News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Neuer Betrugsfall: Kritik an mangelnder Reaktion Verantwortlicher  
  Ein neuer Betrugsfall beschäftigt die Wissenschaft: Ein Nachwuchsforscher hat mindestens acht Artikel publiziert, die im Wesentlichen Plagiate von bereits veröffentlichten Arbeiten darstellen. Doch diesmal ist es weniger der Betrüger selbst, der in die Kritik geraten ist, als vielmehr die Reaktion von informierten Forschern und diversen Fachjournalen: Statt den Vorfall offensiv anzugehen, wurde offenbar jedes Aufsehen vermieden - mit dem Ergebnis, dass noch nicht einmal alle der beanstandeten Artikel zurück gezogen wurden.  
Der Materialwissenschaftler Yung Park veröffentlichte laut einem Bericht im Fachjournal "Nature" zwischen 1995 und 2002 in diversen Fachmagazinen rund 80 Arbeiten unter seinem Namen - mindestens acht dieser Artikel haben sich mittlerweile als Plagiate erwiesen.
...
Über den Fall informiert der Bericht in der aktuellen Ausgabe des britischen Fachmagazins "Nature": "Plagiarism in Cambridge physics lab prompts calls for guidelines" von Jim Giles, in "Nature", Bd. 427, Seite 3, vom 1. Jänner 2004 (doi:10.1038/427003a).
->   Der Artikel in "Nature" (kostenpflichtig)
...
Einfache Strategie: Schlichtes Abschreiben
Bild: Nature
Zwillinge: Die Arbeit rechts von Yung Park kopiert die russische Originalpublikation (links).
Die Verfehlung des Nachwuchsforschers Park steht außer Frage: Der Materialwissenschaftler hat es sich einfach gemacht - und in seinem Fachgebiet, der Untersuchung elektronischer Eigenschaften von Materialien, Arbeiten publiziert, deren Inhalt zum Großteil aus fremdsprachigen Veröffentlichungen anderer Forscher stammte.

Einfach hat es sich allerdings auch so mancher Verantwortliche gemacht, der angesichts dieses Betrugsfalls aktiv hätte werden müssen:

Wie in "Nature" berichtet wird, sind mindestens acht der von Yung Park publizierten Paper Plagiate, doch vier dieser Arbeiten sind nach wie vor in den betroffenen Fachmagazinen zugänglich. Ohne jeglichen Hinweis auf die Umstände, auf die plagiierte Publikation oder den wahren Urheber.
Parallelen zur Causa Jan Hendrik Schön
Der Fall zeigt natürlich gewissen Parallelen zum großen Skandal aus dem Jahr 2002: Der deutsche Nachwuchsphysiker Jan Hendrik Schön wurde der Manipulation von Forschungsergebnissen in mehreren Fällen überführt.

Die Aufregung in der Forschungsgemeinde war enorm, schließlich handelte es sich um einen "Shootingstar" der Wissenschaft.

Die "bahnbrechenden" Ergebnisse des Jungforschers beruhten allerdings auf Datenfälschungen. Gleich acht Artikel wurden etwa vom renommierten US-Fachjournal "Science" zurückgezogen, weil sie einer Überprüfung nicht standhielten.
...
Damals hatte der Arbeitgeber, die Bell Labs in den USA, sofort auf die Beschuldigungen reagiert, die Öffentlichkeit informiert und eine Untersuchung gestartet, die schließlich zum Rückzug der Arbeiten führte.

Alles zum Fall Jan Hendrik Schön in science.ORF.at:
Top-Physiker zieht acht "Science"-Fachartikel zurück (1.11.02)
"Peer Review" im Kreuzfeuer der Kritik (4.10.02)
Nobelpreis-Anwärter als Fälscher entlarvt (27.9.02)
...
Weniger Aufsehen erregende Fälschungen ...
Die Causa Yung Park ist zunächst weit weniger Aufsehen erregend. Denn der wissenschaftliche "Impact" - gemessen etwa an der Anzahl der Verweise auf dieselben in weiteren Forschungspublikationen - der veröffentlichten Arbeiten war vergleichsweise gering.
Kritik am Verhalten von Forschern und Journals
Der eigentliche Skandal offenbart sich erst, nimmt man das Verhalten von Wissenschaftlern und Mitarbeitern der Fachjournale unter die Lupe: Denn anders als im Fall Schön meinten so einige Informierte wohl zunächst, die ganze Sache sei nicht weiter tragisch.

Zum einen versäumten es laut "Nature" über die Plagiate informierte Wissenschaftler, die Editoren der Journals zu benachrichtigen; zum anderen wurden die Fachmagazine zwar in Kenntnis gesetzt, verzichteten in Folge aber selbst auf jegliche Reaktion.
Hintergrund: Erste Zweifel im April 2002
Yung Park arbeitete dem Bericht zufolge zwischen 1995 und 2002 zunächst am Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST) und kam schließlich 1997 als "visiting scientist" an das Department of Materials Science der University of Cambridge in England.

Im April 2002 wurden erstmals Zweifel an seiner Arbeit laut: Bagautdin Bagautdinov, Materialwissenschaftler am Japanischen Himeji Institute of Technology, wandte sich an Parks wissenschaftlichen Leiter in Cambridge mit der Anschuldigung, jener habe einen seiner Artikel plagiiert.

Die Anschuldigungen wurden untersucht - und Park schließlich nahegelegt, die Universität zu verlassen. Der Nachwuchsforscher kehrte (vermutlich) nach Korea zurück.
Weitere Plagiate entdeckt - teils ohne Folgen
In Folge entdeckte man weitere Plagiate und zumindest vier der betroffenen Artikel wurden entweder von den Journals zurück gezogen, oder mit einem entsprechenden Hinweis auf den zugrunde liegenden Originalartikel und Autoren versehen.

Doch in weiteren Fällen blieben die Entdeckungen ohne Folgen: Drei Plagiate, die ein Forscher in Cambridge entdeckte, wurden beispielsweise nicht an die betroffenen Fachjournale weitergeleitet. Und einige der Magazine reagierten schlicht nicht, obwohl man sie auf mögliche Betrugsfälle aufmerksam machte.

Zudem sind dem "Nature"-Artikel zufolge viele der übrigen von Yung Park veröffentlichten Arbeiten nicht vollständig auf mögliche Ungereimtheiten untersucht worden. Es fanden sich außerdem einige Fälle von fast gleichlautenden Publikationen in verschiedenen Journals.
Die Frage der "professionelle Verantwortung"
Bezogen auf den Fall Schön schrieb 2002 ein Kommentator: Die offensichtliche Lehre aus diesem Fall sei, dass Betrug sich nicht auszahle. Die weniger offensichtliche Lehre: dass Verhindern und Kontrolle in der Verantwortung eines jeden Mitgliedes der "scientific community" liege.

Eine Verantwortung, der sich viele offenbar immer noch nicht bewusst sind. Denn mag auch der Betrugsfall Yung Park medial weniger Wellen schlagen, so drohen doch solche Vorfälle - mehr noch als der eigentliche Betrug - das Vertrauen in die Wissenschaft zu erschüttern.

Wissenschaftliche Fälschungen mag die Öffentlichkeit vielleicht noch als nie ganz vermeidbar hinnehmen, sicherlich aber nicht den sorglosen Umgang der Beteiligten mit Vorfällen dieser Art.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST)
->   University of Cambridge Department of Materials Science
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Risiken und Nebenwirkungen von Englisch (2.12.03)
->   Birgit Sauer: Plagiate im Zeitalter von "Copy and Paste" (19.8.03)
->   Die "Bogdanov-Affäre" beschäftigt die Wissenschaft (8.11.02)
->   Forschungsfälschungen: So alt wie die Wissenschaft (1.11.02)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010