Christian Gastgeber
Österreichische Nationalbibliothek
BIBLOS-Redaktion und Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Byzanzforschung
 
ORF ON Science :  Christian Gastgeber :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Biblische Kostbarkeiten
Das Buch der Bücher als Prachtobjekt der Buchmalerei
 
  Die Österreichische Nationalbibliothek beendet ihren Bibelschwerpunkt im heurigen Jahr der Bibel mit einer Ausstellung ihrer weltberühmtesten Handschriften ("Im Anfang war das Wort. Glanz und Pracht illuminierter Bibeln"), die erstmals zusammen präsentiert werden, und rundet damit nach der Präsentation der ältesten Zeugen der Bibel aus der Papyrussammlung das Thema mit prachtvollsten Objekten des Mittelalters und der frühen Neuzeit ab.  
Älteste Zeugnisse der Bibel in der Österreichischen Nationalbibliothek

Chester Beatty-Papyrus (ÖNB)
In der Ausstellung "Ein Buch verändert die Welt" im ersten Halbjahr konnte einer der ersten Vertreter der Bibel auf Papyrus, der Chester Beatty-Papyrus aus dem 3. Jahrhundert, gezeigt werden, noch aus einer Zeit, als Christenverfolgungen den Alltag bestimmten. Das Objekt ist neben anderen eindrucksvollen Textzeugen, die eine baldige Verbreitung in den Nationalsprachen (Koptisch, Syrisch) dokumentieren, in der ständigen Ausstellung des Papyrusmuseums auch über die Sonderausstellung zu besichtigen.
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Papyrusmuseum
Öffnungszeiten vom 1. Oktober - 30. Juni:
Mo, Mi - Fr 10.00 - 17.00 Uhr
Führungen auf Vereinbarung
->   Papyrusmuseum
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Anfänge der Bibelillustration

Wiener Genesis (ÖNB)
Da sich das Christentum bis zu Kaiser Konstantin (306-337) immer wieder in einer Außenseiterrolle befand, ergab sich sehr früh eine Ablehnung und Abgrenzung gegenüber der heidnisch dominierten Umwelt. Da auch ein gesellschaftlicher Aufstieg einem Christen grosso modo verwehrt blieb und irdische Werte überhaupt für nichtig angesehen wurden, lehnte man u. a. prachtvolle Ausfertigungen von Bibelhandschriften (sei es auf Papyrus oder auf Pergament) ab.

Dies sollte sich ändern, als das Christentum von staatlicher Seite gefördert wurde und schließlich zur Staatsreligion avancierte, den Christen somit ein sozialer Aufstieg nicht länger verwehrt blieb. Die erste illuminierte Bibel stammt aus dem 4. Jahrhundert (wahrscheinlich 2. Hälfte): Die heute in vier Blättern (von ursprünglich wohl 220) in Berlin aufbewahrte Quedlingburger Itala.

Die Österreichische Nationalbibliothek besitzt die älteste (erhaltene) Handschrift mit durchgehender Illustration eines Bibelzyklus, die griechische Wiener Genesis aus dem 6. Jahrhundert in 24 (von ursprünglich 96) Blättern (die aus konservatorischen Gründen nicht gezeigt werden kann). Die noch etwas ältere Cotton Genesis (London) ist 1731 bei einem Brand fast vollständig zerstört und nur mehr in 129 verkohlten Fragmenten erhalten.
Das frühe Mittelalter

Kanontafel (ÖNB)
Das älteste Objekt der Ausstellung ist der "Vorspann" eines griechischen Evangeliars: die aus dem Griechischen übernommenen eusebianischen Kanontafeln, die den Evangeliaren vorangestellt wurden, um die Übereinstimmungen in den Evangelientexten übersichtlich in Listenform zu präsentieren, gefolgt von einer Zierseite zu den Evangelientext.

Die Zierseiten sind zu unbestimmter Zeit von dem Textblock gelöst und später mit einem Kommentartext des Rufinus von Aquileia, der in der Zierseite ikonographische Parallelen zeigt, zusammengebunden worden. Entstanden sind die beiden Teile im 6. Jahrhundert in einer lateinisch-griechischsprachigen Umgebung, wahrscheinlich in Ravenna.
Die Bemühung um einen verbindlichen lateinischen Text

Touronische Bibel (Fragment) (ÖNB)
Die Übersetzungen aus dem Griechischen (beim Alten Testament ihrerseits bereits aus dem Hebräischen), die oft durch penible Worttreue gegenüber der Vorlage und der Übernahme von neuen Begriffen in das Lateinische geprägt waren, haben sehr bald durch verschiedene Übersetzungstraditionen zu grob differierenden Texten mit Verständnisproblemen geführt.

Daher wurde von Papst Damasus im 4. Jahrhundert Hieronymus mit einer Revision des Textes beauftragt; er machte dies in mehreren Schritten, ging auf die griechische und sogar hebräische Urtexte zurück, sonderte aber auch Schriften aus, die in der hebräischen Bibel nicht enthalten waren. Die Aussonderung von Texten, die Anpassung an gutes (weg von dem antiquierten, damit aber umso würdevoller klingenden) Latein sowie die fehlende Verbreitung haben der Hieronymusüberarbeitung nicht den erhofften Erfolg gebracht.

Die ältere (Vetus Latina) und die neue Version (Vulgata) existierten nun parallel nebeneinander, bis unter der Ägide von Karl dem Großen im 9. Jahrhundert eine "Infrastruktur" zur Verbreitung des verbindlichen Textes (der Vulgata) im gesamten Reich geschaffen wurde: Dies war das Kloster St. Martin in Tours, wo unter der Leitung des Gelehrten Angelsachsen Alkuin mit Bibelabschriften begonnen wurde, die an die Klöster des Reiches als verbindliche Vorlagetexte kamen, jeweils großformatig (bis zu einem halben Meter pro Seite) und die gesamte Bibel umfassend.
Vom Großformat zur Taschenbibel

Admonter Riesenbibel (ÖNB)
Eine Blütezeit erlebten diese Riesenbibeln im 12. Jahrhundert, aus welcher Zeit die Nationalbibliothek einen der berühmtesten Vertreter, die Admonter Riesenbibel, wahrscheinlich aus dem Kloster St. Peter in Salzburg, besitzt (mit bemerkenswerter Kombination italienischer und lokaler Gestaltungsprinzipien).

Diese Bibelformate waren allerdings nicht geeignet, als mit dem Theologiestudium in Paris und Bologna des 13. Jahrhunderts sowie mit dem Aufkommen der Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner und deren Missionstätigkeit handliche Formate zum Tragen gefragt waren. Aus diesem Bedarf heraus entwickelten sich zunächst in Paris die Taschenbibeln, oft in "Miniaturschrift" mit standardisiertem Buchschmuck.
Prunk und Luxus

Wenzelsbibel (ÖNB)
Die Ausstellung zeigt unter ihren weltberühmtesten Bibelhandschriften auch sehr eindrucksvoll die Entwicklung vom prachtvollen Exemplar, das für ein Kloster bestimmt war oder einem Potentaten überreicht wurde, bis zu den von reichen Familien in Auftrag gegebenen Bibeln.

Dieser Auftrag sollte auch in der Bibel besonders dokumentiert und hervorgehoben werden, etwas durch das Wappen zu Beginn, wie die in Basel von der Familie Eberler in Auftrag gegebene Bibel sehr eindrucksvoll zeigt (Eberler-Bibel, 1464). Auch die Künstler der für König Wenzel IV. von Böhmen hergestellte Wenzelsbibel (1389-1395) ließen immer wieder Bezüge zu König und Reich in die reiche Verzierung einfließen.

Andererseits zeigen diese Prachthandschriften auch, dass man selbst nach dem Aufkommen des Buchdruckes nach wie vor als besonders wertvolles (und eindrucksvolles) Prestigeobjekt eine Bibel in einem Schreibatelier unter künstlerischer Ausfertigung bestellen ließ.
Das Verständnis des Textes - Die Bibelexegese

Johannes Chrysostomus als Autorenbild (ÖNB)
Der Bibeltext bedurfte schon sehr bald einer Erklärung; als grundlegende Texte entstanden die Exegesen der später zu Kirchenvätern erklärten Gelehrten Ambrosius, Augustinus, Hieronymus und Gregor der Große. In den folgenden Jahrhunderten griffen die Bibelexegeten immer wieder auf diese Basistexte zurück.

In der Erklärung stand neben der literarischen vor allem die moralische und allegorische Deutung im Vordergrund. Gerne wurde die Allegorie übertrieben, und es wurde mehr in eine Textstelle hineininterpretiert, als wirklich intendiert war - vor allem im Bemühen, alttestamentliche Stellen zu neutestamentlichen in Bezug zu setzen.

Um einen besonderen Fall aus den präsentierten Bibelkommentaren hier herauszugreifen: ein Werk, das von einem Häretiker geschrieben wurde (von einem anonymen Arianer), das so genannte Opus imperfectum in Matthaeum, verdankt seine Weiterexistenz dem Umstand, dass es dem griechischen Kirchenvater Johannes Chrysostomus zugeschrieben wurde. Das Wiener Exemplar zeigt auch vor dem Text das Autorenbild des Heiligen.

Gestalt und Form der Bibelexegese änderten sich dann sehr eindrucksvoll mit der Scholastik. Ab dieser Zeit wurden in den als Glossa, Catena etc. benannten Kommentaren deutliche Gliederungsschemata angestrebt.
Bibel als historisches Werk

Genealogische Pergamentrolle (ÖNB)
Die Bibel galt mit seinen Darstellungen und Berichten von Ereignissen des jüdischen Volkes auch als historische Quelle. So verfasste man Geschichtsdarstellungen, die man bei der Schöpfung beginnen ließ; zur Abrundung wurden dazu auch weitere (heidnische) Quellen herangezogen. Auf diese Weise wurden etwa Genealogien erstellt, auf der Basis und in Erweiterung des Beginns bei Matthäus.

Ein Unikat in seiner Form präsentiert eine Wiener Pergamentrolle aus dem 15. Jh., die in fast sechs Meter Länge und 62 cm Breite die gesamte Weltgeschichte präsentiert (bis zur Auferstehung Christi), illustriert durch Medaillons und Stammbäumen und erläutert durch kurze Texte. Andere Präsentationsformen sind die Weltchroniken, von denen die Österreichische Nationalbibliothek u. a. ein in der Ikonographie bemerkenswertes Exemplar der französischen Histoire universelle besitzt, und die Historienbibeln.
"Bilderbibeln"

Bible moralisée (ÖNB)
Seit Beginn des Christentums stand die Auseinandersetzung mit dem Judentum. Nicht nur in der Buchform, wo man von der im Judentum verwendeten Buchrolle zur Codexform wechselte, sondern auch in der Interpretation der Texte. Die von den Christen als "Altes Testament" übernommenen Texte verlangten besondere Erklärungen, um die Präfiguration der christlichen Glaubensinhalt hervorzustreichen bzw. hineinzuinterpretieren.

So entwickelte sich sehr bald das Erklärungsmodell der Typologie: Eine alttestamentliche Szene wurde als Typus für ein neutestamentliches Ereignis gesehen, etwa Isaaks Opferung durch Abraham (Typus) als Präfiguration des Todes Christi am Kreuz (Antitypus). Oder man zog aus Ereignissen des Alten Testaments moralische Rückschlüsse auf das gegenwärtige Leben. Dies wurde ab dem 13. Jahrhundert in kunstvoller Form durch die Bible moralisée (deren beiden ältesten Exemplare die ÖNB besitzt), die Biblia pauperum und das Speculum humanae salvationis in durchgehender Illustration mit minimalem Text zum Ausdruck gebracht.
Die Ostkirchen

Slawische Handschrift (ÖNB)
Nicht nur durch eine der größten Sammlungen griechischer Handschriften, sondern auch durch eine reiche Palette von Codices aller Ostkirchen ergänzt der Handschriftenbestand der ÖNB diese Ausstellung mit einer interessanten Schau in die parallele Bibelproduktion im Osten und im Orient.

Gezeigt werden besondere Vertreter der byzantinischen, syrischen, armenischen, äthiopischen und arabischen Kultur ebenso wie zwei hebräische Bibeln, die sich in den Möglichkeiten des Buchschmucks deutlich von der christlichen Buchproduktion unterscheiden. Eine der präsentierten griechischen Handschriften wurde von Erasmus von Rotterdam bei seiner Ausgabe des Neuen Testaments herangezogen: das syrische Evangeliar, das 1554 in Wien geschrieben wurde, war höchstwahrscheinlich die Vorlage des ersten in Syrisch gedruckten Buches in Wien.
Das Juwel zur Ausstellung

Zu der Ausstellung erschien ein spektakulärer Katalog, der alle bisher bekannten Formen von Ausstellungskatalogen durch seine außergewöhnliche Dimension sowohl in Format (A3) als auch in Gestaltung (über 400 überwiegend ganzseitige Farbabbildungen) übertrifft. Jede Handschrift der Ausstellung - und einige Prunkstücke, die aus konservatorischen Gründen nicht gezeigt werden - sind mit zahlreichen Abbildungen vertreten. Dieses Juwel ist vom deutschen Taschen Verlag (Köln) hergestellt worden. Der Katalog erschien in deutscher, englischer, französischer und spanischer Version.
->   Der Katalog im Taschen Verlag
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Prunksaal ÖNB
Öffnungszeiten
Im Anfang war das Wort
Glanz und Pracht illuminierter Bibeln
Eine Ausstellung im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek
Josefsplatz 1, 1010 Wien
27. November 2003 bis 6. Jänner 2004
Konzept der Ausstellung: Dr. Andreas Fingernagel

Öffnungszeiten
Täglich 10 - 14 Uhr
Donnerstag 10 - 19 Uhr
->   Homepage zur Ausstellung
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