Christian Gastgeber
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Tagung zur Schriftstellerin Helene Scheu-Riesz
Eine Frau zwischen den Welten
 
  Helene Scheu-Riesz (1880-1970) war eine erfolgreiche Journalistin, Übersetzerin und Feuilletonistin. Eine Arbeitstagung am 4. Juni im Institut für Wissenschaft und Kunst soll durch Referate von WissenschafterInnen aus mehreren Disziplinen, das Leben und Wirken dieser vielseitigen und sozial engagierten Frau, die auch wichtige Akzente in der Frauenbewegung setzte, beleuchten.  
Die Schriftstellerin und Journalistin

Helene Scheu-Riesz
Von Dr. Susanne Blumesberger

Helene Scheu-Riesz war eine erfolgreiche Schriftstellerin und Übersetzerin, gab zahlreiche Märchen neu heraus, übersetzte und schrieb Geschichten für Kinder. Vor 70 Jahren erschien ihr Roman "Gretchen Discovers America". Sie war auch eine bekannte Journalistin, Feuilletonistin bei der "Neuen Freien Presse" und eine bedeutende Verlegerin in Österreich und Amerika.
Die Verfechterin der "guten Literatur" für Kinder
Ihr ganzes Leben lang war sie bestrebt, eine Universalbibliothek für Kinder zu schaffen, und zwar so kostengünstig, dass auch die allerärmsten Kinder eigene Bücher haben sollten. Ihr Vorhaben setzte sie nicht nur in Form mehrerer von ihr gegründeten Verlage um, sondern auch nach dem 1. Weltkrieg in Form der damals revolutionären Idee, Leseräume für Kinder zu schaffen.

Wärmestuben, die sie durch Kakao- und Milchspenden zunächst in "Kakaoräume" und später in Leseräume umwandelte, hatten großen Erfolg.
Die Herausgeberin
Anstatt "billiger" Literatur für Kinder herauszugeben, war es ihr ein Anliegen, literarisch hochwertige Texte kindgerecht auf den Markt zu bringen. Ein Vorhaben, das ihr durch die Gründung ihrer Verlage, besonders des "Sesam-Verlages" auch gelang.

Die schmalen Büchlein wurden teilweise von Schülern Cizeks illustriert und waren schon deshalb revolutionär in der damaligen Kinderliteraturszene.
Die Kinderbuchautorin
Helene Scheu-Riesz bestätigte sich neben ihrer Tätigkeit als Herausgeberin auch als Autorin, obwohl, wie sie selbst betonte, die Schriftstellerei hinter der für sie wichtigeren Arbeit als Herausgeberin zurückstehen musste.

Dennoch hat sie mehrere Bücher für Kinder veröffentlicht. Eines davon - "Gretchen discovers America" - wird bei dieser Tagung vom Obmann der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung in Österreich (ÖGJKLF), dem Germanisten Univ.Doz. Dr. Ernst Seibert näher vorgestellt werden.
Die Saloniere
Ihre Ambitionen in den unterschiedlichsten Bereichen werden verständlich, wenn man sich mit ihrem gesellschaftlichen Umfeld näher beschäftigt. Adolf Loos zum Beispiel, ein Freund der Familie, baute das erste Terrassenhaus in Europa für sie. In seinem zum Einzug der Familie geschenkten Gästebuch finden sich Namen wie Alban Berg, Oskar Kokoschka und Arnold Schönberg.

Nicht nur der Architekt zählte zu ihrem engeren Freundeskreis, sondern auch Eugenie Schwarzwald, die Gründerin der Schwarzwald-Schule, die von Persönlichkeiten wie Hilde Spiel, Helene Weigel und Elisabeth Neumann-Viertel besucht wurde. Ebenso spielten die Quäker eine große und für die Kinderbuchproduktion eine entscheidende Rolle.
Die Familie Scheu
Auch ihr familiäres Umfeld ist sehr interessant. So war sie mit Dr. Gustav Scheu verheiratet, dem sozialdemokratischen Gemeinderat der Ersten Republik, ihr Schwiegervater war Josef Scheu, Gründer der Arbeitersängerbewegung und ihr Sohn Dr. Friedrich Scheu war Journalist und Korrespondent und leitete von 1954 bis 1972 das außenpolitische Ressort der Wiener "Arbeiter-Zeitung".

Frau Dr. Edith Stumpf-Fischer, die mit den Enkelinnen von Helene Scheu-Riesz zur Schule ging, wird über diese interessante Familie Näheres berichten.
Die politisch Engagierte
Nicht nur dass ihre Familie eine wichtige politische Rolle spielte, setzte sie sich auch theoretisch mit dem in der Zwischenkriegszeit hochbrisantem Thema der "Lesebuchdiskussion" und anderen Schulfragen auseinander.

Dr. Ilse Korotin, Leiterin des Projekts "biofrafiA. Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen" wird über die proletarische Jugend und über die Entwicklung der Jugendforschung sprechen und Dr. Johann Dvorák, Politikwissenschaftler und Historiker, über die Bildungsreformen in der 1. Republik.
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biografiA - biografische Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen
Die Projektinitiative "biografiA. biografische datenbank und lexikon österreichischer frauen" hat die umfassende historisch-biografische Aufarbeitung österreichischer Frauenpersönlichkeiten zum Ziel. Sie bezieht die in der Ära Hertha Firnberg entstandene umfangreiche Materialsammlung zu einem "Biografischen Lexikon der österreichischen Frau" in das Vorhaben ein und steht in Kooperation mit vergleichbaren Nachschlagewerken und Datenbanken.
->   biografiA
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Die Emigrantin

Als Frau jüdischer Herkunft wäre Scheu-Riesz während der Zeit des Nationalsozialismus bedroht gewesen. Die Zeit im Exil nützte sie für weitere Verlagsgründungen und für das Knüpfen neuere Kontakte.

Die Gratwanderung zwischen Tradition und Assimilation jüdischer Frauen, wird die Autorin und Exilexpertin Dr. Renate Göllner beschreiben. Zum Schreiben im Exil hält Mag. Siglinde Bolbecher, Historikerin und Initiatorin der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung (ÖGE) einen Beitrag.
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ReferentInnen
Dr. Susanne Blumesberger: Einleitung
Dr. Edith Stumpf-Fischer: Wer war Helene Scheu-Riesz? Eine Antwort aus Literatur und Familienerinnerungen
Dr. Renate Göllner: Zwischen Tradition und Assimilation. Bemerkungen zur Emanzipationsgeschichte jüdischer Frauen
Dr. Ilse Korotin: Das Interesse an der proletarische Jugend. Zur Entwicklung der Jugendforschung
Dr. Johann Dvorák: Demokratie, Wissenschaft und Bildungsreformen in der 1. Republik
Dr. Susanne Blumesberger: Sesam öffne dich - Vision einer modernen Bibliothek
Dr. Ernst Seibert: "Gretchen Discovers America". Helene Scheu-Riesz als Kinderbuchautorin
Mag. Siglinde Bolbecher: "Wir haben nichts als unsere Leiblichkeit und unsere Verwundbarkeit", Anmerkungen zum Schreiben von Frauen im Exil
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Informationen
Datum: 4. Juni 2004, 13.00-18.00 Uhr
Ort: IWK, Berggasse 17, 1090 Wien
Konzept und Organisation: Dr. Susanne Blumesberger
->   IWK - Tagung
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->   Frauenzeitung: Ein Frauenbildnis, von Helene Scheu-Riesz (Sophie Digital Library)
->   Biografie Helene Scheu-Riesz (ONB)
 
 
 
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