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Geruchsverlust des Menschen für besseres Augenlicht  
  Der Mensch verfügt zwar über eine ganz ansehnliche Zahl von "Geruchs-Genen", ein Großteil davon ist jedoch heute mehr oder minder funktionslos. Im Laufe der Evolution hat der Homo sapiens - ebenso wie eine Reihe seiner Verwandten unter den Primaten - den feinen Geruchssinn gegen ein besseres Augenlicht eingetauscht, meinen nun Wissenschaftler.  
Das zeigt ein Vergleich der Sinnesorgane verschiedener Primaten, die der Evolutionsbiologe Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig in der Fachzeitschrift "Public Library of Science/Biology" vom Dienstag vorstellt.
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Der Artikel "Loss of Olfactory Receptor Genes Coincides with the Acquisition of Full Trichromatic Vision in Primates" wurde am 20. Jänner 2004 in den PloS Biology publiziert (DOI: 10.1371/journal.pbio.0020005).
->   Der Artikel im Volltext (www.plosbiology.org)
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Mensch: Drei Pigmente für Farbsehen
Die Forscher berichten, dass höhere Primaten wie der Mensch drei Pigmente zur Wahrnehmung von Farben in den Augen haben, während niedrigere Primatenarten mit nur zwei Pigmenten auskommen müssen.

Dafür wiederum ist beim Menschen gut die Hälfte all jener Gene durch Mutation deaktiviert, die Affen zu ihrem besseren Geruchssinn verhelfen.
Menschlicher Geruchssinn hat viele Pseudogene
Grundsätzlich sind Säugetiere recht gut ausgestattet, was Gene für den Geruchssinn betrifft. Immerhin stellen diese die größte Gen-Familie in ihrem Genom dar.

Doch beim Menschen sind davon im Laufe der Evolution mehr als die Hälfte funktionslos geworden, als so genannte "Pseudogene" produzieren sie keine für die Sinneswahrnehmung wichtigen Proteine mehr.
Erbgut-Vergleich enthüllt die Ursache
Wie nun die Max-Planck-Forscher durch ihre Vergleichsstudie herausgefunden haben, ging dieser Verlust wohl einher mit der Entwicklung des besseren Farbsehens - dank der drei Pigmente im menschlichen Auge.

Die Wissenschaftler analysierten bei 19 Primatenarten einschließlich dem Menschen das für den Geruchssinn kodierende Erbgut.
Homo sapiens, Menschenaffen und Neuweltaffen
Demnach sind auch die nächsten Verwandten des Homo sapiens, die zu den Altweltaffen zählenden Menschenaffen mit vergleichsweise vielen Pseudogenen ausgestattet. Ihr Geruchssinn funktioniert nur wenig besser als beim Menschen.

Die so genannten Neuweltaffen dagegen verfügen laut der Studie über sehr viel mehr funktionierende Geruchsgene. Sie haben etwa gleich viele Pseudogene wie etwa die Maus.
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Die Evolutionsgeschichte der Primaten
Im Laufe der Evolution entwickelten sich einst affenähnliche Baumbewohner, daraus spalteten sich vor Millionen Jahren verschieden Linien auf: Heute unterscheidet man die in Afrika und Asien lebenden Altweltaffen, zu denen die Menschenaffen zählen, von den auf dem amerikanischen Kontinent lebenden Neuweltaffen.
->   Die Ordnung der Primaten (www.primatis.de)
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Die Ausnahme löst das Rätsel: Farbsehen als Grund
Bild: PLoS Biology
Schwarzer Brüllaffe Alouatta caraya
Ein Neuweltaffe tanzt alllerdings aus der Reihe: der Schwarze Brüllaffe (Alouatta caraya) steht geruchlich betrachtet etwa auf dem gleichen Stand wie seine Verwandten in der Alten Welt.

Brüllaffe und Altweltaffen aber verfügen über eine weitere Gemeinsamkeit, die sie zudem auch mit dem Menschen teilen: Sie verfügen über das so genannte trichromatische Farbensehen - und können im vollen Farbspekturm sehen.

Die Entwicklung von drei verschiedenen Sehfarbstoffen aber hat nach und nach die Bedeutung des Geruchssinns für den Menschen und seine äffischen Verwandten verringert, glauben die Forscher. Und dies lässt sich heute auch im Erbgut ablesen.
->   Farbsehen bei Tieren
Pheromone: Überflüssig dank Farbsehen?
Die Ergebnisse passen im Übrigen zu einer Studie amerikanischer Forscher, die einen Zusammenhang zwischen dem Farbsehen sowie der Wahrnehmung von Pheromonen untersucht haben.

Pheromonen sind chemische Botenstoffe, die etwa bei Insekten das Fortpflanzungs- und Sozialverhalten steuern. Der Studie zufolge aber weist der Mensch keine oder kaum mehr funktionierende Pheromon-Rezeptoren auf.

Der Grund nach Ansicht der US-Wissenschaftler: Die Entwicklung des Farbsehens habe sich langfristig als bessere Methode bei der Partnersuche erwiesen - und so die Wahrnehmung der Botenstoffe überflüssig gemacht.
->   Pheromone: Überflüssig dank Farbsehen?(16.6.03)
->   Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
->   PLOS Biology
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Der Mensch: Gehör und Geruchssinn ausschlaggebend? (11.12.03)
->   Wie die Nase lernt, Gerüche wahrzunehmen (24.10.02)
->   Kooperative Nager: Geruch bestimmt Sozialverhalten (26.3.02)
 
 
 
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01.01.2010