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Grazer Forscher entwickeln Bluttest auf Laktose-Intoleranz  
  Früher nahm man die Betroffenen häufig nicht ernst. Jetzt allerdings gibt es den weltweit ersten Bluttest auf das Vorliegen einer so genannten Laktose-Intoleranz, entwickelt von Grazer Wissenschaftlern. Betroffene können im Darm Milchzucker nur ungenügend abbauen. Bis zu 25 Prozent der Österreicher sind Schätzungen zufolge von dieser Stoffwechselstörung betroffen.  
"Verdauungsprobleme und ein offenbar deutlich höheres Osteoporose-Risiko können die Folge sein", erklärte Barbara Obermayer-Pietsch von der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universitätsklinik Graz gegenüber der APA.

In der Jänner-Ausgabe des "Journal of Bone and Mineral Research" veröffentlichten die steirische Medizinerin und ihre Co-Autoren jene wissenschaftliche Arbeit, die mittlerweile international für Aufsehen sorgt.
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Der Artikel "Genetic Predisposition for Adult Lactose Intolerance and Relation to Diet, Bone Density, and Bone Fractures" ist erschienen im "Journal of Bone and Mineral Research", Bd. 19, Seiten 42 - 47, Ausgabe vom Jänner 2004. Der Zusang zur Jänner-Ausgabe ist derzeit kostenfrei, der Artikel über das Inhaltsverzeichnis zugänglich.
->   "Journal of Bone and Mineral Research"
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Milchzuckerunverträglichkeit: Ein häufiges Übel
"Die Milchzuckerunverträglichkeit (Laktoseintoleranz, Anm.) betrifft in Österreich 20 bis 25 Prozent der Menschen, in Schweden nur drei Prozent, in Frankreich 40, unter den schwarzen US-Amerikanern 75 Prozent und unter den Asiaten sogar an die 100 Prozent der Menschen", erläuterte Barbara Obermayer-Pietsch.
Gen-Mutation macht Milchtrinker
Die Ursache für diesen Umstand liegt weit in der Vergangenheit: Mit der Verbreitung der Milchwirtschaft und Milchprodukte etwa um die Eisenzeit bekamen Menschen, welche Milch und/oder Käse nicht vertrugen, eine Mangelernährung und einen Entwicklungsnachteil.

In jenen Regionen der Welt dagegen, in denen man bei Rindern, Milch und Milchprodukten blieb, setzten sich dagegen in Laufe der Evolution offenbar jene Menschen durch, die Laktose - dank einer Genmutation - auch nach der Säuglings- und Kleinkindphase besser vertrugen.
Bislang nur aufwändige und ungenaue Tests
"Menschen mit Laktoseinteroleranz bilden im Darm zu wenig Laktase. Bisher gab es nur aufwändige und ungenaue indirekte Tests. Der Ort im Genom, an dem sich die dafür zuständige Gen-Mutation befindet, wurde vor einem Jahr in 'Nature Medicine' beschrieben", erklärte die Expertin.
->   Informationen zu Laktose-Intoleranz in www.medicine-worldwide.de
Neuer Bluttest vereinfacht die Diagnose
Der neue Bluttest der Grazer Wissenschaftler vereinfacht nun die Diagnose: "Wir haben einen Test entwickelt, der den zu Grunde liegenden Gen-Polymorphismus (Basenaustausch in der DNA) nachweist."

Trägt ein Mensch jene Veranlagung in seiner Erbsubstanz, wird weniger bis kein Laktase-Enzym gebildet. Als Folge kommt die Verdauung mit dem zugeführten Milchzucker nicht mehr zurecht.

"Die Betroffenen nehmen zumeist automatisch weniger Milch- und Milchprodukte zu sich, weil sie Blähungen und andere Probleme bekommen und daher Laktose-haltige Speisen instinktiv meiden", so Barbara Obermayer-Pietsch.
Geringere Kalzium-Aufnahme, geringere Knochendichte
Dies führe aber auch zu einer geringeren Kalzium-Aufnahme, sagte die Medizinerin. "Die weitere Folge kann sein, dass beispielsweise Frauen bezüglich des Knochenabbaus mit zunehmendem Alter von vorn herein in einer schlechteren Ausgangslage sind."

Dass Betroffene wirklich bezüglich ihrer Knochendichte schlechter "dastehen", wiesen Barbara Obermayer-Pietsch und ihre Co-Autoren an 258 Frauen nach der Menopause nach. 24 Prozent wiesen eine Laktoseintoleranz auf.

Die Aufnahme von Kalzium war im Vergleich zu anderen Personen um 55 Prozent reduziert. Das war auch mit einer um sieben bis elf Prozent reduzierten Knochendichte an Rückenwirbeln und am Oberschenkelhals verbunden.
Bluttest kann mögliche Mitursache klären
Die Schlussfolgerung der Experten: Menschen mit Osteoporose sollten sich auch auf das mögliche Vorliegen einer Laktoseintoleranz per Bluttest untersuchen lassen. Vielleicht ist das die Mitursache für eine verminderte Knochendichte.

Auf der anderen Seite könnte man durch eine Auswahl von Laktose freien Milchprodukten gegensteuern. Barbara Obermayer-Pietsch: "Wir empfehlen die tägliche Zufuhr von einem Gramm Kalzium und von 400 internationalen Einheiten von Vitamin D3."
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Derzeit Studien zum "Süd-Nord-Gefälle"
Das Süd-Nord-Gefälle in der Häufigkeit der Laktoseintoleranz steht im Übrigen möglicherweise mit dem Zusammenspiel von Sonneneinstrahlung und Vitamin D auf den Calcium-Stoffwechsel in Verbindung, weitere Studien zu diesem Thema sind derzeit im Laufen.
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Laktose häufig in Lebensmitteln "versteckt"
Ein zusätzliches Problem laut der Grazer Expertin: "Als billiger Nahrungszusatz wird die Laktose häufig 'versteckt' in industriell erzeugten Lebensmitteln verwendet." Problem könnten aber auch betroffene Menschen bekommen, wenn sie Tabletten mit Laktose als Hilfsstoff einnehmen.
->   Klinische Abteilung für Endokrinologie und Nuklearmedizin Graz
->   Selbsthilfegruppe zu Laktoseintoleranz (libase.de)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   "Milch-Gene": Koevolution bei Mensch und Kuh (24.11.03)
->   Gen-Mutation macht aus Menschen "Milchtrinker" (15.1.02)
 
 
 
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01.01.2010