Christian Gastgeber
Österreichische Nationalbibliothek
BIBLOS-Redaktion und Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Byzanzforschung
 
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Bedeutender Atlas als Teilfaksimile neu erschienen  
  Ein Juwel der Karto- und Geographie liegt nun als Teilfaksimile vor, der elfbändige "Atlas Maior" von Joan Blaeu aus dem Jahre 1662 (1665). Die Reporduktion des "größten und prachvollsten Atlas, der jemals veröffentlicht wurde," ist im Taschen-Verlag erschienen. Im 17. Jahrhundert war er das erste Mal in Amsterdam erschienen.  
Das Faksimile

Der Atlas Blaeu gehört mit seinen elf Bänden und 594 Karten heute zu einer der prachtvollsten kartographischen Zimelien jeder Bibliothek. Zirka 129 Exemplare sind von seiner lateinischer Ausgabe weltweit erhalten geblieben.

Eine Reproduktion eines derartig extravaganten Werkes verlangt einen ebensolchen Verlag, den deutschen Taschen-Verlag, dem spätestens seit dem Vorjahr mit dem Buch "Goat. A Tribut to Mohammad Ali" in der monumentalten Größe von 50 x 50 cm mehrfache Einträge in das Guinesse-Buch der Rekorde aufgrund seiner einzigartigen Buchproduktion gewiss sind.

Von Benedikt Taschen vor gerade 25 Jahren mit revolutionären Ideen gegründet, hat der Taschen-Verlag den Buchmarkt wie kaum ein anderer mitgeprägt.
Die ersten Atlanten

Renaissance-Handschrift der Ptolemäus-Karten (Florenz, 1454) (ÖNB)
Den Beginn machte in der Antike der Grieche Claudius Ptolemäus (ca. 100-160 n. Chr.), dessen Karten in noch einigen späteren Abschriften seiner "Geographie" erhalten sind und vor allem in der Renaissancezeit eine Blütezeit erlebten.

Im 16. Jahrhundert etablierte sich in den niederländischen Hafenstädten Antwerpen und später Amsterdam die Atlantenproduktion, beginnend 1570 mit dem "Theatrum Orbis Terrarum" des Abraham Ortelius (1527-1598). Den Karten folgten auf der Rückseite erläuternde Beschreibungen.

Eine breitere Gruppe wurden wegen der hohen Kosten - das "Theatrum" von 53 Karten maß 35 x 50 Zentimeter - ab 1577 mit Taschenatlanten ("Spieghel der werelt") von Filips Galle und Peeter Heyns bedient.
Mercator und die Nachfolger

Teil der China-Kartei
Quellenkritisch setzte sich mit der Atlantenproduktion Gerhard Mercator (1512-1594; Leuven und Duisburg) auseinander; sein Lebenswerk, als fünfteilige Kosmographie geplant, blieb zum Teil unvollendet.

Sein Erbe traten auf der Grundlage seiner Kupferplatten die Amsterdamer Verleger Cornelis Claesz (1546/7-1609) und Jodocus Hondius (1563-1612) an. Ab 1605 erschienen Ausgaben der neuen Geographia, der Mercator-Hondius-Atlanten.

Eine Wende trat um 1630 mit zwei neuen Verlegern, Willem Janszoon Blaeu (ca. 1571-1638) und Johannes Janssonius (1596/7-1651), Hondius' Schwiegersohn, ein: Es entwickelten sich zwei Konkurrenzunternehmen, die einander im Umfang der Werke zu übertrumpfen suchten; um breitenwirksam zu arbeiten, erschienen auch volkssprachliche Ausgaben.
Die Verleger Blaeu auf dem Weg zum Atlas Maior

Joan Blaeu
Das Werk von Willem Janszoon Blaeu setze sein Sohn Joan (1598/99-1673) fort. 1665 erschien in Konkurrenzkampf mit Janssonius bzw. seinem Schwager Henricus Hondius der sechsteilige "Atlas novus", als Beginn eines umfangreicheren Projektes zur Beschreibung von Himmel, Erde und der Meere.

1662 erschien das Prachtwerk, der "Atlas maior sive cosmographia Blaviana", gefolgt von einer französischen und niederländischen Ausgabe; eine spanische Ausgabe blieb unvollendet, eine "richtige" deutsche war geplant. So schloss sich der Kreis von dem Ortelius-Atlas mit 53 Karten zu dieser Zimelie von rund 600 Karten. Die Familie Blaeu besorgte sich Karten zum Teil aus älteren Druckwerken bzw. von bereits erstellten Kupferplatte, z.T. bat man auch regional um kartographisches Material oder kopierte am Markt vorhandene Karten.
Daten zum Druck des Atlas Maior von Joan Blaeu

Wien im Atlas Blaeu
Das Setzen einer Textseite dauerte ca. acht Stunden. Die vier Editionen enthalten ca. 12.500 gesetzte Seiten, was ungefähr 10.000 Tagen Setzarbeit bei einem zehnstündigen Arbeitstag entspricht. In Summe sind damit fünf Setzer sechs Jahre (zu 2.000 Arbeitstagen) in Vollzeit eingesetzt.

Wegen der wiederholten Verwendung der Drucklettern wurden die Seiten für jede Neuauflage neu gesetzt. Der Druck selbst dauerte bei neun Pressen Blaeus' ca. 407 Tage. Etwa zehn Abzüge der Kupferplatten konnten in einer Stunde hergestellt werden, insgesamt waren es 950.000 Abzüge der verschiedenen Auflagen, 30.000 Abzüge konnten bei 300 Arbeitstagen jährlich pro Presse erzeugt werden.
Der Atlas Blaeu in der Sammlung Van Helm

Südamerika
Der Amsterdamer Patrizier, Advokat und Bibliophile Laurens van der Hem (1621-1678) stellte in den Jahren 1662 bis 1678 unter gewaltigem finanziellen Aufwand einen einzigartigen Sammelatlas zusammen, dessen Grundlage der elfbändige "Atlas Maior" des Joan Blaeu war.

Van Helm fügte dieser Ausgabe gedruckte Karten, Ansichten und Handzeichnungen bei und erweiterte den Blaeu-Atlas so auf etwa 2.400 Tafeln (Karten, Stadtpläne, Veduten, Genrezeichnungen, Schlachtenszenen, Bauwerke, Festlichkeiten, Triumphzüge, Porträts und Kostümabbildungen in aufwändig kolorierten Kupferstichen, Zeichnungen, Aquarellen und Gouachen).
UNESCO-Weltkulturerbe

Türkei und Persien
Prinz Eugen von Savoyen erwarb 1730 den Blaeu-Van-Helm-Atlas bei einer Auktion; das Prachwerk wurde von der Erbin, seiner Nichte Victoria von Sachsen-Hildburghausen, gemeinsam mit der Bibliotheca Eugeniana gegen eine Leibrente an Kaiser Karl VI. übergeben, der damit in dem von ihm neu errichteten Prunksaal der Hofbibliothek die heute noch im Mitteloval aufgestellte Bibliotheca Eugeniana bereicherte.

2004 wurde der Atlas Blaeu-Van Helm aus der Österreichische Nationalbibliothek auf die Liste "Memory of the World" der UNESCO gesetzt.
Österreich (Austria, Archiducatus) im Atlas Blaue
 


"Männer und Frauen von Stand kleideten sich seit den letzten Kriegen gerne nach französischer Weise, und selbst jene, die sich als Männer von Welt verstanden, trugen wenn immer möglich französische Mode; doch jene, die sich nach dem kaiserlichen Hof richten, sind aufgrund der Zuneigung des Kaisers zu Spanien gewöhnlich fast alle spanisch gekleidet."
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Das Faksimile im Taschen-Verlag
Atlas Maior
Van der Krogt, Dr. Peter / Österreichische Nationalbibliothek, Wien
Hardcover, 290 x 440 mm (11.4 x 17.3 in.), 626 pages
Dutch: 3-8228-4680-5 (October 2005)
English/French/German: 3-8228-3125-5 (August 2005)
Italian/Spanish/Portuguese: 3-8228-4155-2 (October 2005)
->   Präsentation
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Kongo und Angola
Kartensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek
Bereits im 16. Jahrhundert wurden an der Wiener Hofbibliothek Landkarten, Atlanten und Bücher geographischen Inhalts gesammelt. 1906 erfolgte die Gründung einer Spezialsammlung für Geographie, der heutigen Kartensammlung, der seit 1956 das einzige Globenmuseum der Welt angegliedert ist. Die Bestände der Sammlung umfassen gegenwärtig circa 260.000 Karten, 240.000 geographisch-topographische Ansichten, 380 Globen, 53 Reliefs und Festungsmodelle sowie etwa 67.000 Bände Fachliteratur und Atlanten.
->   Webside
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Globenmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek
Das weltweit einzige Globenmuseum verwahrt über 380 Globen und globusähnliche Instrumente wie Armillarsphären, Planetarien und Tellurien. Die Eröffnung des Museums, dessen Einrichtung auf Bemühungen Wiener Globenliebhaber zurückgeht, erfolgte 1956; jedoch lassen sich bereits seit dem 16. Jahrhundert an der damaligen Hofbibliothek Globen nachweisen. Das Hauptgewicht des Bestandes liegt bei den vor 1850 angefertigten Erd- und Himmelskugeln - als Leihgabe besitzt das Globenmuseum den ältesten in Österreich erhaltenen Erdglobus.

In diesem Herbst wird das Globenmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek im Palais Mollard, Herrengasse 9, in neuen adäquaten Räumlichkeiten eröffnet werden.
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