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Gedächtnis: Schlafen für die grauen Zellen  
  "Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf", sagt der Volksmund. Dass man damit auch aus biologischer Sicht keineswegs falsch liegt, belegt nun eine neue Studie eindrücklich: US-amerikanische Forscher wiesen an Ratten nach, dass in bestimmten Schlafperioden eine Art Echo vorher getätigter Erlebnisse auftritt. Dies dürfte der Festigung von Gedächtnisinhalten dienen.  
Wie ein Team um Miguel Nicolelis und Sidarta Ribeiro vom Duke Center for Neuroengineering in Durham/North Carolina zeigt, spielen dabei die verschiedenen Schlafperioden unterschiedliche Rollen. Im Stadium des so genannten langsamwelligen Schlafes werden Erfahrungsinhalte reaktiviert und verstärkt, während die REM-Phase letztlich zu deren Speicherung dient.
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Die Studie von Miguel Nicolelis und Sidarta Ribeiro erschien am 19.1.04 im Open Access-Medium "Public Library of Science".
->   Public Library of Science
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Vier Gehirnregionen untersucht
Sidarta Ribeiro und seine Mitarbeiter platzierten im Rahmen ihrer Studie mehr als 100 Mikroelektroden in den Gehirnregionen von Ratten, die mit der Verarbeitung von Sinnesinformationen und der Gedächtnisbildung zu tun haben.

Dabei konzentrierten sie sich auf den Hippocampus - nach neurobiologischer Lehrmeinung ein Zentrum der Gedächtnisspeicherung -, sowie auf drei Regionen im Vorderhirn, die mit Nager-spezifischen Verhaltensweisen befasst sind.
->   Mehr zum Hippocampus bei Wikipedia
Versuch: Im Dunklen ist gut Munkeln
Daraufhin konfrontierten die Neurowissenschaftler ihre Versuchstiere mit vier verschiedenen, unbekannten Objekten - und zwar im Dunkeln.

Dies deshalb, weil nachtaktive Nager ihre Umwelt unter anderem mit ihren Tasthaaren wahrnehmen. Bei den vier Objekte handelte es sich um: Einen Golfball, eine Fingernagelbürste, ein Stück Holz mit Nägeln sowie eine Tube.
"Echo" der Erfahrungen aufgetreten
Dabei registrierten die Forscher die Gehirnaktivitäten der Nager und beobachteten diese auch einige Wach-Schlaf-Zyklen nach dem eigentlichen Experiment.

Dabei zeigte sich, dass bis zu 48 Stunden nach der Konfrontation mit den fremden Gegenständen eine Art "Echo" dieser Erlebnisse auftraten.
Das Gehirn legt Neues nicht ad acta
Nach Auskunft von Ribeiro spiegelt sich der Grad der Vertrautheit mit der Umwelt in unterschiedlichen Aktivitätsmustern des Gehirns.

In bekannten Umgebungen wechselt das Gehirn seine Erregungszustände, während Neuheiten zu Mustern führten, die in allen untersuchten Hirnregionen andauerten.

Außerdem fand die Forschergruppe heraus, dass die erwähnten neuronalen "Echos" auf eine spezielle Schlafperiode konzentriert waren: Sie traten vor allem während des so genannten langsamwelligen Schlafes - und weniger im REM-Stadium - auf.
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Perioden des Schlafes: REM und non-REM
Nach den EEG-Signalen während des Schlafes unterscheidet man grob die REM- (von "rapid eye movement") und non-REM-Phase. Letztere wird wiederum in vier Perioden gegliedert: Die Stadien 3 und 4 werden auch als langsamwelliger Schlaf ("slow wave sleep") bezeichnet. Trauminhalte aus diesen Stadien - gleich welcher Art - sind selten.
->   Mehr zu REM bei Wikipedia
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Widersprüchliche Befunde?
Dies widerspricht - oberflächlich betrachtet - vorausgehenden Studien, denen zufolge vor allem während des REM-Stadiums Gene aktiviert sind, die an der so genannten Gedächtniskonsolidierung (= Festigung der Inhalte) beteiligt sind.
Modell integriert bisherige Studien
Ribeiro und sein Team nehmen das nun zum Anlass, um ein Modell zu präsentieren, das beide Befunde integriert: "Ausgehend von all diesen Ergebnisssen schlagen wir zwei separate Stufen mit komplementären Aufgaben in der Gedächtniskonsolidierung vor", erklärt Ribeiro:

"Perioden des langsamwelligen Schlafes sind sehr lange und rufen eine Reaktivierung und eventuell auch eine Verstärkung von Erinnerungsspuren hervor."

In den viel kürzeren REM-Phasen werden wiederum genetische Prozesse aktiv, welche die während des langsamwelligen Schlafes bearbeiteten Inhalte speichern. Letztlich seien beide Vorgänge notwendig, um aus einer Erfahrung einen neuen Gedächtnisinhalt zu machen.
->   Duke Center for Neuroengineering
Mehr dazu in science.ORF.at
->   Alzheimer als fehlgeleiteter Winterschlaf? (17.12.03)
->   "Vergessenes" Wissen wird nachts gerettet (9.10.03)
->   Die molekulare Basis des Gedächtnisses (26.4.03)
->   Das science.ORF.at-Archiv zum Thema Schlaf
 
 
 
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01.01.2010