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Herbert Hrachovec
Institut für Philosophie, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Herbert Hrachovec :  Gesellschaft 
 
Produktive Schlagworte: Zweite Lieferung  
  Vor kurzem habe ich hier ein Buch Michael Friedmans vorgestellt. Der Beitrag ist auf drei verschiedenen Ebenen zu ergänzen. Friedman hat Kritikern gegenüber seine Absichten präzisiert. Zweitens fanden einige Leserinnen (m/w) den letzten Absatz meines Textes erläuterungsbedürftig. Und schließlich hängt ein böser Kommentar am Ende. So sind die Sitten im online-Forum. Dazu ist auch etwas zu sagen.  
Gefahren des "name droppings" ...
Das Buch "A Parting of the Ways" von Michael Friedman dreht sich um ein Zusammentreffen in Davos. Im Frühjahr 1929 verwickelten sich dort Martin Heidegger und Ernst Cassirer in eine Kontroverse; auch Rudolf Carnap, der daraufhin die Schriften Heideggers studierte, war unter den Teilnehmern des Kolloquiums.

Ist das nicht "name dropping"? Die Gefahr besteht, dass Philosophie auf das Niveau von Anekdoten rutscht, wie etwa jene des Wittgensteinschen Feuerhakens, die D. Edmonds und J. Eidinow liebevoll ausschmücken.

In ihrem Buch geht es darum, dass Ludwig Wittgenstein 1946 angeblich Karl Popper mit besagtem Gerät bedroht hat. Die Angelegenheit stößt auf lebhaftes Interesse, aber sie ist eine Geschichte durch das Schlüsselloch.
->   Michael Friedman: A Parting of the Ways
... Friedman weit davon entfernt
M. Friedmans Anknüpfung bei der Zeitchronik ist weit entfernt von derartigem Tratsch. Es ist schon wahr, die beteiligten Philosophen waren in ganz verschiedene Richtungen unterwegs und hätten sich massiv gegen den Versuch gewehrt, ihnen eine "gemeinsame Wurzel" im Neu-Kantianismus anzudemonstrieren.

Dass L. Althusser einmal Katholik war, verbindet ihn kaum mit Kardinal Ratzinger. Dennoch lässt sich ein gemeinsamer Problemzusammenhang finden, der es gestattet, die weit auseinanderliegenden Positionen auf eine begriffliche Landkarte einzutragen.
Menschliches Denken: Durchschaubar oder nicht?
Auf welche Fähigkeiten stützt sich das Erkenntnisvermögen? Wir brauchen Sinnesorgane, um die Welt zu erfahren, aber sie reichen nicht. Damit es eine Welterfahrung sein kann, müssen sie gewissen Mustern gehorchen.

Je nachdem, wie diese beiden Einsichten kombiniert werden, ergeben sich großartige, nüchterne, oder ernüchternde Perspektiven für die Rolle des Menschen. Sein Denken ist z.B. logisch durchschaubar oder zumindest in seinen zahlreichen Abstufungen auf eine vernünftige Synthese angelegt (Carnap bzw. Cassirer).

Oder es muss sich vor den beiden Einsichten hüten und tiefer gehen, durch die Erschütterung der Verstandestätigkeit hindurch (Heidegger). Die Skizze ist keine Antwort. Aber sie ist ein Impuls, sich das Problem, um welches sich die Reaktionen drehen, in wechselseitiger Abhängigkeit zu vergegenwärtigen.
Philosophie und Weltanschauung
Das war auch der Hinweis der etwas kryptisch geratenen Schlussbemerkung. Heidegger war Nationalsozialist, Carnap stand im entgegengesetzten politischen Lager.

Das Drama der Zerstörung des alten Europa ist mit den Hoffnungen und Verbrechen verbunden, die als weltanschaulicher Konflikt ihren Schatten auf die Philosophie werfen.
Dramatisierung der Zwischenposition Cassirers
Auch in ganz aktuellen religionsphilosophischen Veröffentlichungen wird mit "dem Nichts" argumentiert, hinter welchem sich Gott verbirgt. Carnap hat das den Heideggerianern bereits 1932 auszureden versucht. Diese Wellen schlugen hoch, aber solche Debatten werden zusehends antiquarisch.

Das könnte eine Gelegenheit ergeben, die bisher unspektakuläre Zwischenposition zu dramatisieren. Zum Beispiel lassen sich die derzeit so beliebten Kulturwissenschaften von Ernst Cassirer her entwickeln.
->   Produktive Schlagworte, Teil 1
Formeln und Fachausdrücke sind unentbehrlich
Das sind Überlegungen aus dem Hochschulbereich. Wenn ich mich über neue Entwicklungen der Funktechnik unterrichten will, suche ich die entsprechenden Seiten und polemisiere nicht, wenn mir dort einiges unklar bleibt. Formeln und Fachausdrücke sind unentbehrlich, wenn man etwas einigermaßen kurz und präzise darstellen will.
Online-Beschimpfungen wie U-Bahn-Graffitis
Ganz so einfach ist die Sache aber, zugegeben, nicht. Ein Esoterikangebot löst vielleicht Staunen und Unverständnis aus, aber eher keine Aggression. Wie kommt es, dass die Publikumsseiten des ORF verhältnismäßig viele abschätzige Urteile provozieren?

Eine Erklärung könnte darin liegen, dass es sich um eine öffentliche Körperschaft handelt, die einem Bildungsauftrag nachkommt. U-Bahn-Garnituren fahren mit Graffiti durch die Stadt, dann passen auch Beschimpfungen zu akademischen Texten.
 
 
 
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