Host-Info
Konrad Paul Liessmann
Institut für Philosophie, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Konrad Paul Liessmann :  Gesellschaft 
 
Philosophicum Lech: Über die Zukunft des Eros  
  Im Jahr 2001 veranstaltet die Gemeinde Lech/Arlberg zum fünften Mal das mittlerweile renommierte ""Philosophicum Lech". Philosophen und Vertreter benachbarter Disziplinen werden dabei heuer vom 13. bis 16. September "Über die Zukunft des Eros" debattieren.  
Unter angenehmen Bedingungen werden sie das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten und erörtern. Natürlich steht das Symposion auch einem interessierten Publikum offen. Der ORF ist Kooperationspartner dieser Tagung.
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Das "Philosophicum Lech", dessen wissenschaftlicher Leiter ich bin, verfolgt zwei Ziele. Einmal soll ein internationales Zentrum für philosophisch/kulturwissenschaftliche Reflexion, Diskussion und Begegnung etabliert werden, zum anderen soll damit der Region ein kultureller Impuls gegeben werden. Die großen Erfolge der Tagungen der vergangenen Jahre - "Faszination des Bösen. Über die Abgründe des Menschlichen" (1997); "Im Rausch der Sinne. Kunst zwischen Animation und Askese" (1998); Die Furie des Verschwindens. Über das Schicksal des Alten im Zeitalter des Neuen (1999), Der Vater aller Dinge. Nachdenken über den Krieg (2000) - ermutigen die Veranstalter, diesem Konzept auch weiterhin zu vertrauen.
->   Philosophicum Lech
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Frage nach der Zukunft des Eros
Das Philosophicum des Jahres 2001 wird sich wieder einem aktuellen Thema nähern, allerdings auch diesmal aus einer vielleicht etwas ungewohnten Perspektive. Die Tagung möchte den Versuch unternehmen, sich mit einer jener delikaten Fragen zu beschäftigen, die der biotechnische und gesellschaftliche Fortschritt zu provozieren scheint: mit der Frage nach der Zukunft des Eros.
Die Liebe in Platons 'Gastmahl'
Im einem seiner berühmtesten Bücher, im "Symposion" (Gastmahl), beschreibt Platon den Eros als einen listigen Gott, der, selbst eher unansehnlich, immer wieder Mittel und Möglichkeiten findet, um dem Begehren seinen Weg zu bahnen.

Eros als symbolische Verkörperung des Erotischen ist selbst also nicht das Begehrenswerte, sondern das Begehren. Begehrenswert ist für das Platonische Denken das Schöne, das sich in ersten Begegnung auf der Ebene der schönen Körper manifestiert. Die platonische Liebe war dann auch gedacht als eine schrittweise Verfeinerung des Begehrens, von der Ebene der körperlichen Sinnlichkeit bis hin zur Idee des Schönen.

Erotik lebt also von der Spannung zwischen Begehrendem und Begehrten, lebt von der Differenz, der Distanz, dem Abstand, dem Noch-Nicht, der Erwartung, dem Möglichen, der Andeutung und der Gefahr.
Unterliegt das Erotische dem Sex?
Gegenwärtig allerdings scheint es Eros besonders schwer zu haben. Das erotische Begehren, die Koketterie und die Kunst der Verführung, die knisternde Spannung zwischen den Geschlechtern, die geheimnisvollen, anrüchigen und verbotenen Dimensionen des Begehrens, das Mysterium der Lust, das "Zeugen im Schönen", die großen Ekstasen des Fleisches - all das sind Bestimmungen des Erotischen, die in einer Zeit, die nur noch von "Sex" spricht, höchst antiquiert erscheinen mögen.

Das Erotische scheint verschwunden, an seine Stelle sind die unterschiedlichsten Varianten der Sexualität getreten, die längst zu einer rasch konsumierbaren Ware geworden sind. Wesentliches Kennzeichen des Erotischen - die spielerische Andeutung, das Offenhalten für Möglichkeiten, die schwebende Unsicherheit, auch das Abstandhalten und die Zurücknahme - sind dem Imperativ der schnellen, unmittelbaren und kostengünstigen Bedürfnisbefriedigung gewichen.

Und wo das Erotisch-Sexuelle kompliziert zu werden droht, winken Eros-Center und Internet mit den Versprechen problemloser Ersatzbefriedigung. Moderne Reproduktionstechnologien, die kalte Welt des Cyber-Sex, das Diktat der Spaß-Kultur und das grelle Scheinwerferlicht der Medien signalisieren so, dass auch die Erotik längst entzaubert und, aller Tabus entkleidet, zu einer Sache von Markt, Wissenschaft und Technik geworden ist.
Schnippchen schlagen in Lech
Das 5. "Philosophicum Lech" möchte sich der Frage stellen, ob und wie es dem listigen Gott Eros gelingen könnte, auch diesen Entwicklungen ein Schnippchen zu schlagen. Neben einer Diagnose der Gegenwart, die untersuchen wird, welche Formen das Erotische in Kunst, Literatur, in verschiedenen gesellschaftlichen Segmenten angenommen hat, wird deshalb auch nach den Möglichkeiten gefragt werden, die dem Eros als ein Begehren des Schönen überhaupt noch eingeräumt werden können.
Erlesene Gäste
Philosophen, Sozial- und Kulturwissenschaftler -Norbert Bolz, Anne-Marie Bonnet, Ursula Pia Jauch, Mariam Lau, Gert Mattenklott, Wolfgang Pauser, Rüdiger Safranski, Hannelore Schlaffer, Wilhelm Schmid, Volkmar Sigusch und Nike Wagner - werden dieser Frage nach den Chancen und Grenzen des Eros und des erotischen Begehrens im Zeitalter der biotechnischen und digitalen Revolutionen aus unterschiedlichen Perspektiven nachgehen, darüber vortragen und diskutieren.

An einem Abend wird Bernhard Ludwig sein Seminarkabarett "Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit" anbieten, am zweiten Abend werden Thomas Hettche und Margit Hahn alte und neue Texte zur Erfindung und zu den Fallen der Lust lesen.
 
 
 
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