Christian Gastgeber
Österreichische Nationalbibliothek
BIBLOS-Redaktion und Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Byzanzforschung
 
ORF ON Science :  Christian Gastgeber :  Wissen und Bildung 
 
Kopie und Fälschung
Eine Sonderausstellung des Papyrusmuseums der Österreichischen Nationalbibliothek
 
  Das weltgrößte Papyrusmuseum widmet den (Ver-)Fälschungen des griechischsprachigen Kulturraums von der Antike bis zur Gegenwart eine eigene Ausstellung und warnt dabei die Besucher vor mehr oder weniger sensationellen Antiquitäten  
Fälschung auf Papyri, Pergament und Papier
 


Unter den rund 180.000 Objekten der Papyrussammlung befinden sich rund 1000 Papyri, Pergamente und Papiere, dazu reihen sich rund 20 Ostraka. Zumeist wurde der antike Beschreibstoff gewählt, um Nachahmungen von koptischen, griechischen oder arabischen Buchstaben darauf zu zeichnen; damit erhöhte sich natürlich der Wert.
Unter den Kuriositäten der Fälschungen befindet sich u. a. ein Palmblatt, auf dem ägyptische Hieroglyphen nachgeahmt sind.
(Fachreferent: Dr. Ulrike Horak, Österreichische Nationalbibliothek)
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Nachfrage bedingte Fälschungen
Als die Nachfrage nach Papyri Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts besonders groß wurde, waren zum Kauf angebotene Papyruskonvolute zahlreich von Fälschungen durchsetzt und wurden so in den ehrwürdigen Sammlungen miterworben. Manchmal handelt es sich dabei auch um echte Schriftreste auf Papyrusstücke, die alleine allerdings auf dem Markt keinen guten Preis erzielt hätten.
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Gefälschte und verfälschte antike Stoffe aus Ägypten
Die Praxis, gefälschte Stoffe zu erzeugen, dürfte erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts aufgekommen sein, als der Antiquitätenhandel mit Ägypten zum Erliegen kam. Verfälscht wurden Stoffe hingegen, indem man verschiedene Stoffstücke für den Touristen zu einem schöneren Objekt zusammenfügte und damit auch wieder einen besseren Preis erzielen konnte.

(Fachreferent: Dr. Ulrike Horak, Österreichische Nationalbibliothek)
Verfälschter antiker Stoff
 


Das abgebildete Stoffstück präsentiert sich als Streifenpuzzle.
Die "Fälschungen" der frühen Christen: apokryphe Literatur
Das Faijum-Fragment. Nichtkanonisches Evangelium?
Die Pseudepigraphien der frühen Christen haben eine lange Tradition, und die apokryphe Tradition hat sich fest in der christlichen Kultur verankert wie etwa die Geburt in der Krippe mit Ochs und Esel. Hinter diesen falschen Zuschreibungen mag die Absicht stecken, dem Text eine stärkere Autoriät zu verleihen (durch den Namen eines Apostels als Verfassers), oder schlicht die Ansicht, daß die von einem Schüler verfaßten Schriften, als Werke dessen Lehrer galten.
(Fachreferent: Dr. Hans Förster, Österreichische Nationalbibliothek)
Bücher in Kopien überliefert: der Paradefall die Bibel
Fragment des Chester Beatty-Papyrus
Als ein Beispiel aus der reichen Buchtradition antiker Texte wurde die Bibel ausgewählt, da die Tradition in der Kopie auch anhand der Papyri der Nationalbibliothek gut demonstriert werden kann. Mit knapp 5700 Handschriftenfunden ist es wohl das bestbezeugte Buch der Antike.
Links abgebildet ist ein Fragment aus Matthäus 25, 41-26, 39, aus dem in Wien (P.Vindob. G 31974) aufbewahrten Fragment des Chester Beatty-Papyrus aus dem 3. Jh. n. Chr.
(Fachrefernt: Dr. Jutta Henner, Österreichische Bibelgesellschaft)
Siegel in Kopie und Fälschung
Gefälschtes Siegel
Gefälschte Siegel tauchen in den letzten beiden Jahrzehnten verstärkt auf dem Markt auf. Heute kann die Wissenschaft anhand einiger Kriterien wie der Form des Kanals, der Patina und vor allem des Stils Fälschungen erkennen. Gelegentlich lassen sich Fälscher überhaupt neue Typen einfallen, die mitunter kompositorisch unterschiedliche Elemente verbinden.
(Fachrefernt: Dr. Alexandra-Kyriaki Wassiliou, Österreichische Akademie der Wissenschaften)
Der Fälscher Konstantinos Simonides (1820-1867)
Fälschung des Konstantinos Simonides
Einer der begabtesten Fälscher griechischer Texte war Konstantinos Simonides, der die Wissenschaft nicht nur einmal narrte. Immer wieder bot er neben echten Handschriften auch selbstgemachte Fälschungen an, die täuschend ähnlich waren. Die Österreichische Nationalbibliothek bewahrt unter ihren griechischen Handschriften ein Doppelblatt des als Palimpsest produzierten "Hirt des Hermas"
Die Dreistheit eines Fälschers
 
Gefälschter Matthaius-Papyrus

Zwei Fälle aus der Tätigkeit des Konstantinos Simonides verdienen besonders hervorgegriffen zu werden.
1860 findet er bei der Entzifferung von Papyri in Liverpool eine Sensation: einen zeitgleichen Matthaius-Papyrus, der angeblich im 15. Jahr nach der Himmelfahrt Christi auf Geheiß des Apostels geschrieben sein soll.

 
Codex Sinaiticus

1862 behauptet Simonides der Verfasser eines der ältesten Bibelcodex, des Codex Sinaiticus, zu sein, den der Theologe Konstantin von Tischendorf auf dem Berg Sinai gefunden hat. In der Folge bricht ein Wissenschaftlerstreit aus. Simonides behauptete, den Codex für den Zaren Nikolaus I. von Rußland geschrieben zu haben und brachte dafür eine Reihe von Beweisen vor.
Moderne Kopisten
 
Faksimile des Etschmiadzin-Codex

Unter den Kopisten präsentiert sich schließlich noch der Weltmarkenführer in der Herstellung von Faksimiles, die Grazer Akademische Druck- und Verlagsanstalt, die durch die ihre 1:1-Faksimiles des Wiener Dioskurides und des Etschmiadzin-Codex Weltruhm erlangt hat. Ausgestellt werden die schönsten Faksimiles der Druck- und Verlagsanstalt.
(Fachreferent: Mag. Alexander Wilhelm, ADEVA)
Ausstellungsdaten
Die Eröffnung der Ausstellung findet am 19. Juli 2001 im Foyer der Nationalbibliothek (Heldenplatz) und im Papyrusmuseum statt (Beginn 19.00).
Die Ausstellung ist vom 20. 7. bis 26. 10. 2001 geöffnet (Öffnungszeiten des Papyrusmuseums der Österreichischen Nationalbibliothek).
Ein Katalog zur Ausstellung beschreibt alle Objekte und führt in die verschiedenen Thematiken ein.
Am 13. 9, 27. 9. und 11. 10 finden Spezialvorträge zu den Themenkreisen der Ausstellung in der Österreichischen Nationalbibliothek unter dem Motto "die abenteuerliche Welt der Kopisten und Fälscher" statt.
->   Akademische Druck- u. Verlagsanstalt Graz/Austria
->   Kopie und Fälschung - Sonderausstellung
des Papyrusmuseums
 
 
 
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