Christian Gastgeber
Österreichische Nationalbibliothek
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Die Trierer Apokalypse
Ein Prunkstück der Buchkunst liegt als Handschriftendokumentation vor
 
  Ein Kunstjuwel der karolingischen Buchkunst ist nun einer breiten Öffentlichkeit in einer Handschriftendokumentation der Grazer Akademischen Druck und Verlagsanstalt (ADEVA) zugänglich. Es handelt sich bei der Trierer Apokalypse (Trier Stadtbibliothek, Ms. 31) um eine Pergamenthandschrift des beginnenden 9. Jahrhunderts, die vermutlich in Nordfrankreich geschrieben und illustriert wurde. Sämtliche aus der Apokalypse darstellbaren Szenen sind in einer Bilderfolge immer unmittelbar rechts (abgesehen vom Anfang) neben dem Text (auf dem sogenannten Recto) abgebildet.  
Einer der frühesten Apokalypsen-Zyklen

Gemeinsam mit einer weiteren illustrierten Apokalypse in der Bibliothèque Municipale von Valenciennes (Ms. 99) aus dem 9. Jahrhundert gehört die Trierer Apokalypse zu den ältesten Darstellungen des Apokalypsen-Zyklus. Beide Handschriften sind jedoch unabhängig voneinander entstanden.
Ausschnitte aus der Trierer Apokalypse
 


folio 38 Recto und 39 Recto: Sturz des Drachen und seiner Engel; Flucht des Weibes vor dem Drachen

 


Karolingische Einflüsse auf die Handschrift

folio 63 recto: Die himmlische Heerschar, der Engel in der Sonne und die Vögel des Himmels
An dieser Handschrift läßt sich sehr schön der für die karolingische Zeit so typische Rückgriff auf die (Spät)Antike zeigen, mit teilweisen zeitlichen Einflüssen. Gelegentlich werden anachronistisch anmutende Sachverhalte von dem Illustrator durch Zeitgenössisches ersetzt, so etwa in der Präsentation fränkischer Kleidung oder Rüstung der Zeit.
Rückgriff auf die Antike

folio 60 recto: Klage über den Fall Babylons; Lobpreis im Himmel
Geradezu zur kunstgeschichtlichen Archäologie verleitet der Codex durch seine ständige Übernahme (spät)antiker Motive: So wird auch hier, wie bei dem Rückgriff auf antike Vorlagen immer wieder zu beobachten ist, das Buch noch in der Form der Rolle dargestellt, nicht in der uns vertrauten Buchform; die Winde sind personifiziert mit Kopfflügel dargestellt, die häufig in mittelalterlichen Handschriften zu Hörnern mißverstanden wurden.Der schmerzhafte Ausdruck im Gesicht hat ein Pendant in antiken Theatermasken der Tragödie.
Antiker Einfluß
 


folio 21 recto: Die vier Engel mit den vier Winden (als nackte Halbfiguren mit Kopfflügel)
Die ¿Wanderung¿ der Handschrift

Im 9. Jh. in Nordfrankreich entstanden findet sich die Trierer Apokalypse um die Mitte des 11. Jahrhunderts im Trierer St. Eucharius-Kloster. Mit der Säkularisierung des Klosters kommt die Handschrift 1802 in die Bibliothek der Zentralschule Trier, hier lagerte sie, wurde auch Besuchern gezeigt, bis im Zuge des 2. Weltkrieges 1939 die wertvollsten Handschriften, darunter die Trierer Apokalypse, in die Universitätsbibliothek Gießen gebraucht wurden, von wo sie u. a. auch 1944 in einen Felsstollen in Trier-Pallien ausgelagert wurde. Am 15. Mai 1945 wurde die Handschrift nach Trier zurückgebracht, nachdem die Handschrift zuvor wie durch Wunder eine Angriffswelle unbeschadet überstanden hat.
Besitzvermerk des St. Eucharius-Klosters mit Fluchformel
 


Codex sancti Eucharius primi Trevirorum archiepiscopi. Si quis eum abstulerit, anathema sit. amen.
Die Handschriftendokumentation ist soeben in der Grazer Akademischen Druck- und Verlagsanstalt in der Reihe der Glanzlichter der Buchkunst als Nr. 10 erschienen (Kommentar von Peter K. Klein. Mit Beiträgen von Richard Laufner und Gunther Franz).
->   Akademische Druck- und Verlagsanstalt Graz
Weitere Informationen zur Stadtbibliothek Trier
->   http://www.trierer-buecher.de/stadtbib/index.html
 
 
 
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