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Drogenersatz: Eine Injektion alle sechs Wochen  
  Die Drogen-Ersatzbehandlung bringt vielen Süchtigen ein Leben ohne ständigen Beschaffungszwang für Heroin. In den USA wurde nun eine sechs Wochen wirkende Injektion getestet - mit ambivalenten Folgen.  
Die Ersatzbehandlung ermöglicht vielen Opiatabhängigen in Österreich einen sozialen "Wiedereinstieg". Die Einnahme von Methadon-Saft erfolgt in der Apotheke.

Seit Jahren gibt es auch 24 Stunden wirkende Morphin-Tabletten (Buprenorphin). Jetzt allerdings wurde in den USA eine Buprenorphin-Depotspritze getestet, die gar sechs Wochen wirkt.
Probanden erhielten 58 Milligramm Buprenorphin
"Die Studie war die erste, die eine solche lang wirksame Depot-Formulierung bei Menschen testete. (...) Die Teilnehmer waren fünf Heroinabhängige. Stationär in einem Labor aufgenommen wurde ihr Narkotika-Gebrauch plötzlich beendet. Stattdessen erhielten die Probanden 58 Milligramm Buprenorphin als Depot-Injektion. Die Patienten wurden während der nächsten sechs Wochen wiederholt auf Anzeichen und Symptome von Entzugserscheinung untersucht", heißt es in einer Presseaussendung der Fachzeitschrift "Drug and Alcohol Dependence".

In der Jänner-Ausgabe wurde jetzt die Studie von Spezialisten der Johns Hopkins University (Baltimore, US-Bundesstaat Maryland) veröffentlicht.
->   "Drug and Alcohol Dependence"
Keine Entzugserscheinungen
Das wichtigste Ergebnis: Während der ganzen sechs Wochen traten bei keinem der Patienten Entzugserscheinungen auf. Es waren auch keine weiteren Medikamente notwendig.

Ein weiterer Aspekt: Die Probanden bekamen ein Mal wöchentlich das schnell wirksame Hydromorphin. Hier sollte getestet werden, ob sie trotz des Langzeit-Medikaments noch einen "Flash" durch ein zusätzliches schnell wirksames Opiat erhielten. Das war offenbar nicht der Fall, weil das Buprenorphin bereits die Opiat-Rezeptoren im Gehirn besetzt hatte.

Für die US-Wissenschaftler könnte das erst in Entwicklung stehende Depot-Morphin vor allem die Möglichkeit für eine langfristige und über Spitäler, Ambulanzen oder andere "offizielle" Stellen erfolgende Opiat-Substitutionstherapie sein.
Wiener Expertin: Eher etwas für USA und Entwicklungsländer
Doch gegenüber der APA legte die Wiener Expertin Gabriele Fischer von der Universitätsklinik für Psychiatrie Wert auf eine differenzierte Betrachtungsweise: "Diese Depot-Substitutionstherapie ist nicht primär abzulehnen. Doch man muss auch berücksichtigen, dass das vor allem etwas für die USA und Entwicklungsländer sein könnte. In den USA konnte Buprenorphin ja bisher nicht über Arztpraxen für Abhängige verschrieben werden. Und wenn man die Möglichkeit in Entwicklungsländern schafft, in denen es keine notwendige Logistik gibt, Drogenabhängige mit einer Substitutionstherapie zu versorgen, ist das wahrscheinlich auch ein Fortschritt."
Tägliche Auseinandersetzung mit Krankheit ist wichtig
Ganz anders sieht es in Österreich aus: Seit Jahren gibt es Substitutionsmittel, die 24 Stunden wirken, zum Beispiel Buprenorphin-Sublingualtabletten. Gabriele Fischer: "Vom modernen Konzept von Gesundheit und Krankheit ist eine solche Depot-Spritze eher ein Rückschritt. Es ist doch sehr wichtig, dass sich Abhängige - auch bei der ein Mal täglich erfolgenden Einnahme einer Tablette - mit ihrer Krankheit auseinandersetzen."
"Alle paar Wochen Spritze" löst Problem nicht
Außerdem würde das Mittel eventuell auch den immer noch unterschwellig gegen Drogenkranke existierenden Aggressionen entgegenkommen. Das - so die Wiener Expertin - würde womöglich folgende oder ähnliche Überlegungen unterstützen: "Eine Spritze alle paar Wochen - und das Problem ist (scheinbar) weg."

In Österreich befinden sich rund 5.200 Opiat-Abhängige in Substitutionsbehandlung. Es spielte ehemals eine Pionierrolle bei der Einführung dieser Therapieform.
->   Universitätsklinik für Psychiatrie, AKH Wien
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Drogen: Substitution verhindert Risken (12.09.02)
->   Gute Erfolge mit neuer Drogen-Ersatzbehandlung (22.4.02)
->   Drogensubstitution bei Schwangeren (25.3.02)
 
 
 
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01.01.2010