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Wann der Sauerstoff in die Atmosphäre kam  
  Die Atmosphäre der Erde hatte nicht immer den hohen Sauerstoffgehalt, der sie heute auszeichnet. Wann das Element seinen Weg in die Gashülle unseres Planeten gefunden hat, konnte man bislang nicht mit letzter Genauigkeit bestimmen. Dem schafft nun ein internationales Forscherteam Abhilfe: Vor 2,322 Milliarden Jahren trat das Gas demnach erstmals in nennenswerten Mengen auf.  
Andrey Bekker und seine Kollegen von der Harvard University kommen zu diesem Schluss aufgrund neuartiger chemischer Untersuchungen von Schieferstein in südafrikanischen Lagerstätten.
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Die Studie "Dating the rise of atmospheric oxygen" von A. Bekker und Mitarbeitern erschien im Fachmagazin "Nature" (Band 427, S.117-20, Ausgabe vom 7.1.04).
->   Zum Original-Abstract
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Im Anfang war der Wasserstoff
Am Anfang war die Erde noch ziemlich wüst und leer: Als unser Globus vor gut 4,5 Milliarden Jahren entstand, gab es weder irdisches Leben, noch war die Atmosphäre so beschaffen, wie wir sie heute kennen.

Ganz zu Beginn war die Erde von einem Wasserstoff- und Heliumgas umgeben, das später in den Weltraum entwich und von der so genannten Sekundäratmosphäre abgelöst wurde.
->   Erde, Mars und Mond: Älter als gedacht (29.8.02)
Zweitatmosphäre: Vor allem Kohlendioxid
Letztere entstand im Wesentlichen durch Ausgasungen von Vulkanen. Zu diesem Zeitpunkt war Kohlendioxid (CO2) das dominierende Molekül in der gasförmigen Hülle des Planeten, gefolgt von Methan (CH4), Wasserdampf und Stickstoff (N2).

Die Planeten Venus und Mars befinden sich heute noch in einem ähnlichen Entwicklungsstadium.
Oxidiertes Eisen gibt ersten Hinweis auf Alter
Aber auf der Erde ging die Geschichte bekanntlich weiter: Durch geologischen Untersuchungen fand man heraus, dass vor 2,22 Milliarden Jahren bereits messbare Mengen an Sauerstoff vorhanden waren.

Das weiß man deshalb, weil sich in Gesteinsschichten dieses Alters Eisenformationen finden lassen, die oxidiert sind - d.h. ganz offensichtlich mit Sauerstoff reagiert haben.
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Atmosphären im Überblick:
Erde Uratmosphäre: 92% H2, 7% He
Erde Sekundäratmosphäre: CO2 >> H2O, CH4, N2, S-Verbindungen
Erde heute: 78% N2, 21% O2, 0,9% Ar, 0,035% CO2 etc.
Mars heute: CO2 >> N2 > CO, O2, Ar
Venus heute: CO2 >> N2, H2O > O2, SO2, H2SO4
->   Mehr zur Erdatmosphäre bei Wikipedia
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Zeitfenster: 2,45 bis 2,22 Milliarden Jahre
Weiterhin zeigen frühere Studien, dass das in 2,45 Milliarden Jahre alten Lagerstätten nicht der Fall ist. Diese weisen eine chemische Eigenart auf, die noch vom Milieu der Zweitatmosphäre geprägt ist.

Daraus ergibt sich ein klares Zeitfenster von 230 Millionen Jahren, innerhalb dessen der Sauerstoff seinen Weg in die Gashülle unseres Planeten gefunden haben muss.
O2 als Nebenprodukt der Photosynthese
Während das Wann dieses Vorgangs bislang nicht präzise bestimmbar war, wusste man zumindest über das Wie bescheid.

Atmosphärischer Sauerstoff ist gewissermaßen ein zufälliges Nebenprodukt einer evolutionären Innovation, der die Pflanzen ihre Existenz verdanken: Bei der Photosynthese werden nämlich aus Licht, CO2 und Wasser nicht nur Kohlenhydrate gebildet, sondern es entweicht auch Sauerstoff.
->   Mehr zu Photosynthese bei Wikipedia
Globale Vergiftung
Was heute für den Menschen und die meisten anderen Tiere ganz normal und sogar lebensnotwendig ist, war damals durchaus problematisch: Denn Sauerstoff ist ein extrem reaktives Molekül, dass Zellstrukturen zerstören kann.

Aus dieser Sicht kann man das Auftreten des atmosphärischen Sauerstoffs überspitzt als "globale Vergiftungskatastrophe" bezeichnen, an die sich z.B. die atmenden Lebewesen jedoch perfekt angepasst haben.

Freilich passierte dieser Prozess nicht von heute auf morgen - das heutige Niveau von rund 20 Prozent O2 wurde erst vor rund 500 Millionen Jahren erreicht.
Schwefel-Isotope geben Aufschluss
Aber: Stete Photosynthese oxidiert den Stein - auch die vergleichsweise geringfügige Arbeit der ersten Cyanobakterien lässt sich geologisch verfolgen.

Wie Andrey Bekker und seine Mitarbeiter im aktuellen "Nature" berichten, kann nun auch das Wann des ersten Sauerstoffauftritts erstaunlich präzise gefasst werden.

Dabei bediente sich das US-amerikanisch-südafrikanische Forscherteam einer Entdeckung, die im Jahr 2000 gemacht wurde, nämlich der so genannten massenunabhängigen Fraktionierung von Schwefel-Isotopen ("mass independent fractionation", kurz: MIF).

Mit diesem Phänomen lassen sich feinste Änderungen im Sauerstoffgehalt der Atmosphäre aufspüren.
->   Was sind Isotope? (Uni Bonn)
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Mehr zur MIF findet sich in dem Artikel "Atmospheric influence on Earth's earliest sulfur cycle" von J. Farquhar und Mitarbeitern, erschienen im Fachmagazin "Science" (Band 289, S.756-8).
->   "Science"
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Geologisches Detektivspiel mit Isotopen
Die Grundidee ist folgende: Der so genannte MIF-Wert hängt mit dem Isotopenverhältnis des Schwefels in gewissen Bodenschichten zusammen.

Haben die gemessenen Werte eine geringe Spannbreite, dann weist das auf die Gegenwart von Sauerstoff hin. Denn bisher kennt man nur einen Prozess, der die Streuung der so genannten MIF-Werte einengen kann.

Das ist eine photochemische Reaktion, die nur in der modernen, d.h. O2-hältigen Atmosphäre abläuft.
Messung ergibt 2,322 Milliarden Jahre
Bekker und seine Kollegen nutzten diesen Zusammenhang bei der Analyse des Minerals Pyrit (FeS2), das aus den südafrikanischen Lagerstätten Rooihoogte und Timeball Hill stammt.

Die Messung der Proben ergab, dass bereits vor 2,322 Milliarden Jahren Sauerstoff in der Atmosphäre vorhanden war, als die beiden Gesteinsschichten abgelagert wurden.

Über den konkreten O2-Gehalt zu dieser Zeit lässt sich auch eine Aussage treffen: Dieser betrug mindestens ein Hunderttausendstel des heutigen Werts.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Harvard University
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->   Das science.ORF.at-Archiv zum Stichwort Atmosphäre
 
 
 
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01.01.2010