Andre Gingrich
Institut für Ethnologie, Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien
 
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Leopold Weiss/Muhammad Asad - ein Grenzgänger zwischen West und Ost  
  Vor zehn Jahren verstarb der Journalist, Diplomat und islamische Gelehrte Muhammad Asad. Anders als sein Sohn, der in New York lehrende Anthropologe Talal Asad (geb. 1932 in Saudi-Arabien) wurde der in der islamischen Welt vielbeachtete Denker nicht in Arabien, sondern in der österreichisch-ungarischen Monarchie geboren. Neue Erkenntnisse über das spannende Leben eines österreichischen Grenzgängers liegen nun in Buchform vor.  
Der Enkel eines orthodoxen Rabbiners und Sohn eines Rechtsanwalts kam 1900 in Lemberg zur Welt. Er hieß damals noch Leopold Weiss und wurde bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit seiner Familie in Wien ansässig.

Weder Kunstgeschichte noch Philosophie vermochten es, den Studenten an der Universität zu halten und schon bald sah man Weiss an den Tischen der Wiener Kaffeehausliteraten.
Film und Journalismus
Anfang der Zwanziger Jahre ließ er Wien hinter sich und fand nach gemeinsamen Filmarbeiten mit F. W. Murnau und Anton Kuh zum Journalismus.

Als Weiss als Nahostkorrespondent der Frankfurter Zeitung den Vorderen Orient bereiste, glaubte der Kritiker westlichen Fortschrittsdenkens im Leben unter Muslimen "wahre Gemeinschaft" gefunden zu haben.

Er konvertierte zum Islam, nahm den Namen Muhammad Asad an und brach 1927 zu seiner ersten Pilgerfahrt nach Mekka auf und - er blieb.
Wegbereiter des Staates Pakistan
Asads bis 1932 währender Aufenthalt in (Saudi-)Arabien steht am Beginn einer der wohl bemerkenswertesten Biographien eines europäischen Intellektuellen in der islamischen Welt:

Vertrauter König Abd al-Aziz Al Sauds, Wegbereiter für die Gründung Pakistans und UNO-Botschafter des Landes in New York, Koranübersetzer und -kommentator, muslimischer Denker und Autor, Wegbereiter für einen Dialog zwischen der islamischen und westlichen Welt.
Neues Buch zur Person Muhammad Asads
Eine umfassende Darstellung und Analyse zur Person Muhammad Asads ist kürzlich im Böhlau Verlag erschienen. Das Buch des Sozial- und Kulturanthropologen Günther Windhager - mit bisher unveröffentlichten Fotos und Dokumenten - bietet erstmals einen ausführlich recherchierten Einblick in Weiss¿/Asads frühe Biographie und seine journalistische Arbeit bis zum Aufbruch zu seiner ersten Pilgerfahrt nach Mekka im Jahr 1927.
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Leopold Weiss alias Muhammad Asad
Windhager, Günther: Leopold Weiss alias Muhammad Asad. Von Galizien nach Arabien 1900-1927.
Erschienen im Böhlau-Verlag (2002)
ISBN 3-205-99393-4
Weitere Informationen in www.boehlau.at

Der Autor ist in den Wittgenstein-Forschungsschwerpunkt: "Lokale Identitäten und überlokale Einflüsse" an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften eingebunden. Rezensionen zu dieser Neuerscheinung finden Sie auf der Wittgenstein-Homepage.
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