Host-Info
Ulrike Felt
Institut für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Ulrike Felt :  Leben .  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 
BSE - Umgang mit Risiken unzureichend  
  Die Folgen der BSE-Krise auf den Menschen lassen sich wissenschaftlich noch nicht genau abschätzen. Eines jedoch kann man mit Sicherheit sagen: Der Umgang mit wissenschaftlich-technischen Risiken ist in Österreich noch weit von wünschenswerten Zuständen entfernt.  
Wissen über Unwissen wird klarer
Während die öffentlichen Emotionen hochgehen und ganz Österreich fieberhaft zu hoffen scheint, dass die verdächtigte Kuh nun doch nicht an BSE erkrankt war, sehen wir am wesentlichen vorbei.
Bei BSE handelt es sich um einen beinahe klassischen Fall von modernen Risiken, die sich nicht nur durch Unsicherheiten im Wissen selbst auszeichnen, sondern durch Unsicherheiten darüber, worin die Gefahren eigentlich genau bestehen.
Auslöser für die Krankheit
Wissenschaftler diskutieren unterschiedliche Modelle wie die Krankheit durch die Tiermehlfütterung ausgelöst wird. Man weiß nicht, wie sie von Muttertieren an Kälber weitergegeben wird. Es ist unklar, ob die neue Variante der CJD auf den Menschen nur durch Fleischkonsum übertragen werden kann, oder nicht vielleicht auch durch Milch (eine Hypothese die immer wieder herumgeistert). Und schließlich gehen sowohl über das mögliche Ausmaß der Seuche bei Tieren als auch über die Zahl der Erkrankungen bei Menschen die Einschätzungen weit auseinander.
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Kann man aus Vergangenem lernen?
Während diese Unsicherheiten die BSE Geschichte seit mehr als 15 Jahren begleiten und immer wieder der Fehler begangen wurde, nur denen zuzuhören, die das sagten, was man gerne hören wollte, haben wir anscheinend nicht wirklich aus den verheerenden Folgen dieses Verhaltens Konsequenzen gezogen. Österreich unternimmt - zeitverzögert - dieselben verzweifelten Versuche, das Problem in seiner Tragweite zu verdrängen. Besonders ist dies im politischen Diskurs zu sehen, wo man tatsächlich vorgab zu glauben, dass durch ein Fütterungsverbot von Tiermehl an Rinder das Problem tatsächlich verhindert werden kann (was nicht sein darf, das ist auch nicht!), wo man noch Ende letzten Jahres versuchte, Ausnahmegenehmigungen für Tests in Österreich von der EU zu erhalten, wo man dann versuchte, durch das Nichtschlachten älterer Rinder etwas hinauszuschieben, was unweigerlich bevorsteht, wo jetzt gerne so getan wird, als ob es ein sicheres Wissen über BSE und dessen Übertragung auf den Menschen gibt und wo man vor allem beschwichtigt unter Verweis darauf, dass das größte Risiko bereits hinter uns liegt (Zitat Haupt in Betrifft vom 14.01.2001). Als ob es wichtiger ist, die Illusion vom gelobten Bioland Österreich aufrechtzuerhalten, als eine Krise, die ganz Europa erfasst hat, ins Auge zu sehen.
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Wissenschaftliche Institutionen versagen
Der BSE-Fall hat uns aber auch dramatisch vor Augen geführt, dass es mit der Freiheit der Forschung nicht sehr weit her ist, wenn die ökonomischen und politischen Interessen groß genug sind. Das würde jedem einleuchten und es wäre sehr leicht festzuhalten: die Wissenschaftler sind die Guten, die nach den Lösungen suchen und die Politiker sind die Bösen, die diese unterdrücken.
Irrtum! In vielen Fällen, waren es nämlich die wissenschaftlichen Institutionen selbst, die bereit waren, ihre Mitarbeiter zu sanktionieren, wenn sie Ergebnisse lieferten, die den politischen Machthabern nicht genehm waren.
Diese wissenschaftlichen Institutionen, die geschaffen wurden, um den Wissenschaftlern jenen Freiraum zu geben, in dem sie weitgehend unabhängig arbeiten können, haben in diesem Sinne versagt. Und BSE ist sicherlich kein Einzelfall: zunehmender wirtschaftlicher Druck auf Universitäten und Forschungseinrichtungen ist nicht ein isoliertes Problem, sondern ein gesamtgesellschaftliches.
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Kein Weg zurück
Nun es ist nicht wie im Märchen: Der Zwerg wird nicht mit dem Sarg Schneewittchens stolpern und so den giftigen Apfel aus ihrer Kehle entfernen. Rücknahme bestimmter Gewohnheiten im Bereich der Tierzucht ist zwar wesentlich, wird sicherlich aber nicht ausreichen, um diese Krise zu beenden.
Wir beseitigen die Auswirkungen, aber denken wenig über die Ursachen - wie etwa die ökonomischen Kräfte hinter diesen Entwicklungen - nach. Wir versuchen schnell um jeden Preis "Klarheiten" herzustellen, statt mit Unsicherheiten umgehen zu lernen. Wir erwarten nach wie vor von Wissenschaft eindeutige Lösungen, die sie uns in dieser Form wahrscheinlich nie liefern wird.
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Das Problem kann nicht delegiert werden
BSE und dessen Übertragung auf den Menschen ist kein ausschließlich wissenschaftliches Problem, es kann durch Delegation an "die Anderen" - sei es Wissenschaft oder Politik - nicht gelöst werden, sondern es ist ein Risikobereich mit dem wir uns alle auseinandersetzen müssen, um Lösungsansätze zu entwickeln. Die Lösung liegt vor uns und nicht hinter uns.
 
 
 
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