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ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Negative Medizin-Studien ändern Verhalten deutlich  
  Im Sommer 2003 sorgten Warnungen vor der Hormonersatztherapie zur Bekämpfung von Wechselbeschwerden bei Frauen für Schlagzeilen. Schon ein Jahr zuvor waren ähnlich negative Untersuchungen in den USA aufgetaucht. Laut einer aktuellen Studie hat sich das Verhalten von Ärzten und Patientinnen seither deutlich geändert: Die Therapie wird weit seltener verschrieben und in Anspruch genommen - das hat bereits zu positiven Konsequenzen für die Gesundheit geführt.  
Randall Stafford und sein Team von der Stanford University School of Medicine ziehen in der aktuellen Ausgabe des "Journal of the American Medical Association" (JAMA) aus ihren Untersuchungen zwei Schlüsse:

Die Reaktion von Patienten und Ärzten auf die Veröffentlichung neuer Studienergebnisse erfolge erstens viel rascher als bisher gedacht. Und zweitens sei die Rolle der Massenmedien bei der Verbreitung medizinischer Information vielfach unterschätzt worden.
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Die Studie ist im "JAMA", Bd. 291, Seiten 54 - 62 (Ausgabe vom 7. Jänner) erschienen.
->   JAMA
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Ärzte reagieren oft langsam
Ausgangspunkt der Studien von Stafford und seinem Team war eine simple Frage: Spornen Studien, die negative Wirkungen von Medikamenten beweisen, Ärzte dazu an, ihre Verhaltensweisen - etwa die Praxis des Verschreibens - zu verändern?

Theoretisch zumindest sollten sie das tun - und immer auf der Höhe der Zeit und ihres Wissens sein. Mehrere Studien hätten in der Vergangenheit aber gezeigt, dass sie das praktisch nicht notwendigerweise tun - oder zumindest nicht besonders schnell.
Nach Warnungen 38 Prozent weniger Verschreibungen
Für ihre aktuellen Untersuchungen haben die Wissenschaftler nun mehrere amerikanische Datenbanken über die Praxis von Verschreibungen seit Mitte der 90er Jahre kombiniert.

Im Juli 2002 waren erste Warnungen vor den Langzeitfolgen der Östrogen-Progestin-Therapie durch amerikanische Ärzte laut geworden. Im Jahr darauf wurde sie um 38 Prozent seltener verschrieben - was gleichbedeutend mit dem Anstieg an Verschreibungen in den sieben Jahren zuvor war.

Die Zahlen im Detail: 1995 wurde die Therapie 58 Millionen Mal für zehn Millionen Frauen verschreiben. Bis Juni 2002 stieg diese Zahl auf 89 Millionen für 15 Millionen Frauen. Die hochgerechnete Menge für 2003 lautet 57 Millionen Verschreibungen für knapp 9,5 Millionen Frauen.
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Die warnende Studie von 2002
Die Studie hatte 2002 die Auswirkungen einer Östrogen-Progeston-Therapie untersucht und bei den Probandinnen eine erhöhte Anzahl von Brustkrebs- sowie Herz-Kreislauferkrankungen wie Herzanfall, Schlaganfall und Thrombosen festgestellt.
->   US-Studie zur Hormonersatztherapie gestoppt (9.7.02)
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Deutlich weniger Krankheitsfälle als Folge
Von allen Hormonersatztherapien hat die Östrogen-Progeston-Therapie nun laut der neuen Untersuchung am stärksten abgenommen - und zwar um 56 Prozent.

Die positiven Effekte seien dabei erstaunlich: So konnten 2001 rund 14.500 Fälle von Herzerkrankungen, Brustkrebs, Schlaganfällen und Thrombosen auf diese Hormonersatztherapie zurückgeführt werden, während es im Jahr 2003 "nur mehr" geschätzte 6.500 Fälle waren.
Bluthochdruck-Studie mit ähnlichen Resultaten
Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine zweite Studie, die sich mit dem Einsatz so genannter Alpha-Blocker gegen Bluthochdruck beschäftigte. Auch hier waren warnende Forschungsergebnisse - im März 2000 - erschienen, die im Jahr danach zu einer Veränderung im Verhalten der amerikanischen Ärzte geführt hatte.

Die gesundheitlichen Folgen seien ebenfalls beträchtlich - wenn auch weniger stark als bei der Hormonersatztherapie - gewesen.
->   Mehr über Blutdruck-Medikamente (netdoktor.de)
Berichterstattung änderte Verhalten
Ein Grund für den Unterschied: Nie zuvor hätten Warnungen vor einer bestimmten Therapie einen derartigen medialen Widerhall gefunden wie bei der Hormonersatztherapie. Und genau das halten die Forscher nun für den entscheidenden Faktor für die Verhaltensänderung von Ärzten und Patientinnen.

Warnende Studienergebnisse "müssen den akademischen Fachbereich verlassen und Gegenstand öffentlicher Berichterstattung werden", um wirksam zu werden, schließt Stafford in einer Aussendung.
->   Stanford University School of Medicine
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Hormonersatz: Einigung auf Empfehlungen (9.12.03)
->   Hormonersatz: Fachleute bezweifeln britische Studie (18.11.03)
->   Hormonersatz: Politik reagiert auf warnende Studien (19.08.03)
->   Kombinierte Hormontherapie erhöht Brustkrebsrisiko (8.8.03)
 
 
 
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01.01.2010