Christian Gastgeber
Österreichische Nationalbibliothek
BIBLOS-Redaktion und Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Byzanzforschung
 
ORF ON Science :  Christian Gastgeber :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Neue Forschungen zur Christianisierung Nubiens  
  Eine eben erschienene Studie zur Christianisierung Nubiens untersucht die grundlegende literarische Quelle, die Kirchengeschichte des Johannes von Ephesos, analysiert sie akribisch in Bezug auf die archäologischen Befunde und gibt einen interpretierenden Überblick der bisherigen archäologischen Ergebnisse.  
Das Konzil von Chalkedon (451) als Einschnitt in der Orthodoxie
Als im 5. Jahrhundert die Naturenlehre Christi Mittelpunkt heftigster theologischer Kontroversen im Osten wurde (da zwei theologische Schulen einerseits die zwei Naturen Christi, d. h. die göttliche und die menschliche, einerseits zu sehr auseinanderdividierte, die so genannte nestorianisch Lehrmeinung, benannt nach dem aus Antiochia stammenden Patriarchen von Konstantinopel Nestorios [428-431], andererseits zu sehr vereint sahen, die so genannte miaphysitische Position), sollte das Konzil von Chalkedon 451 die Streitfrage mit einer neuen Glaubensformel regeln.

Die von kaiserlicher Seite unterstützte und durchgesetzte Formel hatten zur Folge, dass sich eine Reihe von nationalen christlichen Kirchen - zumeist ohnehin schon in persisch-arabischem Einflussbereich - absonderten, dazu zählte die koptische, syrische und armenische Kirche.
Missionsbestrebungen der verschiedenen christlichen Kirchen

Isistempel auf der Insel Philae
Von kaiserlicher Seite war man daher besonders um eine "orthodoxe" Missionierung noch heidnischer Gebiete bemüht - vor allem, als man erkannte, dass das "orthodoxe" Christentum als völkerverbindendes Band unter der kaiserlich-patriarchalen Autorität in Konstantinopel einen Zusammenhalt bieten konnte; andererseits war gerade im nubischen Grenzgebiet durch einen prominenten Isistempel auf der Insel Philae das Heidentum noch lange nicht überwunden.

Doch zeigten auch die "vorchalkedonensischen" Kirchen, die die Bestimmung von 451 nicht akzeptierten, hinsichtlich der Verbreitung ihrer vornehmlich miaphysitischen Position großes Engagement. Nubien lag genau im Zentrum dieser beiden Missionsbemühungen.
Kaiser Justinian und seine Gattin Theodora, zwei christliche Positionen
Zu einem Aufeinandertreffen der beiden christlichen Position kam es bei der Missionierung von Nubien; Kaiser Justinian (482-565) hatte in seiner eigenen Gattin eine Gegenspielerin seiner orthodoxen Glaubensmissionen, da sie die Miaphysiten begünstigte.

In diesem Fall ging die Kaiserin sogar mit einer List vor, um nur ja zu erreichen, dass ihr Missionsgesandter vor dem ihres Mannes bei dem Volk der Nobaden ankommt. Und die Kaiserin konnte sich hier durchsetzen, diese Missionierung war zudem von großem Erfolg gekrönt.
Der Bericht des Johannes von Ephesos
Über diese Ereignisse und die Umstände der Missionierung berichtet Johannes von Ephesos (ca. 507-588), selbst ein Monophysit armenischer Herkunft, in seiner in Syrisch verfassten Kirchengeschichte. Sein Werk erhält dadurch besonderes Gewicht, dass Johannes in Dokumente Einsicht genommen hat und sich auch in Konstantinopel aufhielt, wo er mit Persönlichkeiten der Kirche und des Staates in Kontakt stand.
Die Missionsgeschichte Nubiens
Die Missionierung begann im Zeitraum 536-548 durch den Missionar der Kaiserin namens Julianus, der gemeinsam mit dem benachbarten Bischof Theodoros von Philae beim Volk der Nobaden großen Erfolg hatte.

Nach zwei Jahren kehrte Julianus wieder nach Konstantinopel zurück, Theodoros blieb noch einige Zeit alleine im Land, ehe auch er wieder zurückkehrte. Die Vakanz füllt der Patriarch von Alexandria mit der Entsendung eines Bischofs der Nobaden, Longinus - sehr zum Missfallen des Kaisers, der diese Entsendung zu blockieren sucht. Der Erfolg der Mission ist auch daran zu erkennen, dass das benachbarte Volk der Alodäer ebenfalls um die Entsendung eines Bischofs bittet.
Archäologische Befunde und literarischer Bericht im Vergleich
Eine neue Studie von Sigfried G. Richter, Schüler des weithin renommierten Koptologen Martin Krause, untersucht die historische Relevanz des Berichtes und gibt eine detaillierte Darstellung der ersten christlichen Spuren bis hin zu den christlichen Kirchen, die zum Teil aus heidnischen Tempeln umgewandelt wurden.

Dies konnte durch die Anrufung des Namens Christi, durch die Anbringung von Kreuzzeichen und durch das Sprechen von Gebeten geschehen. Die detaillierte Untersuchung der archäologischen Zeugnisse und der Inschriften bezeugt aber auch, dass der oftmals unterschätze Quellenwert der Kirchengeschichte nun in einem neuen Licht gesehen werden muss.

Unter den archäologischen Quellen kommt der Studie zugute, dass das Land unter Aufsicht der UNESCO aufgrund der drohenden Überflutungen der Altertümer durch den Stausee in Unternubien von 1960 bis 1980 gründlichst erforscht wurde, wiewohl die Publikationen der entsprechenden Forschungsergebnisse noch auf sich warten lassen.
Die Christianisierung Nubiens

Christliche Wandmalerei aus Nubien, 10. Jh.
Die Christianisierung dürfte bereits im Laufe des 4. Jahrhunderts von Ägypten aus stattgefunden haben, zum Teil kam es wohl auch durch Kaufleute in Handelskarawanen zu ersten Kontakten. Angenommen wird auch ein Einfluss koptischer Eremiten und Mönche auf das nubische Nachbarland.

In Gräbern des 4./5. Jahrhunderts fanden sich bereits unter den Grabbeigaben christliche Objekte, diese dürften jedoch eher Beutestücke bzw. Importware oder auch Geschenke gewesen sein als auf einen konkreten christlichen Einfluss hindeuten.

Für das 5. Jahrhundert gibt es einige schriftliche Dokumente, die auf ein erstarkendes Christentum in Nubien schließen lassen. Ab den 40er Jahren des 6. Jahrhunderts wird dieses dann ausgebaut und organisiert.
...

Studien zur Christianisierung Nubiens
Von Siegfried G. Richter
(Sprachen und Kulturen des christlichen Orients, Bd. 11)
2003.
8°. 216 S., 28 s/w Abb., 1 Karte, 4 Tabellen, geb.,
EUR 42
(ISBN 3-89500-311-5)
->   Reichert-Verlag
...
 
 
 
ORF ON Science :  Christian Gastgeber :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick