Christian Gastgeber
Österreichische Nationalbibliothek
BIBLOS-Redaktion und Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Byzanzforschung
 
ORF ON Science :  Christian Gastgeber :  Gesellschaft 
 
Sehen's das war einmal, aufregend und packend, dieses Leben
Theodor von Hornbostel in biographischen Streifzügen
 
  Eine aktuelle Biographie beschreibt das Leben eines beinahe Vergessenen, der Österreichs Außenpolitik Anfang des 20. Jahrhunderts mitgeprägt hat: der Diplomat und Politiker Theodor von Hornbostel.  
Familie Hornbostel

Theodor Friedrich Ritter von Hornbostel (1815-1888)
Die Genealogie der Hornbostels wird bis auf einen Vorfahren am Hofe Karls des Großen zurückgeführt. Ursprünglich in Celle bei Hannover angesiedelt, machte die Familie ab 1768 Wien zu ihrem Lebensmittelpunkt mit einer Seidenfabrik.

Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufstieg dokumentiert sich u.a. in den Positionen des Urgroßvaters Christian Georg (Mitbegründer der Nationalbank) und des Großvaters Theodor Friedrich (Handelsminister 1848; 1. Präsident der neu gegründeten Wiener Handelskammer; Mitbegründer der Creditanstalt; Aufnahme in den Ritterstand). Durch Theodor von Hornbostels kunstsinnige Mutter bestanden Kontakte zur Wiener Musikwelt und persönliche Beziehungen zu Chopin und Brahms.
Konsulat in Konstantinopel und Durazzo
Als Absolvent der Konsularakademie wurde er nach nur zwei Wochen als Freiwilliger beim Militär 1912 abberufen, da seine Dienste dringend in Konstantinopel gebraucht wurden und sich die Situation durch den Angriff der bulgarischen Armee zuspitzte.

Seine erste Tätigkeit im juristischen Dienste der Monarchie war die Inspektion der v.a. mit Gallizierinnen betriebenen Freudenhäuser. Es ging dabei weniger um sittenpolizeiliche Aufgaben als vielmehr um die Entscheidung von Klagen und Streitigkeiten.
Zwischenstation in Ioannina und Athen

Hornbostel in geheimer Mission in Griechenland
1913 wurde er nach Durazzo (Durres) abberufen - zur Zeit der Entstehung des neuen albanischen Staatengebildes. Die Etablierung des neuen Königs, des Prinzen Wilhelm zu Wied, 1914 war mit Auseinandersetzungen seitens der Islamisten gegen den christlichen Herrscher verbunden. Die Botschaft wurde durch das Vorrücken der Rebellen bald zu einer Schutzherberge umfunktioniert.

Ehe Hornbostel 1917 nach Wien zurückkam, wurde er nach dem Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand nach Joannina entsandt, um als militärischer Berichterstatter in den Zeiten der Wirren zu fungieren. Nach der Abdankung des griechischen Königs oblag ihm auch die Flucht der Gräfin Ypsilante von Athen nach Budapest.
Vermittlung von Musik-Kontakten nach Konstantinopel

Seine Aufenthalte in der Türkei sollte Hornbostels Leben nachhaltig prägen. So verfügte er weiterhin über gute Kontakte nach Konstantinopel.

Einige Briefe aus dem Nachlass des Komponisten und Musikprofessors Joseph Marx (1882-1964), heute in der Österreichischen Nationalbibliothek, zeigen u.a. die Vermittlungsdienste, die Hornbostel zum türkischen Konservatorium in Konstantinopel übernahm.

Ein Brief vom 27.8.1932 erläutert Marx' Lehrtätigkeit und behandelt finanzielle Fragen des Aufenthaltes. U.a. wird zur möglichen preiswerten Unterkunft seitens des Konservatoriums vermerkt: "Sollte sich am Ende - wie nie ausgeschlossen ist - diese Unterkunft doch als zu 'türkisch' und ihnen unbequem erweisen, so bleibt es Ihnen ja unbenommen, doch noch in das von Ihnen an Ort und Stelle ausgewählte Hotel zu übersiedeln."
->   Joseph Marx
->   Musikerbriefe der Österreichischen Nationalbibliothek
Zwischen den Weltkriegen
Nach Hornbostels Zuteilung zur deutsch-österreichischen Vertretung in Budapest 1919 und auf den Balkan 1926-1930 kehrte er wieder nach Wien zurück, wo er auch aufgrund seiner Kontakte im auswärtigen Dienst des Bundeskanzleramtes eingesetzt wurde. Dies geschah zu einer Zeit der immer stärkeren Bedrohung durch den Nationalsozialismus.

Diplomatische Beziehungen zu Deutschland (und auch zu Mussolini) bestimmten seine Tätigkeit. Die Situation spitzte sich mit Hitlers Machtergreifung am 30.1.1933 durch immer massivere Repressalien und Terrorakte auf österreichischem Boden zu.
Der Juli-Putsch 1934
Das Attentat auf Dollfuß am 25. Juli 1934 erlebte Hornbostel aus unmittelbarer Nähe. Seine persönlichen Eindrücke hielt er folgendermaßen fest:

"Während ich ... Gelegenheit hatte, die Eindringlinge zu mustern, beobachtete ich, dass die Leute meist ganz neue Überschwünge trugen, dass jene, die ein Gewehr schulterten, erst Achselrollen bei den wirklich entwaffneten Militärpersonen der Wache entliehen und an ihren Achselklappen befestigten, weiters, dass das Betragen der Leute in einem krassen Gegensatze zu dem disziplinierten und korrekten Verhalten unseres Bundesheeres stand (Rauchen während des Dienstes, nachlässiges Gehen und Stehen, Mangel an Subordinationsgeist gegenüber den vermeintlichen Offizieren). Hieraus schloss ich bald, dass es sich um eine travestierte Bande handelte ..."
Charakterisierung von Dollfuß und Schuschnigg
"Schuschnigg ist überhaupt kein Mann der großen Geselligkeit und der Äußerlichkeiten, das ist ihm alles grässlich. Während Dollfuß wie ein braves und schlimmes Kind sofort für alles zu haben war. Dementsprechend sein phantastisches Strahlvermögen."

"... In der Amtsführung unterschieden sich Dollfuß und Schuschnigg dadurch, dass Dollfuß von einem Beamten keine Ahnung hatte, Schuschnigg jedoch sich als Intellektueller, Gelehrter und Advokat betrachtete. Seine Amtsführung war daher klar und verwaltungsrichtig. Bei Dollfuß konnte es passieren, dass binnen einer halben Stunde zwei einander widersprechende Weisungen herauskamen. 'Joi, da habe ich einen Blödsinn gemacht.' So etwas wäre bei Schuschnigg undenkbar gewesen."
1938-1945
Der Versuch, einen Vormarsch Hitlers im entscheidenden Moment mit Mussolinis Hilfe zu stoppen, schlug fehl: "Im kritischen Augenblick aber zogen Mussolini und Ciano [ital. Außenminister] es vor, sich unseren dringenden Anrufen gegenüber zu verleugnen zu lassen und uns, wie auch die Westmächten, die auf unser Ersuchen bereits zu einem gemeinsamen Schritt zu Dritt gegen Hitler bereit waren, mit der lakonischen Antwort durch einen Beamten ... abfertigen zu lassen ...".

Am 11.3.1938 wurde Hornbostel von der SS festgenommen, am 1.4. im "Prominententransport" nach Dachau gebracht. 1943 wurde er entlassen, mit der Auflage, sich eine Arbeit im Altreich zu suchen. Diese fand er letztlich im IG-Farben-Konzern in Rathenow. Nach dem russischen Einmarsch konnte er am 26.9.1945 die Heimreise nach Gmunden antreten.
Rückzug aus der Politik - Engagement für den Donauraum
Nicht zuletzt wegen der bevorstehenden Auseinandersetzungen mit der Dollfuß- und Schuschnigg-Ära entschied sich Hornbostel 1946 für den Rückzug aus der Politik und wurde in den Ruhestand gesetzt. Zu dieser Zeit begann er die pan-europäischen Ideen von Graf Richard Coudenhove-Kalergi (dargelegt in seinem 1923 erschienen Buch "Pan-Europa") aufzugreifen.

Dieses Konzept wurde gerade von Churchill gefördert, der zu den "Vereinigten Staaten von Europa" aufrief. Hornbostel konzentrierte seine Interessen vor allem auf den Donauraum und engagierte sich in dem neu gegründeten "Forschungsinstitut für den Donauraum (FID)", das nach einer sehr wechselvollen Geschichte bis heute als "Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM)" existiert.

[16.1.07]
->   Institut für den Donauraum und Mitteleuropa
...

Info zum Buch
Christian DÖRNER, Barbara DÖRNER-FAZENY
Theodor von Hornbostel 1889-1973

Wien: Böhlau 2006.
198 Seiten, 6 s/w-Abb.
->   Buchdaten
...
Weiterführende Literatur:
Heinrich BERGER WALDENEGG, Egon BERGER WALDENEGG
Biographie im Spiegel
Die Memoiren zweier Generationen
Wien: Böhlau 1998
->   Buchdaten
Anita ZIEGERHOFER-PRETTENTHALER
Botschafter Europas
Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi und die Paneuropa-Bewegung in den zwanziger und dreißiger Jahren
Wien: Böhlau 2004
->   Buchdaten
 
 
 
ORF ON Science :  Christian Gastgeber :  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick