News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Alzheimer: "Verdächtiges" Protein als Auslöser  
  Forscher suchen seit Jahren nach den möglichen Auslösern für die Demenzerkrankung Alzheimer. Nun haben sie bei einem besonders "verdächtigen" Protein erstmals nachgewiesen, dass es zum Absterben von Gehirnzellen führen könnte.  
Es ist der meistgenannte Verdächtige, wenn es um mögliche Auslöser der Alzheimer-Erkrankung geht: Das zelltoxische Protein Abeta, das regelmäßig in großen Mengen in der Hirnrinde von Betroffenen auftaucht.

Bislang war jedoch unklar, ob es überhaupt in das Zellplasma gelangen und dort Schaden anrichten kann.
Forscher erschüttern "Alibi" des Eiweißes
Jetzt ist es Bonner Wissenschaftlern gelungen, das "Alibi" des kleinen Eiweißes zu erschüttern. Ihre Ergebnisse könnten sich als ein lang gesuchtes fehlendes Kettenglied für die Entstehung der Hirnkrankheit herausstellen.
...
Die Ergebnisse werden unter dem Titel "Endoplasmic Reticulum-Localized Amyloid ß-Peptide is Degraded in the Cytosol by Two Distinct Degradation Pathways" in der Februar-Ausgabe 2004 des Fachmagazins "Traffic", Bd. 5, Seiten 89-101 publiziert. Der Artikel ist bereits jetzt online abrufbar (doi:doi:10.1111/j.1600-0854.2004.00159.x).
->   Abstract des Artikels in "Traffic"
...
Abeta-Aggregate in Hirnrinde von Erkrankten
In der Hirnrinde von Alzheimer-Erkrankten finden sich regelmäßig große Aggregate des Eiweiß-Moleküls Abeta. Wissenschaftler vermuten daher schon lange, dass das Protein eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der Krankheit spielt.

Denn Abeta kann Zellen abtöten, wenn man es künstlich ins Zellplasma schleust. Der "kleine Schönheitsfehler": Es kommt dort allerdings normalerweise gar nicht vor.
Abeta kann tatsächlich in Zellplasma gelangen
Die Bonner Zellbiologen Anton Schmitz und Volker Herzog haben nun entdeckt, dass Abeta tatsächlich von seinem Entstehungsort in das Zellplasma gelangen kann - dass es dort in der Regel aber direkt wieder abgebaut wird.

Ihre Hypothese: Wenn dieser Abbau nicht richtig funktioniert, kann Abeta sich ansammeln und dann die Zellen abtöten.
...
Abeta: Ein Spaltprodukt von APP
Abeta ist ein Spaltprodukt von APP, einem größeren Vorläufer-Protein, das nicht nur in den Nervenzellen der Hirnrinde, sondern in nahezu allen Zelltypen des Organismus nachgewiesen wurde. APP wird in den zahlreichen Membranröhren gebildet, die den Zellkern umschlingen - dem so genannten ER. Dort wird es in kleine Membranbläschen verpackt und so an die Zelloberfläche transportiert. Mitunter scheinen aber molekulare Scheren, Proteasen genannt, das APP bereits im ER so zu zerschneiden, dass Abeta frei wird. Dennoch konnte man Abeta bislang nie in nennenswerten Konzentrationen im ER nachweisen.
...
Molekularer Schredder zerkleinert Fragmente
Die Bonner Zellbiologen haben zum einen den Grund dafür gefunden, dass Abeta bislang nie in nennenswerten Konzentrationen rund um den Zellkern nachgewiesen werden konnte:

Die unerwünschten Eiweißfragmente verlassen die Membranröhren demnach sofort durch bestimmte Transportkanäle und wandern von dort zum Teil in einen molekularen "Schredder", das Proteasom, der sie weiter zerkleinert.
Zweiter Abbau-Weg genauso wichtig
"Genauso wichtig ist aber der Abbau über einen zweiten Weg", erklärt Schmitz in einer Aussendung der Universität, "nämlich über das Insulin-degradierende Enzym IDE im Zellplasma."

In Experimenten mit lebenden Zellen konnten die Biologen nun erstmals nachweisen, dass das IDE bei der Zerstörung von Abeta im Zellplasma eine Schlüsselrolle spielt.
Beide Strategien gestört: Absterben von Zellen
Sind die beiden Abbauwege gestört, so ihre Hypothese, so können sich mit der Zeit zahlreiche Abeta-Moleküle im Zellplasma anhäufen und schließlich die Zelle abtöten.

"Bei vielen Patienten, bei denen sich schon früh - also mit 50, 55 Jahren - Alzheimer-Symptome zeigen, konnte man inzwischen eine Überproduktion von Abeta nachweisen", so Schmitz.

"Bei den meisten setzt die Krankheit aber erst deutlich später ein. Und genau diese Gruppe älterer Patienten weist zum Teil auch eine verringerte IDE-Aktivität auf." Zudem funktioniere im Alter häufig auch der Protein-Schredder nicht mehr so gut; vielleicht ist bei diesen Patienten also ein gestörter Abbau von Abeta der Auslöser der Hirnkrankheit.
Ergebnisse schließen Forschungslücke
Die Ergebnisse der Bonner Wissenschaftler schließen eine Lücke, über die die Alzheimer-Forschung schon lange rätselt: Dass Zellen, in die man Abeta künstlich einschleust, sterben, ist bekannt, dass die IDE-Aktivität bei manchen Patienten verringert ist, ebenfalls.

"Ob und wie Abeta aber überhaupt ins Zellplasma gelangen kann, wusste bislang niemand", so Zellbiologe Schmitz. "Und dass es dort durch Proteasomen und IDE abgebaut wird, ist ebenfalls neu."
->   Institut für Zellbiologie der Universität Bonn
->   Alles zum Stichwort Alzheimer in science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010