Christian Gastgeber
Österreichische Nationalbibliothek
BIBLOS-Redaktion und Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Byzanzforschung
 
ORF ON Science :  Christian Gastgeber :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Tod am Nil. Totenkult im antiken Ägypten
Eine Ausstellung des Papyrusmuseums der Österreichischen Nationalbibliothek
 
  Das Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek gibt einen Einblick in den alltäglichen Umgang mit dem Tod in Ägypten über einen Zeitraum von mehr als 2000 Jahren. Dazu werden Zimelien der eigenen Sammlung wie das Totenbuch des Sesostris aus dem 15. Jahrhundert v. Ch. oder in ihrer Farbenpracht noch immer beindruckende Totenmasken ebenso gezeigt wie noch nie ausgestellte Leihgaben aus Privatbesitz.  

 


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Die Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek
Diese Sammlung geht auf die private Sammlung Papyrus Erzherzog Rainer, 1883 gegründet, zurück. Am 18.08.1899 gelangte sie als Geschenk an den Kaiser Franz Joseph, der sie als Spezialsammlung der k.k. Hofbibliothek zuwies. Etwa 95 % des gegenwärtigen Bestandes gehen auf Erzherzog Rainer zurück.
Sie ist mit etwa 180.000 Objekten die größte Sammlung der Welt. Fast das gesamte Material kommt aus Ägypten und geht auf die Erwerbungstätigkeiten des Wiener Antiquitätenhändlers Theodor Graf Ende des vorigen Jahrhunderts zurück.
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Text und Alltagsgegenstände ergänzen einander

Totenmaske, 1. Jh. n. Chr.
Entsprechend dem Museumskonzept der erläuternden Präsentation des Textes auf Papyrus, Ostraka und Pergament durch Objekte des Alltags werden die Themenschwerpunkte Mumifizierung und Grabausstattung wie auch die Bestattung selbst und das anschließende Totengedenken anhand von schriftlichen Dokumenten und Gegenstände des Totenkultes illustriert.
Papyri als Vermittler des ägyptischen Alltags

Totenbuch der Taruma, 2. Jh. v. Chr.
Abseits von Objekten, die gemeiniglich mit dem Totenkult in Ägypten sofort assoziiert werden, ergibt sich hier ein sehr eindrucksvoller Einblick in den alltäglichen Umgang; dazu bieten die als ¿Abfallprodukte¿ eher zufällig erhaltenen Papyri eine unverzichtbare Ergänzung zu den archäologischen Funden.
Bestattungskosten (2./3. Jh. n. Chr.)

Das demonstriert sehr eindrucksvoll ein ästhetisch nicht gerade ansprechender Papyrus von 13 cm Höhe und 42 cm Breite in einer sehr flinken Gebrauchsschrift. Das Stück (s. Detail in Abb.) aus dem 2./3. Jahrhundert n. Chr. enthält eine für die Wirtschaftsgeschichte und das kulturelle Umfeld einzigartige Auflistung aller Kosten einer Bestattung bis hin zu den Klagefrauen und den Transportkosten für einen Esel - ein Paradefall eines schriftlichen Dokuments, das die archäologische Forschung auch durch die Nennung sämtlicher organischer Stoffe für die ¿Zubereitung der Toten¿ ergänzt.
Grabinspektion (1159 v. Chr.)

Ein ästhetisch nicht weiters anspruchsvolles Ostrakon, d. h. eine Tonscherbe, von 30 cm Höhe und 25 cm Breite aus dem Jahre 1159 v. Chr. (s. Abb.) enthält einen Inspektionsbericht eines zerstörten Grabes, in der nicht nur sämtliche Objekte dieses Grabes aufgelistet werden, sondern auch die dienstführenden Beamten genau genannt werden - ein weiterer Glücksfund für die Archäologie mit einer über 3000 Jahre alten Grabinspektion.
Totengräber, Mumienmaskenmaler

Lohn für Totengräber
Durch die oft unscheinbaren Papyrusfetzchen wird auch die Berufsgruppe der Totengräber etwas greifbarer, die in literarischen Quellen kaum Eingang gefunden haben. Dies erhellen etwa eine Lohnabrechung für einen Totengräber von ca. 220 v. Chr. oder eine Hausstandsmeldung aus dem Jahre 175 n. Chr. aus einer ¿Totengräberfamilie¿; aber auch der sonst nicht belegte Maler von Mumienmasken (abgesehen von seinen Produkten) wird durch einen Wiener Papyrus aus dem 2. Jh. v. Chr. als Person fassbar.
Vom pharaonischen Ägypten bis in arabische Zeit

Mumienporträt, 3. Jh. n. Chr.
Historisch-kulturgeschichtlich wird ein reizvoller Streifzug von der Antike mit dem ältesten Dokument aus dem 15. Jh. v. Chr. über die hellenistische Zeit in das byzantinische Ägypten, mit dem Ende des Heidentums und dem Sieg des Christentums bis in die arabische Zeit geboten. Die parallele Präsentation von Objekten aus diesen verschiedenen Kulturen zeigt sehr schön Traditionslinien auf.
Christentum und Traditionalimus

Grabstele, 5. Jh. n. Chr.
Das Christentum konnte sich letztlich trotz seiner Ausrichtung auf die Wiederauferstehung der Toten nicht dem traditionellen Totenzeremoniell verschließen, wie sehr auch die Kirchenväter immer wieder in Predigten und Traktaten auf das zukünftige Himmelsreich hinwiesen und den Totenkult als dem Diesseits verhaftet verurteilten. Die Situation ändert sich nicht zuletzt auch dadurch, dass das Christentum als akzeptierte und staatliche geförderte Religion im 4. Jahrhundert ihr Märtyrerdasein aufgeben musste. Der Tod als Erlösung aus der ¿irdischen Welt der Heiden¿ verlor damit seine Grundlage.
Tradition in heidnisch, christlicher und arabischer Kultur

Kalifengräber, 1903
Schriftliche Dokumente ebenso wie Grabstellen der Ausstellung belegen recht deutlich, wie das Christentum literarische Topoi oder Grabausstattungen aus dem Heidentum übernahm, während wiederum arabische Kondolenzschreiben - wären nicht die Anspielungen auf den Koran eindeutig - genauso gut von einem Christen geschrieben sein könnten.
Tod im Volkslied

Totenkult und Totengedenken spannt einen roten Faden über alle Kulturen, der sich auch in die Gegenwart fortsetzt; das Papyrusmuseum zeigt diese Tradition bis in die Neuzeit in Kooperation mit dem Österreichischen VolksLiedWerk und dem Volkskundemuseum anhand von Liedtexten aus dem ländlichen Bereich wie durch entsprechende Objekte.
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Das Österreichische VolksLiedWerk
Das Österreichische Volksliedwerk ist eine 1904 gegründete Institution zur Sammlung, Forschung, Dokumentation und Pflege von Volkslied, Volksmusik, Volkstanz und Volkspoesie.
Der Gründungsauftrag - die Gesamtausgabe der Volksmusik in Österreich - konnte 1993 mit dem ersten Band der Reihe "Corpus Musicae Popularis Austriacae" (COMPA) in Angriff genommen werden. Mit der Beschreibung und Auswertung historischer Quellen sowie der Dokumentation volksmusikalischer Erscheinungen unserer Tage werden die traditionelle Musik spezifischer Regionen sowie einzelne musikalische Gattungen in entsprechenden Bänden vorgelegt. Jeder Band wird vom Volksliedwerk eines Bundeslandes getragen, das die archivierten Belege mit aktuellen Forschungsergebnissen ergänzt.
->   Österreichisches VolksLiedWerk
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Volkskundemuseum
Auswahl und Zusammenstellung der Exponate sowie die Gestaltung der Schauräume wollen den Blick hinter die Ausstellungsstücke, auf ihre lebensgeschichtlichen Zusammenhänge lenken. Die Objekte populären Schaffens - größtenteils aus dem 17. bis 19. Jahrhundert - erzählen von der Kultur des Alltags, vom Bauen und Wohnen, von den Dingen des täglichen Bedarfs, von Arbeit und Glauben, von Armut und ländlichem Stolz.
Möbel, Hausrat, Textilien, Keramik, Arbeitsgeräte, zwei in die Museumsräumlichkeiten eingebaute Stuben, religiöse Gegenstände und einzigartige Objekte der Volkskunst erschließen soziale und kulturelle Bedeutungen und Zusammenhänge, die über das Bekannte oder Sichtbare hinausgehen.
->   Volkskundemuseum
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Gegenwartsbezug

Der neuzeitliche Totenkult speziell im österreichischen Raum mit Schwerpunkt Wien wird ergänzend von dem Bestattungsmuseum der Bestattung Wien GmbH in einer Dauerausstellung gezeigt. Die bis in die Antike zurückverfolgbaren Traditionslinien können auch hier anhand eindrucksvoller Objekte wiederentdeckt werden.
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Das Wiener Bestattungsmuseum
Das Wiener Bestattungsmuseum wurde anlässlich des 60-jährigen Bestehens der Bestattung Wien im Jahr 1967 gegründet.
Schwerpunkt, der auf einer Fläche von rund 300 Quadratmetern präsentierten Sammlung, ist die Geschichte des österreichischen Friedhofs- und Bestattungswesens.
Einschlägige Kataloge und Ansichtskarten werden zum Kauf angeboten. Spezielle Informationen zum Wiener Bestattungswesen bietet die gut sortierte Museumsbibliothek mit fast 3.000 Bänden, sowie ein umfangreiches Archiv.
->   Wiener Bestattungsmuseum
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Information zur Ausstellung
Totenkult im antiken Ägypten.
Eine Ausstellung des Papyrusmuseums der ÖNB
bis 5. März 2004
Heldenplatz, 1010 Wien

Öffnungszeiten vom 1. Oktober - 30. Juni
Mo, Mi - Fr 10.00 - 17.00
Öffnungszeiten vom 1. Juli - 30. September
Mo, Mi - Fr 10.00 - 16.00

Führungen nach Vereinbarung

Kontakt und Information: Mag. Harald Froschauer
Email: harald.froschauer@onb.ac.at
Tel.: 53410-427; Fax: 53410-395

Zu der Ausstellung erschien ein Katalog, der den Totenkult nach den im einzelnen präsentierten Kulturen Ägyptens mit den Textzeugen und Objekten behandelt. Ein zusätzlicher Essay widmet sich der Präsentation des Todes im Volkslied.
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