Host-Info
Konrad Paul Liessmann
Institut für Philosophie, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Konrad Paul Liessmann :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Wissenschaft und Universitätsreform
Anmerkungen zu einer Debatte
 
  Wer in Zeiten wie diesen an einer Universität tätig ist, kommt kaum noch dazu, sich den Aufgaben der Lehre und Forschung einigermaßen ungestört zu widmen.  
Die Rede von Reformen
Kein Tag vergeht, an dem nicht die Zeitungen voll sind von Berichten und oft polemischen Kommentaren über die angebliche Krise der Universität und die angeblich notwendigen Reformen, kein Tag vergeht, an dem man nicht Dutzende E-Mails von Standesvertretern, Gewerkschaftsfunktionären, dem Rektorenteam und zahllosen Kollegen zu lesen bekommt, in denen von der Unzulänglichkeit eben jener Reformen die Rede ist, ein Streik angekündigt wird und so nebenbei jene Effekte des Sparpakets in schwülstigem Bürokratendeutsch erläutert werden, die einen selbst schmerzlich betreffen.
Politische Launen im Wochenrhythmus
Hat man noch zusätzlich das Pech, auch ein offizielles Amt im Rahmen der universitären Verwaltung, womöglich schon seit geraumer Zeit inne zu haben, wird man zudem mit der wenig erheiternden Tatsache konfrontiert, daß man langfristige Vorhaben wie Studienpläne unter Bedingungen entwerfen soll, die sich je nach politischer Laune im Wochenrhythmus ändern.
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Die pathetische Rede von der notwendigen Flexibilisierung an der Universität hat man bislang zumindest in der Weise umgesetzt, daß man jede kontinuierliche Arbeit, jede Form von Berechenbarkeit, jede Form von Vertrauen einmal sabotiert und ruiniert hat. Immerhin auch ein Erfolg.
Und was die sogenannten Reformschübe, die seit dem UOG 93 in immer dichteren Abständen die Universitäten überfallen, bislang tatsächlich an ökonomischen Ressourcen, Energie und emotionaler Frustration gekostet haben, spricht ohnehin jedem Sparwillen Hohn.
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Reformen: Auf das Tempo kommt es an
So zu tun, als wäre alles bestens, ist Unsinn. Wenn auch in unterschiedlicher Akzentuierung ist die Lage an den Universitäten triste ¿ und zwar nicht, weil sie bislang schlecht funktionierten, sondern weil die Gefahr besteht, daß sie in einer Weise zu Tode reformiert werden, die die vielbeschworene Wettbewerbsfähigkeit nur noch als schlechten Witz erscheinen läßt.

Reformen können im Ansatz richtig und doch kontraproduktiv sein, wenn das Tempo nicht stimmt, die Rahmenbedingungen nicht gegeben sind und die Betroffenen nicht überzeugt werden können.
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Dass internationale Renommierinstitute wie etwa die ehemalige Hochschule für Musik und Darstellende Kunst nun als Musikuniversität im Chaos versinkt, hat wahrlich nichts damit zu tun, daß dort schlecht ausgebildet und wenig geforscht worden wäre.

Natürlich müssen auch Universitäten, wie alle großen Institutionen, offen sein Veränderungen und versuchen, unter gegeben Bedingungen die besten Ergebnisse zu erzielen.

Aber gerade die wissenschaftliche Forschung und Lehre bedarf auch abgesicherter und klar definierter Rahmenbedingungen, die einerseits Kontinuität garantieren und andererseits Raum genug lassen, sich auf die inhaltliche Arbeit zu konzentrieren ¿ denn letztlich entscheidet diese über die Qualität einer Universität, nicht die Anzahl unsinniger, kaum exekutierbarer oder kontraproduktiver Gesetze, mit denen die Universitäten gerade noch irgendwie fertig werden.
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Mehr Bürokratie und Verwaltung ?
Bis jetzt zumindest, das mag durchaus Resultat einer subjektiven Erfahrung sein, haben alle seit geraumer Zeit gesetzten "Reformmaßnahmen" den Aufwand der Universitätslehrer für Bürokratie und Verwaltung erhöht, die Möglichkeiten des Engagements in Lehre und Forschung beschnitten und die Motivation nicht zuletzt durch empfindliche Lohneinbußen und durch die allgemeine Stimmung sowie durch die von den Medien betriebene, in hohem Maße durch Unkenntnis und Ressentiment getragene öffentliche Polemik gegen die Universitäten drastisch gesenkt.

Allerdings: Dies soll kein Lamento sein. Wo Kritik angebracht ist, muß kritisiert werden, wo die Veränderung von Rahmenbedingungen eine Verbesserung der Forschungs- und Ausbildungssituation verspricht, sollen diese Veränderungen in Angriff genommen werden.
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Das Ziel der Autonomie der Universitäten ist grundsätzlich richtig. Wenn darunter allerdings nur verstanden wird, daß bei forciertem Tempo die Universitäten mehr Aufgaben übertragen bekommen und ihnen gleichzeitig die Mittel gekürzt werden, bedeutet Autonomie nur, die Verantwortung für ein Desaster vom Ministerium auf die Universitäten zu verlagern.
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Was zur Zeit an Maßnahmen gesetzt wird und als Reform geplant wird, läßt befürchten, daß die Dinge nicht besser werden. Reform ist kein Zweck an sich. Wenn nach einer Reform alles schlechter funktioniert, hat diese offensichtlich ihren Zweck verfehlt.

Die Stilisierung von "Reform" zu einer sich selbst immunisierenden politischen Strategie und die permanente Beschwörung von mysteriösen "Reformstaus", ohne anzugeben, wo, warum und was sich da staut, haben offensichtlich den Sinn, den Reformwillen selbst jenem Gebot zu entziehen, das die willigen Reformer als Phrase stets im Munde führen: möglichst effizient zu sein.
Eine Fortsetzung dieser "Anmerkungen zu einer Debatte" finden Sie in science.orf.at:
->   Wissenschaft und Universitätsreform (Teil 2)
 
 
 
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