Host-Info
Herbert Hrachovec
Institut für Philosophie, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Herbert Hrachovec :  Gesellschaft .  Technologie 
 
Ein Hilferuf im Cyberspace  
  Jedes Mal, wenn jemand die Frage stellt "Was heißt das eigentlich"? ist ein wenig Ursprungsdenken dabei. In der Frage wird an eine Instanz appelliert, die befugt ist, festzulegen, was ein Wort bedeutet. Das sind oft die Personen oder Umstände, die seine Verwendung prägten. "Was heißt 'Turbokapitalismus'?" Am besten, Sie lesen bei Edward Luttwak nach.  
Internet ohne Ursprungsgeschichte?
In den Geisteswissenschaften reicht dieser Rückgriff oft ziemlich weit in die Vergangenheit. Wer die Funktionsweise der Marktwirtschaft verstehen will, wird auf Adam Smith verwiesen. Die Pyramiden werden aus den einschlägigen historischen Quellen erklärt.

Einen scharfen Kontrast dazu bildet das Internet. Da es erst seit einer Generation existiert, sollte man meinen, dass keine Ursprungsgeschichten nötig sind. Darum ist das folgende Zitat bemerkenswert.
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"There's a meme about cyberspace that marks natives from its first generation - an idea that defines first-generation thought about the place. Cyberspace, it is said, cannot be regulated. It 'cannot be governed'; its 'innate ability' is to resist regulation. That is its nature, its essence, the way things are."
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Der Autor ist ganz anderer Meinung. Lawrence Lessig, Jusprofessor an der Stanford University, hat zwei richtungsweisende Bücher über die sozioökonomische Beschaffenheit des Internets geschrieben.

In "Code and other Laws of Cyberspace" untersucht er, inwiefern die Technik, die das Netz anfangs unkontrollierbar machte, unter dem Einfluss kommerzieller Interessen nicht eine viel restringiertere Kommunikationsplattform hervorbringen wird.
->   Lawrence Lessig
->   Code and other Laws of Cyberspace
Beginn einer restaurativen Periode?
Und in "The Future of Ideas. The Fate of the Commons in a Connected World" geht er der Frage nach, welche Infrastruktur technische Innovationen begünstigt oder aber blockiert.

Lawrence Lessig ist vorsichtig pessimistisch. Er fürchtet, dass sich die Theoretiker der ersten Generation gründlich täuschen.

Es gibt keine Garantie dafür, dass der Cyberspace nur offen, inspiriert und dynamisch sein kann. Die TCP/IP Protokolle, die inhaltliche Diskriminierung nicht zulassen, können durchaus in viel restriktivere Konventionen gesteckt werden. Nach Lessig stehen wir am Anfang einer restaurativen Periode.
->   The Future of Ideas. The Fate of the Commons in a Connected World
Bequemlichkeit fördert Reglementierung
Die Änderungen kommen nicht von selbst. Es muss einen starken Druck zur Reglementierung geben. Ein wesentlicher Faktor ist in diesem Zusammenhang die Bequemlichkeit. Es ist oft praktisch, schnell identifizierbar zu sein und mit wenigen Mausklicks eine Transaktion durchzuführen.

Umso mehr Bedeutung erhalten Einstellungen und Verhaltensweisen, die den flexiblen, freundschaftlichen Charakter der ursprünglichen Kommunikation am Netz bewahren.
Der Hilferuf in der Mailing List
Mit Nervosität las ich daher den "Hilferuf", den eine Mittelschülerin an die Mailing List "register" schickte. Dort werden - obwohl das früher durchaus üblich war - keine philosophischen Debatten abgehalten.

Die Liste ist ein Forum zur Verbreitung von Informationen aus dem philosophischen Berufsleben: Kongressankündigungen, Vorträge, Webseiten. Was würden die Kollegen mit dieser Intervention von außen machen?
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Hallo,
ich weiss nicht ob ich richtig bin, aber über Google habe ich mehrere "Zitatsucher" unter eurer Adresse gefunden und ich probiere jetzt einfach mal mein Glück.

Ich suche ein Zitat eines griech. Philosphen der - sinngemäß - schon vor sehr langer Zeit gesagt hat, dass die Jugend verdorben wäre, faul, etc. und unsere Kultur niemals aufrecht erhalten kann.

Wer hat das gesagt und wie ist das genaue Zitat.

Ich bräuchte dieses Zitat ganz dringend für eine Rede für den "Jugend forsch" Wettbewerb!!!!
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Beispiel für offenen und kommunikativen Cyberspace
Die "forsche" Jugend hatte Glück. Lesen Sie die Antworten. Es steht nirgends geschrieben, dass Universitätsangehörige unbekannten Schülerinnen beim Redewettbewerb behilflich sein müssen. Dennoch haben sie die Gelegenheit genützt.

Cyberspace muss nicht offen und kommunikativ sein, aber er kann diese Qualitäten unter Umständen behalten.
 
 
 
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