Christian Gastgeber
Österreichische Nationalbibliothek
BIBLOS-Redaktion und Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Byzanzforschung
 
ORF ON Science :  Christian Gastgeber :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Der Dresdner Sachsenspiegel
Ein Juwel der mittelalterlichen Buchkunst restauriert und faksimiliert
 
  Dieser Tage wird die Faksimileausgabe des Dresdner Sachsenspiegels präsentiert. Damit ist ein handschriftliches Prachtstück erstmals einem breiten Publikum zugänglich. Die Faksimilereproduktion der Akademischen Druck und Verlagsanstalt gibt detailgetreu das Original mit jeder einzelnen Blattbeschneidung des Codex und Goldfarbeeinlagen wieder.  
ff. 47v-48r: Ausschnitt aus dem Dresdner Sachsenspiegel
 


In einzelnen Bildstreifen werden Passagen aus dem Text illustriert, etwa (links, oben): Der König muss ein an ihn zurückgefallenes Fahnenlehen binnen Jahr und Tag wieder ausreichen; oder (rechts unten): Kaiser und Papst wirken als höchste Gerichtsherren der geistlichen und weltlichen Gerichtsbarkeit zusammen.
Der Sachsenspiegel: zwischen 1220 und 1235 entstanden

Burg Falkenstein
Der um 1180 bei Dessau geborene Eike von Repgow verfasste in den Jahren 1220 und 1235 eine Sammlung des Gewohnheitsrechtes, wie sie durch Gerichtsgebrauch überliefert waren.

Die Niederschrift fertige Eike von Repgow im Auftrag des Grafen Hoyer von Falkenstein an. Sie war ursprünglich in lateinischer Sprache geschrieben (nicht mehr erhalten) und wurde von Eike von Repgow ins Deutsche übersetzt.
Anlass zur Aufzeichnung des Gewohnheitsrechtes
Eike von Repgow war selbst mehrmals Gerichtszeuge und Berater mehrerer Fürsten. Über die Veranlassung zur schriftlichen Fixierung kann vermutet werden, dass er im Zuge der Streitigkeiten zwischen Staufern und Welfen und im Hinblick auf die deutsche Kolonisation östlich von Elbe und Saale einen Beitrag zum Rechtsfrieden liefern wollte.
f. 3v: Ausschnitt aus dem Dresdner Sachsenspiegel
 


Eike von Repgow (links) vor den beiden Kaisern Konstantin dem Großen und Karl dem Großen.
Inhalt des Sachsenspiegels
Die große Bedeutung dieses Buch liegt in der Erfassung der Rechtsverhältnisse der verschiedensten Personengruppen wie Bauern, Geistliche, Fürsten und Ritter.

Der Sachsenspiegel besteht aus drei Teilen: den Vorreden, dem Landrecht (drei Bücher mit 71, 72 und 91 Artikel; darin alle Bereiche, die den Besitz von Land, Erbfolge, rechtlichen Bestimmungen zur Ehe sowie das Straf- und Gerichtsverfassungsrecht betreffen) und dem Lehnrecht (78 Artikel; darin die Heerschildordnung und das Lehnsgericht).

Thematisch werden folgende Rechtsbereiche behandelt: Verfassungsrecht, Gerichtsverfassung, Lehnrecht, Strafrecht und Strafverfahren, Familien- und Erbrecht, Dorf- und Nachbarrecht.
Wirkung des Sachsenspiegels
Der Sachsenspiegel hatte in der Folge eine ungeheure Wirkung, das bezeugen nicht nur mehr als 400 Handschriften und Fragmente, sondern auch die Vorbildfunktion für weitere Rechtsbücher (Augsburger Sachsenspiegel, Deutschenspiegel, Schwabenspiegel) und die starke Wirkung im osteuropäischen Raum (etwa viele polnische Drucke im 16. Jh.).
f. 49v: Ausschnitt aus dem Dresdner Sachsenspiegel
 


Das Gericht hat die Zerstörung einer (unerlaubt errichteten) Brug verfügt. Der Richter führt den ersten Schlag mit einem Beil aus. Der Türmer mit Blashorn macht diesen Umstand öffentlich. Danach führen zwei Männer mit Hacken den tatsächlichen Abriss der Burg durch.
Die Bilderhandschriften des Sachsenspiegels

Vier Prachthandschriften haben sich unter den zahlreichen Handschriften erhalten: der künstlerisch wertvollste der Dresdner Sachsenspiegel, der Heidelberger Sachsenspiegel (um 1300) mit 310 Bilderstreifen, der Wolfenbütteler Sachsenspiegel (um 1365) mit 776 Bildstreifen und der Oldenburger Sachsenspiegel (1336) mit 578 Bilderstreifen.

Nach der Faksimilierung des Oldenburger Sachsenspiegels liegt nun mit dem Dresdner Sachsenspiegel ein weiteres Juwel der Buchkunst einem breitem Publikum zur Betrachtung und zur Forschung in einem 1:1-Faksimile von der Grazer Akademischen Druck- und Verlagsanstalt zur Verfügung.

Das Dresdner Exemplar enthält auf 92 Blätter 924 Bildstreifen, die Szenen aus dem Alltag und der Anwendung des Rechts optisch aufbereiten. Diese Abschrift wurde wahrscheinlich zwischen um 1350 in Meissen angefertigt, wohl im Auftrag des Markgrafen Friedrich III., "des Strengen" (1349-1381).
Beinahe ein Opfer des 2. Weltkrieges
Als Juwel der Buchkunst und auch für die praktische Anwendung wurde der Dresdner Sachsenspiegel gehütet. Und so lagerte man die Handschrift auch gegen Ende des 2. Weltkrieges im Keller des Japanischen Gartens (dem damaligen Sitz der Sächsichen Landesbibliothek).

Wiewohl der Codex den verheerenden Bombenangriff auf Dresden am 13. 2. 1945 überstand, war in den Keller aufgrund von Mauerrissen Wasser eingedrungen.

Als die Bibliothekare am 17. 3. 1945 das Juwel herausholen wollten, stand die Schränke mit den geretteten Handschriftenschätzen im Wasser. Die Folgen für die Prunkhandschrift: Verluste der Kolorierung und Verformungen des Pergaments.
Herstellung des Faksimile
 


Mittels moderner Computertechnik wird jede einzelne gescannte Seite akribisch nachbearbeitet, um höchstmögliche Originaltreue zu erreichen.
->   Akademische Druck- und Verlagsanstalt Graz
->   Sächsische Landesbibliothek ¿ Staats- und Universitätbibliothek Dresden
 
 
 
ORF ON Science :  Christian Gastgeber :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick