großen Mehrheit der Staaten der EU, des pazifischen Raumes und vor allem der arabischen Welt hat sich auch unter dem Eindruck der diplomatischen Bemühungen der Bush-Regierung nicht verändert.  
Nationale Lösungen für ...
Der relative Misserfolg der internationalen Intervention in Afghanistan, die bislang weder zu einer Stabilisierung des Landes noch zu einer Zerschlagung des Al'Qaida Netzwerkes geführt hat, wird die Skepsis der bisherigen Verbündeten der USA wohl auch weiterhin nicht zum Verschwinden bringen.

Und auch die immer wieder allzu einsamen Entscheidungen der Bush-Administration - ein Beispiel war die Verhinderung einer konkreten Regulierung der nur mehr weltweit regelbaren Umweltproblematik in Johannesburg durch George W. Bush - trägt ihr Scherflein dazu bei, das internationale Misstrauen gegenüber der US-Regierung anzuheizen.
... internationale Probleme?
Ein militärisches Eingreifen der USA im Irak würde die unmittelbare Zukunft der ohnehin krisengebeutelten internationalen Projekte supranationaler Kooperation im globalen Maßstab noch weiter gefährden. Allen voran würde die UNO beschädigt werden. Denn den Vereinten Nationen droht als Folge der Alleingänge der US-Regierung ein Verlust der nach dem Ende des Kalten Krieges gewonnenen Bedeutung.

Diese Entwicklung ist umso denkwürdiger, als sie zu einem Zeitpunkt stattfindet, an dem internationale Zusammenarbeit für die Erreichung der Ziele der USA unentbehrlich erscheint. Dies bezieht sich auch auf das aktuelle sicherheitspolitische Dilemma der Vereinigten Staaten, das sich aus den Terroranschlägen des 11.September 2001 entwickelt hat.
Ursachen von 9/11
Über die Ursachen von 9/11 ist bereits viel geschrieben worden. Die meisten Kommentatoren waren sich darin einig, dass die gegenwärtige Weltwirtschaftsordnung zumindest der Nährboden war, auf dem jener religiöse Fanatismus gedeihen konnte, der schließlich zu den Attentaten auf die USA führten.

Einige gingen weiter und identifizierten die Verteilung von Armut und Reichtum in der Welt als die eigentliche Ursache der Anschläge. Unabhängig davon welcher Ansicht man Glauben schenken will, herrscht jedenfalls weitgehende Einigkeit darüber, dass die globale politische Ökonomie in einem wie auch immer direkten Zusammenhang mit 9/11 steht.
USA (noch immer) die Nummer 1
Dabei geht es vor allem um die ökonomische und politische Dominanz der Triadenländer der USA, der EU und Japans - bei allen momentanen wirtschaftlichen Schwierigkeiten dieser Staaten - gegenüber dem Rest der Welt. Auf Grund des unsteten Europäischen Einigungsprozesses und der Zurückhaltung Japans auf dem internationalen Parkett werden die Vereinigten Staaten weiterhin als dominierend gesehen. Tatsächlich birgt diese Betrachtungsweise zweifellos mehr als nur ein sprichwörtliches Körnchen Wahrheit.
Noch immer?
Während aber die USA unbestritten das im internationalen Vergleich schlagkräftigste Militärinstrumentarium unterhält und auf kultureller Ebene die Traumfabrik Hollywood weltweit dominant ist, sind die Vereinigten Staaten sowohl wirtschaftlich als auch politisch nach wie vor auf ihre traditionellen Verbündeten in Europa, Asien und im Nahen Osten angewiesen. Und das auch wenn die Verbündeten ihrerseits von den USA wahrscheinlich mehr abhängig sind, als die Vereinigten Staaten von ihnen - eine Interdependenz ist doch unbestreitbar feststellbar.
Noch immer!
So ist es für die Vereinigten Staaten auch durchaus möglich, im Alleingang binnen weniger Monate ein Land wie den Irak militärisch zu dominieren, auch wenn die Kosten an (US-Amerikanischen und vor allem irakischen) Menschenleben und US-Dollars dafür hoch sein dürften.

Doch es ist auch für ein Land von der Größe und Leistungskraft der USA unmöglich geworden, globalisierte Problemstellungen, von Klimaerwärmung über Drogenhandel bis zu Schuldenkrisen großer Nationen, ohne die Kooperation der Staatengemeinschaft zu lösen. Im Fall einer weitgehend unilateralen US-Amerikanischen militärischen Intervention im Irak wird aber genau die Beschädigung jener Institutionen fortgesetzt, die zuletzt bereits unter den Handlungen der Bush-Administration zu leiden hatten.
Internationale Lösungen für ...
Wer, wenn nicht der Internationale Währungsfonds (an dem die EU-Mitgliedsländer den größten Block an Anteilen halten), würde die Währungen von Ländern wie Mexiko oder Argentinien stützen, die mit der US-Amerikanischen Wirtschaft viel intensiver als mit denen anderer Länder verbunden wäre? Wer, wenn nicht die UNO, würde internationale Klimaabkommen organisieren, welche eines Tages nachhaltiges Wirtschaften ermöglichen sollen - und die Folgen des noch immer ungezügelt hohen US-Amerikanischen Ressourcenverbrauchs gemeinsam tragen? Wer, wenn nicht der UN-Sicherheitsrat, sollte globale Sicherheitsstrukturen aufbauen, die gerade den hoch internationalisierten Interessen der Vereinigten Staaten nützen würden?
... internationale Probleme!
Ohne Zweifel sollte langfristig das internationale Staatensystem demokratisiert werden und eine neue Sicherheitspolitik auf einer Weltwirtschaftsordnung basieren, die zu einer gerechteren Verteilung von Ressourcen basiert. Mittelfristig sollten die Folgen der Globalisierung durch reformierte internationale Strukturen abgefangen werden und eine sinnvolle Regulation der Marktkräfte unter Einbeziehung zumindest der Triadenländer stattfinden.

Kurzfristig ist aber US-Amerikanische Leadership auf globaler Ebene unverzichtbar - einfach weil kein anderer potenzieller Global Player im Moment vorhanden wäre, der eine solche Aufgabe übernehmen könnte. Allerdings sollte die USA über ihre kurzfristigen Interessen ihre langfristigen Interessen nicht aus den Augen verlieren. Während erstere die Befriedigung eines unmittelbaren Sicherheitsbedürfnisses verlangen, sollten letztere eine nachhaltige Stabilisierung des globalen Systems umfassen.

Das ist aber durch US-Amerikanischen Unilateralismus nicht erreichbar.
Peter Biegelbauer ist Leiter der Arbeitsgruppe "Vergleichende Politische Ökonomie Europas" an der Abteilung Politikwissenschaft des Instituts für Höhere Studien (IHS) in Wien.
->   Link zu IHS-Arbeitsgruppe "Vergleichende Politische Ökonomie Europas"
 
 
 
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