Christian Gastgeber
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BIBLOS-Redaktion und Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Byzanzforschung
 
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Tagung: Kinder- und Jugendliteratur zur NS-Zeit  
  Die Tagung "Österreichische Kinder- und Jugendliteratur zwischen Hakenkreuz, Widerstand und Exil" behandelt den Einfluss des NS-Regimes auf die Kinderliteratur sowie Werk und Biografien vergessener Autorinnen dieser Zeit.  
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Tagungsinformation
Österreichische Kinder- und Jugendliteratur zwischen Hakenkreuz, Widerstand und Exil:
Ort: Institut für Wissenschaft und Kunst, Berggasse 17, 1090 Wien
Datum: 22.10.2004, 10-17 h
Konzept und Moderation: Mag. Dr. Susanne Blumesberger
Der Eintritt ist kostenlos, es ist keine Anmeldung erforderlich.
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Die Tagung wird vom Institut für Wissenschaft und Kunst in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung veranstaltet.
->   Institut für Wissenschaft und Kunst
->   Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung
Kinderliteratur zwischen 1938 bis 1945
Ziel dieser Arbeitstagung, die im Rahmen des Projektes "biografiA. Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen" abgehalten wird, ist die Auseinandersetzung mit Literatur für Kinder, die in den Jahren 1938 bis 1945 erschien. Im Blickpunkt stehen Lebenswege und Werke von Autorinnen aus Österreich.

Dabei sollen nicht nur jene Publikationen betrachtet werden, die dem politischen System angepasst waren, sondern auch jene Bücher, die im Ausland erscheinen mussten, weil sich ihre Urheberinnen dem neuen Regime widersetzten beziehungsweise aus politischen oder "rassischen" Gründen keine Möglichkeit mehr hatten, in Österreich zu publizieren.

Viele dieser Autorinnen wurden nach dem 2. Weltkrieg nicht aus dem Kulturbetrieb ausgeschlossen, man denke nur an Anneliese Umlauf-Lamatsch (1895-1962), die mit ihren Büchern "Der kleine Peter in der Katzenstadt" oder "Hannerl in der Pilzstadt" mehrere Generationen von Kindern begeisterte, die aber auch - und das wird oft verschwiegen und verdrängt - unter anderem 1939 "Ein Kinder-Festspiel zur Geburtstagsfeier unseres Führers und ein Märchen zur Maifeier" verfasste.
Die Rezeption der NS-Kinderbücher
Erinnerungen an ein bestimmtes Kinderbuch können sehr stark sein, sie begleiten eventuell ein ganzes Leben lang. Um so erschreckender ist der Gedanke, dass zahlreiche Kinder, in der Schule und zu Hause mit Texten konfrontiert wurden, die mehr oder weniger unterschwellig die NS-Ideologie verbreiteten und Rassenhass schürten.

Mit Märchen und harmlosen Wichtelgeschichten wurde zugleich eine Weltanschauung geliefert und von vielen Kindern (und Erwachsenen) wahrscheinlich kritiklos übernommen, die kaum mit 1945 revidiert werden konnte. Eine Zeitzeugin wird bei der Tagung von ihren eigenen Leseerfahrungen in ihrer Kindheit berichten und so ein Thema ins Bewußtsein rücken, das auch heute oft noch nicht genügend beachtet wird.
Kinderbuchautorinnen jüdischer Herkunft: Mira Lobe
Viele Autorinnen hatten während der NS-Zeit keine Chance zu publizieren, waren existentiell bedroht und wurden, wenn nicht sogar in Konzentrationslager, ins Exil gedrängt.

Einige von ihnen sind heute noch bekannt. Mira Lobe etwa (1913-1995), die wegen der NS-Hochschulgesetze nicht studieren konnte, um Journalistin zu werden, sondern nach Palästina emigrieren musste und dort anfänglich gezwungen war, als Putzfrau ihr Überleben zu sichern.

Doch sie hatte Glück, ihre Bücher wurden ausgezeichnet und erschienen in zahlreichen Auflagen und Sprachen, darunter "Die Omama im Apfelbaum".
Am Beispiel Vicki Baum, Anna Maria Jokl, Joe Lederer
Die Bücher von Vicki Baum (1888-1960) - ihr Name ist untrennbar mit ihrem Erfolgsroman "Menschen im Hotel" verbunden - , waren 1935 in Deutschland verboten. Vicki Baum schrieb aber auch für junge Leserinnen und Leser.

Viele andere jüdische Autorinnen sind heute mehr oder weniger vergessen. Anna Maria Jokl (1911-2001) entwarf mit ihrem Buch "Die Perlmutterfarbe" schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ein erzählerisches Szenario, das als Parabel auf die Geschichte Deutschlands nach der Machtergreifung Hitlers gelesen werden kann.

Joe Lederer (1904-1987), die ihre Erlebnisse im Exil in ihrem Kinderbuch "Fanfan in China" verarbeitete, ist heute weitgehend unbekannt. Ein Ziel der Tagung ist diese wenig diskutierten Autorinnen wieder ins Bewusstsein zu rufen.
Kinderbuch und Geschichtsaufarbeitung
Die Zeit des Nationalsozialismus wurde sehr lange in Kinderbüchern nicht thematisiert. Erst sehr spät nahm man sich dieses Teils der Zeitgeschichte an. Interessante und einfühlsame Bücher für Kinder und Jugendliche entstanden. Die Beschäftigung mit dieser Thematik ist ein weiterer Aspekt der Tagung.

[21.10.2004]
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Programm
10.00-10.30 Mag. Dr. Susanne BLUMESBERGER: Jüdische Kinderbuchautorinnen. Ihre Werke und ihre Schicksale. Ein Überblick

10.30-11.00 Dr. Johann DVORAK: Zur Theorie des Lesens und der modernen Literatur. Anmerkungen zu den Lektüren von Kindern und Jugendlichen und ihrer politischen Bedeutung

11.00-11.30 Mag. Dr. Sabine FUCHS: Österreichische Kinderbuchautorinnen zwischen Rückzug und Anpassung

14.00-14.30 Dr. Ilse KOROTIN: "Volk als Schicksal und Aufgabe". Philosophisches zur Erziehung im Nationalsozialismus

14.30-15.00 Mag. Elisabeth HELLMICH: Damals war ich noch nicht vierzehn. Leseerfahrungen einer Zeitzeugin

15.30-16.00 Univ-Doz. Mag. Dr. Ernst SEIBERT: Aufklärung und Verdrängung. Anschluss, Widerstand und Stunde Null am Beispiel österreichischer Kinderbuchautorinnen

16.00-16.30 Dr. Peter MALINA: Aufzeichnungen aus bewegter Zeit. Kinder- und Jugendbuchautorinnen schreiben Zeitgeschichten
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->   www.biografia.at
 
 
 
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