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Kosmische Archäologie mit bisher größtem Hubble-Bild  
  Ein internationales Forscherteam hat die bisher größte mit dem Weltraumteleskop Hubble gewonnene Farbaufnahme vorgestellt: Das Bild gibt Aufschluss über die Verteilung der Galaxien im Universum - und hilft den Astronomen zu verstehen, wie sich große, unserem Milchstraßensystem ähnliche Galaxien während der letzten neun Milliarden Jahre entwickelt haben.  
Eric F. Bell vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und Shardha Jogee vom Space Telescope Science Institute in Baltimore präsentierten die Aufnahme auf der jüngsten Tagung der American Astronomical Society (AAS) in Atlanta.
->   203. AAS Tagung, Jänner 2004
Die Größe entscheidet
Die Größe von Himmelsaufnahmen ist für die Wissenschaft eine wesentliche Eigenschaft. Denn Galaxien sind nicht gleichmäßig über den Himmel verteilt: Sie bilden im Weltraum Haufen und Ketten. Deshalb können kleinere Himmelsausschnitte zufällige, untypische Merkmale aufweisen.
Die "Bevölkerungsdichte" des Universums
Zum Vergleich: Auf Nachtaufnahmen erscheinen die Ballungsgebieten in ganz Europa hell erleuchtet, Ackerland, Wälder, Berge und Seen bleiben dagegen dunkel.

Um zu verstehen, wie die Bevölkerung über Europa verteilt ist, muss man also ein hinreichend großes Gebiet untersuchen, in dem sowohl dunkle, dünn besiedelte Areale vorkommen, als auch hell erleuchtete dicht besiedelten Städte liegen.

Gleiches trifft auch auf die Verteilung der Galaxien am Himmel zu: Nur wer eine Vielzahl ihrer Größen und Formen untersucht, kann letztlich die ganze Bandbreite möglicher Galaxientypen erfassen und damit kurze, heftige Phasen ihrer Entwicklung herausfinden.
Die bunte Welt der Galaxien
 
Bild: GEMS-Kooperation

Dieses Bild zeigt ein Mosaik aus 80 hellen Galaxien, die im so genannten GEMS-Feld ("Galaxy Evolution from Morphology and Spectral Energy Distributions") vorkommen. Deutlich erkennbar ist die Vielfalt der Formen, Größen und Strukturen: Elliptische Galaxien, Spiralgalaxien und spektakuläre Gruppen wechselwirkender Galaxien.
Blick in die Vergangenheit: Neun Milliarden Jahre
Für das GEMS-Projekt hatten die Astronomen ein Himmelsareal ausgewählt, für das die Entfernung von annähernd zehntausend einzelnen Galaxien bereits bestimmt worden war.

Weil das Universum expandiert, entfernen sich die Galaxien umso schneller von uns, je größer ihr Abstand von uns ist. Aufgrund dieses Doppler-Effekts lässt sich aus den Spektren der Galaxien deren Fluchtgeschwindigkeit und damit ihre Entfernung ableiten. Und weil die Lichtgeschwindigkeit endlich ist, sehen wir die ferneren Galaxien in einem früheren Stadium als die näheren.

Mit Hilfe dieser "Zeitmaschine" schauen wir auf dem GEMS-Bild bis zu neun Milliarden Jahre in die Vergangenheit zurück, das sind bis zu 4,5 Milliarden Jahre vor der Entstehung der Sonne und der Erde.
Mosaik und Mond im Vergleich
 
Bild: GEMS-Kooperation

Dieses Bild zeigt die Anordnung der mit der Advanced Camera for Surveys des Weltraumteleskops Hubble erhaltenen, nummerierten Einzelaufnahmen, die zusammen das größte je mit Hubble-Daten erzeugte Farbmosaik bilden. Alle Aufnahmen zusammen überdecken ein vollmondgroßes Areal. Das Feld liegt am Südhimmel im Sternbild Fornax; das Bild des Vollmondes ist zum Größenvergleich einkopiert.
Entfernungen konnten bestimmt werden
Christian Wolf von der University of Oxford und Klaus Meisenheimer vom Max-Planck-Institut für Astronomie hatten zusammen mit ihren Kollegen innerhalb des GEMS-Feldes die Entfernung von etwa 10.000 Galaxien mit einer Genauigkeit von wenigen Prozent bestimmt.

Mit diesem Datensatz und den exzellenten Hubble-Bildern kann man nun die Entwicklung der verschiedenen Galaxientypen im Laufe der letzten neun Milliarden Jahre erforschen.
Beispiel: Wie entstanden galaktische Balken?
Zum Beispiel: Wie kam es zur Ausbildung von Balkenstrukturen in den Spiralgalaxien? Die "Balken" sind längliche Verdichtungen in der zentralen Verteilung der Sterne in den Galaxien.

Heute gibt es diese Balkenstrukturen in den meisten Spiralgalaxien, einschließlich unseres eigenen Milchstraßensystems. Doch wenig ist darüber bekannt, wann und wie sie entstanden sind.
Wechselwirkung als Forschungsfokus
Eines der Ziele des GEMS-Projekts ist es deshalb, zu untersuchen, wie die Wechselwirkungen der Galaxien untereinander ihre spätere Entwicklung beeinflusst haben.

Wechselwirkende Galaxien üben starke Gravitationskräfte aufeinander aus, die zu morphologischen Veränderungen bis hin zur vollständigen Verschmelzung der wechselwirkenden Partner führen können. Auf dem neuen GEMS-Bild sind einige wechselwirkende und verschmelzende Galaxien aus allen Epochen unseres Universums (bis zurück in die Zeit vor etwa neun Milliarden Jahren) zu erkennen.

Aus den beobachteten, manchmal bizarren Formen, wie doppelten Galaxienkernen, Tausenden von Lichtjahren langen Gezeitenschwänzen und exzentrischen Sternentstehungsgebieten, lässt sich die innere Dynamik der beteiligten Systeme rekonstruieren.
Paare wechselwirkender Galaxien
 
Bild: GEMS-Kooperation

Dieser Ausschnitt aus dem GEMS-Feld zeigt eine besonders eindrucksvolle Szene: Zwei Paare wechselwirkender Galaxien stehen nahe beieinander im Vordergrund. Zudem ist noch ein drittes Paar in weit größerer Entfernung zu erkennen.
->   Max-Planck-Institut für Astronomie
->   Space Telescope Science Institute
->   HubbleSite
->   Mehr über Hubble-Aufnahmen im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010