Christian Gastgeber
Österreichische Nationalbibliothek
BIBLOS-Redaktion und Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Byzanzforschung
 
ORF ON Science :  Christian Gastgeber :  Gesellschaft .  Technologie .  Wissen und Bildung 
 
" ... und wie passt denn das zusamm ... "
Die Schellack-Platte als Träger immateriellen Kulturerbes und ihre Wirkung auf die Gesellschaft
 
  Ein Nachbericht aus Anlass des 4. Diskografentages am 24. Jänner 2004 von Mag. Michaela Brodl (Archiv des Österreichischen Volksliedwerkes).  
Musik in Wiederholung
Der Schellack-Platte kommt als frühes Medium der Konservierung von Hörerlebnissen eine hohe Bedeutung zu.

Bis zu dieser Erfindung war es nicht, kaum oder zumindest nur schwer möglich, Hörerlebnisse beliebig oft zu reproduzieren und zu hören, wie es heute selbstverständlich geworden ist; eine Wiederholung desselben (identen) Hörereignisses war nicht möglich.

Diese technische Errungenschaft stellte eine Revolution im Konsum musikalischer Ereignissen dar, und so war die Schallplatte von Anfang an ein Massenmedium, die Inhalte der Schallplatte wurden Spiegelbilder der Gesellschaft.
Der Verlust im Wandel der Zeit
Die Vielfalt der aufgenommenen Stücke ist ebenso unendlich, wie menschliche Kreativität sich zu betätigen versteht. Die Produktionspalette reicht von Werken sämtlicher Musikgattungen zu Sprechplatten mit Erzählungen, Dialektproben, Kleinkunstwerken etc.

Durch die weitere technischen Entwicklung, die mit rasenden Schritten die digitale Welt erobert, droht die Schellackplatte aufgrund der entschwindenen Abspielgeräte langsam aber sicher in Vergessenheit zu versinken.

Akribische Sammler, deren Zahl zwar klein ist, die aber mit ihrem Wissen Kulturgut pflegen und erhalten, haben durch ihren Fleiß und Eifer viele Informationen zusammengetragen und dadurch bewahrt.
Wahrung der Tradition
Dieses reiche Wissen aus der Welt der Privaten mit einem Wissen, das in öffentlichen Archiven und Instituten vorhanden ist, in Verbindung und in Einklang zu bringen, ist eine der Aufgaben des Projektes "Firmen- und Künstlerdiskografien der Schellackzeit mit besonderer Berücksichtigung der Unterhaltungsmusik", das vom EU-Programm Sokrates/Grundtvig gefördert wird.

Die Partner aus Italien, Deutschland und Österreich mit einem assoziierten Partner aus der Schweiz erarbeiten nun schon im 3. Projektjahr einerseits die Parameter für eine Standardisierung der Erfassungsdaten für Schellacks, andererseits die Kriterien für eine professionelle Überspielung zur Langzeitarchivierung und Restaurierung von Schellackplatten sowie die Betrachtung der Interpretationsweisen der damaligen Zeit und deren Vermittlung heute.
4. Diskografentag
Der Diskografentag am 24.1.2004 in der Volkshochschule Hietzing fand bereits zum 4. Mal statt und wurde von der Gesellschaft für Historische Tonträger und vom Österreichischen Volksliedwerk durch Unterstützung von EU-Sokrates/Grundtvig Programm veranstaltet.

Dieses Forum für Schellack-Interessierte bot sowohl privaten Sammlern und Diskografen wie auch MitarbeiterInnen wissenschaftlicher Institutionen die Möglichkeit zur Diskussion und zum Informationsaustausch bezüglich Fragen, die sich im praktischen Umgang mit Schellacks ergeben.

Wichtige VertreterInnen internationaler Institute und anerkannte SpezialistInnen garantierten eine vielseitige und interessante Tagung.
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Gesellschaft für Historische Tonträger
Ziel der GESELLSCHAFT FÜR HISTORISCHE TONTRÄGER (GHT) ist es, Tondokumente aus der frühen Tonaufnahmeepoche (Schellackzeit), ihre Daten und Inhalte zu erhalten, die Erkenntnisse synergetisch unter wissenschaftlichen Standards zu dokumentieren, zu archivieren und zugänglich zu machen. Zur Erreichung dieses Vereinszweckes sind geplant: Erstellung von Diskografien - Anlegen einer diskografischen Datenbank, zu der die Mitglieder Zugang bekommen - Vorträge und diverse Veranstaltungen - Aufbau eines fachspezifischen Programmes zur Weiterbildung und Information - Aufbau eines Archives für Sekundärquellen - Herausgabe einer periodisch erscheinenden Publikation
->   Gesellschaft für Historische Tonträger
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Österreichisches Volksliedwerk
Das Österreichische Volksliedwerk ist die 1904 gegründete Institution zur Sammlung, Forschung, Dokumentation und Pflege von Volkslied, Volks-musik, Volkstanz, Volkspoesie, Sage, Märchen und Volksschauspiel. Als Dachverband der Volksliedwerke der Bundesländer kann das Zentralarchiv des Österreichischen Volksliedwerkes den größten Bestand an Büchern und Zeitschriften zu den angeführten Themen vorweisen. Ergänzende Tonbandaufzeichnungen entstanden vor allem bei den Feldforschungen, die nach wie vor regelmäßig durchgeführt werden.

Die schon lange geplante Gesamtausgabe der Volksmusik in Österreich konnte 1993 mit dem ersten Band der Reihe Corpus Musicae Popularis Austriacae (COMPA) eröffnet werden. Unter der Leitung von Prof. Walter Deutsch wächst ein monumentales Werk, das Lieder und Tänze aus allen österreichischen Landschaften in wissenschaftlichen Ausgaben zugänglich machen will. Das zentrale Thema findet seinen Niederschlag vor allem im Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes
->   Österreichisches Volksliedwerk
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Heftig diskutiert: Die Abspielgeschwindigkeit
Hitzige Diskussionen und zahlreiche Überlegungen sowie Versuche verursacht unter anderem die Frage über die Abspielgeschwindigkeit. Sowohl für die Restaurierung als auch für Überspielungen zur Sicherung der seltenen Tondokumente ergeben sich Probleme daraus, dass bei der Produktion der Schellackplatte keine Normierung der Anzahl der Umdrehungen pro Minute festgesetzt und eingehalten wurde.

Da darüber auch keine Aufzeichnungen geführt wurden, steht der Bearbeiter vor großen Schwierigkeiten bei der Überspielung, vor allem wenn er über die enthaltene Musikgattung wenig Bescheid weiß. Die Änderung der Umdrehungszahl verändert die Tonhöhe und damit auch das Klangbild.

Subjektiven Wahrnehmungen der Hörer und Musikgenießer stehen objektive Kriterien der Wissenschaft gegenüber, die aus soziologischen und urheberrechtlichen Gründen die Haltung gegenüber der schöpferischen Leistung in das Blickfeld der Forschung zieht.
Teilnehmer an der Tagung
 


v.l.n.r.: Claus Peter Gallenmiller, Ernst Weber, Norbert
Nitsche und Rainer Lotz
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Beiträge
Die Vorträge und Referate werden in der Zeitschrift der Gesellschaft für historische Tonträger "Rundschrift/circulare" in deutscher und italienischer Sprache veröffentlicht.
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Referenten
Claus Peter GALLENMILLER (Gesellschaft für Historische Tonträger, Deutschland): Sound-Restaurierung am PC mit praktischen Beispielen.

Hermann HUEMER (Österreichische Gesellschaft für Dokumentation und Information, Wien): Im Dienste der Wissensgesellschaft - Österreichische Gesellschaft für Dokumentation und Information.

Peter KINDL (ORF, Wien): Neuauflage: Caruso - praktische Erfahrungen.

Franz LECHLEITNER (Gesellschaft für Historische Tonträger, Wien): Die "Sammlung Seiser" Wien.

Daniel LEECH-WILKINSON (King's College, London, UK) The Centre for History and Analysis of Recorded Music (CHARM) - Zentrum für die Geschichte und Analyse von Musik auf Tonträgern.

Rainer E. LOTZ (Discographic Comitee IASA, Deutschland): Vom Cakewalk zum Jazz. Deutsche in Amerika, Afroamerikaner in Deutschland.

Pio PELLIZZARI (Schweizerische Landesphonothek, Schweiz): Absolute Tonhöhe und Abspielgeschwindigkeit?

Marcello SORCE-KELLER (Konservatorium in Lugano, Schweiz): Originalität, Echtheit und Urheberrecht - ein bescheidener Vorschlag, das intellektuelle Eigentum der Musik neu zu denken.

Georg WACKS (Armin Berg- Gesellschaft, Wien): Die Armin Berg Gesellschaft und ihre Projekte.

Ernst WEBER (Gesellschaft für Historische Tonträger, Wien): Das Wienerlied der K&K Zeit auf Schallplatte - Repertoire, Produktion und Rezeption.

Luisa ZANONCELLI (Universität Udine/Gorizia, Italien): Ethik und Ideologie bei Restaurierung (Der Vortrag von Angelo Orcalli wurde übersetzt und in deutscher Sprache vorgetragen).
 
 
 
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