Christian Gastgeber
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ORF ON Science :  Christian Gastgeber :  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 
"Eine Brücke über den Riss der Zeit ..."  
  Eine Tagung des Instituts für Wissenschaft und Kunst in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung widmet sich dem Leben und Wirken der Journalistin und Schriftstellerin Hertha Pauli.  
Hertha Pauli: Die Wienerin

Von Susanne Blumesberger

Hertha Pauli, am 4.9.1906 in Wien geboren, wuchs im Villenviertel, in der "Cottage", auf. Sie war die Enkelin von Friedrich Schütz (1844-1908), Schriftsteller und Journalist, und von Bertha Schütz (1847-1916), Hofopernsängerin.

Hertha Paulis Vater Wolfgang Josef Pauli (1869-1955) war Arzt und Biochemiker an der Universität Wien, bis zu seiner Emigration in die Schweiz 1938 Vorstand des Institutes für medizinische Kolloidchemie.

Paulis Mutter Bertha Schütz (1878-1927) war in der Frauenbewegung aktiv und Journalistin der Neuen Freien Presse.

Prominentestes Mitglied der Familie war Hertha Paulis Bruder Wolfgang Pauli (1900-1958), Kernphysiker, der 1929 zusammen mit Werner Heisenberg die Quantenfeldtheorie schuf. Er erhielt 1945 den Nobelpreis.
Die "Halbchristin"
Obwohl ihre Familie zum Teil jüdischer Herkunft war, fühlte sich Hertha Pauli ihr ganzes Leben als "Halbchristin". Ihre Einstellung und ihr familiärer Hintergrund schützte sie jedoch nicht, in der Zeit des Nationalsozialismus diffamiert und verfolgt zu werden.
Die Schauspielerin
Sehr wichtig wurde schon bald das Theater. Dafür nahm sie Unstimmigkeiten in der Familie in Kauf und verließ vorzeitig die Schule - sie besuchte dasselbe Gymnasium in Döbling wie ihr Bruder. Ihre Mutter brachte sie daraufhin zu Hedwig Bleibtreu in der Hoffnung, dass diese ihr die Idee, Schauspielerin zu werden, ausreden sollte.

Hedwig Bleibtreu soll aber gesagt haben: "Frau Professor, da kann man nix machen. Sie ist fürs Theater geboren." Hertha Pauli nahm bei Hedwig Bleibtreu Schauspielunterricht und studierte das Fach Drama an der Wiener Kunstakademie.

1925 erhielt sie ihr erstes Engagement am Breslauer Lobe-Theater und debütierte als Julia. 1927 wurde sie von Max Reinhardt, der durch positive Theaterkritiken auf sie aufmerksam geworden war, nach Berlin geholt.
Hertha Pauli und die Männer
Zwei Jahre nach ihrer Hochzeit - 1929 heiratete sie den Schauspieler Carl Behr, 1932 ließ sich scheiden - lernte sie Ödön von Horváth kennen und verliebte sich in ihn.

Die Beziehung zwischen Pauli und Horváth war geprägt von unerwarteten Begegnungen, langen Wartezeiten und spontanen Aktionen und endete mit seinem tragischen Tod durch einen herabfallenden Ast an den Champs Elysées in Paris.

Mit Peter Hammerschlag, der 1942 in einem KZ ermordet wurde, stand sie in engen Kontakt und verfasste mit ihm mehrere Sketches für den "Lieben Augustin".

Mit Karl Frucht betrieb sie eine literarische Agentur, mit ihm flüchtete sie auch aus Österreich. Sie heiratete später ihren Übersetzer Ernst Bach, einen gebürtigen Münchner.
Die Emigrantin

Am 13. März 1938 floh sie über die Schweiz nach Paris, traf dort u.a. Karl Frucht wieder. Beide wurden Teil der Stammtischrunde um Joseph Roth (1894-1939). Nur sehr knapp entging sie 1939 in Clairac der Deportation in das Frauenlager Gurs. Die Situation schien hoffnungslos, ein am 9. Juni abgeschickter Hilferuf an Thomas Mann, der letze Hoffnungsschimmer.

Pauli floh am 13. Juni 1940 nach Südfrankreich. In Lourdes trafen sie mit Franz Werfel zusammen. Mit der Hilfe von Varian Fry und des Emergency Rescue Committee, das nach dem Hilferuf an Thomas Mann mit der Hilfe von Mrs. Roosevelt gegründet worden war, erhielte sie einen Schiffsplatz. In der Nacht vom 3. auf den 4. September verließ Hertha Pauli Lissabon und kam am 12. September in New Jersey an.
Die Schriftstellerin
Das Schreiben war für Pauli schon sehr früh eine wichtige Ausdrucksmöglichkeit. Als sie nach dem ersten Weltkrieg mit einem Kindertransport nach Dänemark geschickt wurde, begann sie Märchen von Hans Christian Andersen zu dramatisieren.

Später begann sie sich journalistisch zu betätigen. Mit Karl Frucht betrieb sie die "Österreichische Korrespondenz", eine literarische Agentur.

1936 erschien ihr erster Roman "Toni". Der zweite, der sich Bertha von Suttner widmete, wurde am 8.3.1938 in Deutschland auf die "Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums" gesetzt. Ab dem 11. Oktober 1940 erschien im "Aufbau" in vier Folgen ihr "Tagebuch einer Flucht". Ihre Biografie "Alfred Nobel. Dynamite King. Architect of Peace" hatte großen Erfolg.

Begegnung mit einem Amerikaner, der das Lied "Stille Nacht" für ein amerikanisches Volkslied gehalten hatte, führte dazu, dass sie die Geschichte des Liedes aufschrieb und für Kinder zu schreiben begann. Ihre Erinnerungen veröffentlichte sie 1970 unter dem Titel "Der Riß der Zeit geht durch mein Herz. Ein Erlebnisbuch."

Hertha Pauli starb am 9.2.1973 im Southside Hospital in Bay Shore auf Long Island.

[8.6.06]
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Die Tagung zum Gedenken an Hertha Pauli
Die Tagung soll nicht nur das facettenreiche Leben einer in mehreren Berufen erfolgreichen Frau behandeln, sondern vor allem den Aspekt der weiblichen Emigration herausgreifen. Ein wichtiger Themenpunkt wird auch das "literarische Netz", das sie sich geschaffen hat, sein.

Ort: Institut für Wissenschaft und Kunst, Berggasse 17, 1090 Wien, Tel. 317 43 42
Datum: 9.6.2006, ca. 10-17 Uhr

Konzeption: Mag. Dr. Susanne Blumesberger und Univ. Doz. Mag. Dr. Ernst Seibert
->   Zum Programm (IWK)
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biografiA

Das am Institut für Wissenschaft und Kunst laufende Modulprojekt des Großprojektes "biografiA" - "Die jüdischen Schriftstellerinnen in Österreich: Ihr Leben, ihr Schicksal und ihr Schaffen" hat es sich zur Aufgabe gemacht, auch unbekanntere Frauen wieder in das öffentliche Bewusstsein zurück zu holen.
->   biografiA
Kinder- und Jugendliteraturforschung
Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung (OEGKJLF)
->   OEGKJLF
->   Hertha Pauli im AEIOU
->   Hertha Pauli in ARIADNE
 
 
 
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