Christian Gastgeber
Österreichische Nationalbibliothek
BIBLOS-Redaktion und Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Byzanzforschung
 
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Neuer Bildband zur US-Besatzung in Salzburg  
  Ein neuer Bildband mit rund 270 Fotografien dokumentiert die Zeit Salzburgs von 1945 bis 1955: Zum Staatsvertragsjubiläum präsentiert die Dr. Wilfried-Haslauer-Bibliothek (Salzburg) den Band mit erstmals publizierten Bildern aus den Fotobeständen der amerikanischen Streitkräfte (National Archives and Records Administration, College Park, Maryland, USA), ergänzt durch die Privataufnahmen des ehemaligen US-Offiziers Dominick Del Giudice.  
Der Fotofund in Amerika

Bombardierung Salzburgs (20.12.1944)
Im Rahmen der Mikrofilmung von Verwaltungsakten der amerikanischen Militärregierung durch die Landesarchive Salzburg und Oberösterreich fand sich unter den Akten ein umfangreicher Bestand von bisher unbekanntem Fotomaterial Salzburgs aus der Zeit von 1945-1955.

Insgesamt umfasst das Konvolut zu Stadt und Land Salzburg mehr als 1.100 Fotos, die im Salzburger Landesarchiv dokumentiert sind.
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Salzburger Landesarchiv
Michael-Pacher-Str. 40, A-5020 Salzburg, Tel.: 0662/8042/4521 oder 4527, 0662/8042/4661, E-Mail: landesarchiv@salzburg.gv.at
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Fotodokumentation der US-Truppen

Im Hintergrund werden gefangene Deutsch abgeführt; ihre Gewehre werden verbrannt.
Die Bilder beginnen mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Salzburg und geben einen eindrucksvollen Einblick in den Aufbau der Region.

Die Bildmotive dienen vorrangig der Dokumentation zum Wirken der amerikanischen Streitkräfte am infrastrukturellen und kulturellen Wiederaufbau sowie an der militärischen Kontrolle des Landes.
Gefilterte Ansichten

Schauprozess gegen 34 Angeklagte (11.1.1947)
Diese auch mit Bildlegenden ergänzten offiziellen Fotografien lassen gelegentlich eine beschönigende Sichtweise gegenüber dem Generalstab in Washington deutlich werden, stand doch das Wirken der Friedensbringer im Zentrum der Dokumentation, und dabei sollte durch bewusst gewählte Fotoperspektiven über so manche Zerstörungen hinweggetäuscht werden.

Signifikantes Beispiel ist das unten abgebildete Bild der Stadt Salzburg, auf dem gezeigt werden soll, dass kaum zivile Einrichtungen Salzburg zerstört wurden, wobei etwa der zerstörte Teil des Domes bewusst ausgeklammert wurde.
Ansicht Salzburgs
 


Abgebildet ist eine kaum zerstörte Stadt Salzburg
Die "falsche" Armee rückt in Salzburg ein
Während ursprünglich geplant war, dass eine für Österreich vorbereitete US-Armee-Einheit von Italien nach Norden vorstoßen sollte, kam diesem Ablauf die Auflösung der deutschen Verbände in Süddeutschland mit dem gegen Süden gelenkten Einmarsch der 6. US-Armee zuvor - ohne entsprechende Vorbereitung (Übergabe Salzburgs am 4.5.1945).

So betraten die Amerikaner Salzburg als Sieger (und nicht als Befreier) und wandten zunächst eine harte, restriktive Politik an, mit strikt eingehaltenem Fraternisierungsverbot.
Ein kritischer Artikel im Time-Magazin bringt die Wende

Mozartplatz mit GI (1945)
Die anfängliche starke Präsenz der Amerikaner in Salzburg bewirkte zahlreiche Übergriffe und Ausschreitungen wie Vergewaltigungen und Morde.

Dies wurde im Juni 1945 in einem sehr kritischen Artikel des Time Magazins thematisiert; noch am 29. Juni 1945 wurde die amerikanische Besatzungszone Deutschlands von derjenigen Österreichs getrennt.

Nun übernahm die für Österreich vorbereitete und aus Italien verlegte US-Einheit das Kommando. Damit trat jener Typus von Amerikaner auf, der im Kollektivbewusstsein das Bild des unkultivierten, aber freundlichen und spendablen GIs ergab.
Salzburg 1945: Status quo

Gestohlene Gemälde des KHM, aufgefunden am 8.5.1945 in St. Johann in Tirol
Die unmittelbaren Auswirkungen der amerikanischen Angriffe sind statistisch folgendermaßen erfasst: 7.600 Wohnungen zerstört, ca. 1.200 Wohnungen beschlagnahmt, 14.000 Obdachlose in der Landeshauptstadt, ein schlagartiges Anwachsen der Bevölkerung (1946 verzeichnet die Stadt Salzburg 100.000 Einwohner) durch "Volksdeutsche" aus dem Osten, "Optanten" aus Südtirol, Bombenflüchtlinge aus dem "Altreich" und vor den Russen fliehenden Ostösterreicher.

Hinzu kamen zahlreiche Nationalsozialisten, da Salzburg den "Ruf" des sicheren "Erholungsgaues" genoss.
Xenophobie

Besenverkäuferin (Photo: Del Giudice)
Der Zustrom ergab die größte Fremdendichte Österreichs im Land Salzburg. Im Mai 1945 befanden sich in der Stadt Salzburg 66.000 Flüchtlinge, darunter 11.000 "displaced persons" (Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, von den Nationalsozialisten Verfolgte), die in zwei Kasernen und 14 Barackenlagern untergebracht waren.

Mit steigender Verbrecherrate galten die "displaced persons" als Inbegriff des Kriminellen, waren zudem im Land unbeliebt, da sie von den Amerikanern bevorzugt mit Lebensmitteln versorgt wurden und der österreichischen Exekutive und Justiz entzogen waren.

Das prägende Bild der Stadt Salzburgs nach Kriegsende war das einer Barackenstadt.
Der Kalte Krieg eskaliert

Geschenkverteilung an Flüchtlingskinder (22.4.1952)
Die Besorgnis der Amerikaner über den wachsenden Einfluss Russlands in Europa und der drohenden Gefahr bei einem Abzug der amerikanischen Streitkräfte bewirkte 1947/48 eine Änderung der Politik.

Nicht mehr die Entnazifierung stand im Mittelpunkt, sondern die Eindämmung sowjetischer Einflüsse, mit massiver finanzieller Unterstützung, um das wirtschaftlichen Wachstum zu begünstigen - Salzburg wurde zum Inbegriff des "Goldenen Westens".

Zugleich begannen die Amerikaner einheimische militärische Einheiten (B-Gendarmerie) auszubilden.
Der GI als Zukunftshoffnung
Das Klischee des finanzstarken und spendablen Amerikaner (mit Markenzeichen Coca-Cola und Kaugummi) hatte nicht zuletzt auch einen Zuwachs von aus ganz Österreich herbeiströmenden Prostituierten zur Folge, alleine in der Stadt Salzburg waren es 3.000, so genannte "Camp followers" oder "Fräuleins".

Für einige verwirklichte sich der Traum vom amerikanischen Ehemann, doch sind auch 1.899 uneheliche Besatzungskinder registriert. Unmittelbare Auswirkung war eine Zunahme von Geschlechtskrankheiten, bis die amerikanischen Behörden mit strengen Vorschriften (u.a. Razzien durch die Militärpolizei) darauf reagierten.
Das Kulturleben

Gottfried von Einem bei der Uraufführung von "Dantons Tod" (6.8.1947)
Das angesprochene Klischee des eher naiven Amerikaners bestärkten Aktionen wie die Umwandlung des Festspielhauses in das Revuetheater Roxy oder die Aufführungen von Revuen im Salzburger Landestheater.

Freilich war ganz bewusst eine "Umerziehung" und Neuorientierung seitens der Amerikaner intendiert, unmittelbar durch die Printmedien und Radiosender.

Zugleich etablierten sich (auch als Form der "Jugendrevolte") Jazz- und Swing- sowie Big Band-Lokale. Die Salzburger Nachrichten zeichneten sich linientreu unter Chefredakteur Gustav A. Canaval als antikommunistisches Publikationsorgan aus.
Der Besatzungssoldat und Fotograf Dominick Del Giudice

Dominick Del Giudice
Im Mai 1945 kam Del Giudice, Sohn italienischer Einwanderer (1915-1999), mit den US-Truppen nach Salzburg und machte rund 8.000 Fotografien, 1946 beendete er sein Soldatenleben, arbeitete aber als Zivilist weiter für die Amerikaner im Rahmen ihrer Kultur- und Informationsaktivitäten.

1967 heiratete er eine Salzburgerin und quittierte den Armee-Dienst. Er nahm an mehreren Fotowettbewerben erfolgreich teil.

Das Salzburger Museum Carolino-Augusteum erhielt 2000 aus dem Nachlass rund 15.000 Aufnahmen.
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Müller in St. Gilgen (Photo Del Giudice)
Museum Carolino-Augusteum
Sonderausstellung
Salzburg 1945-1955 in US-amerikanischen Fotografien
"Als der Westen golden wurde"

Museumsplatz 1
14.5 bis 25.9.2005

Tel.: +43(0)662-620808-100
Fax: +43(0)662-620808-120
http://www.smca.at/
->   Sonderausstellung
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Ulrike Engelsberger, Robert Kriechbaumer (Hrsgg.)
Als der Westen golden wurde
Wien: Böhlau 2005, 270 Seiten
ISBN 3-205-77325-X
->   Mehr zum Buch
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Dr. Wilfried-Haslauer-Bibliothek
Forschungsinstitut für politisch-historische Studien
Griesgasse 17, 5020 Salzburg
Postfach 122, 5010 Salzburg
Tel. ++43 (0)662 846666
Fax: ++43 (0)662 841200
haslauer.bibliothek@sbg.ac.at
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