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Trotz Monogamie: Möwen setzen auf Sperma-Qualität  
  Strenge Monogamie ist offenbar auch bei Vögeln keine Garantie für immerwährende Harmonie, wie österreichische Forscher berichten. Bei den Dreihzehenmöwen folgen Männchen und Weibchen demnach sehr unterschiedlichen Strategien, was den Nachwuchs angeht. Für die Möwendamen steht auch in der Partnerschaft die Qualität des Spermas an oberster Stelle. Die Männchen hingegen wollen vor allem sicherstellen, dass die zukünftigen Jungvögel auch wirklich von ihnen stammen.  
Dreizehenmöwen (Rissa tridactyla) gelten als ausgesprochen monogam. Weniger als ein Prozent der im gemeinsamen Nest zur Welt gebrachten Jungen stammen nicht vom Partner des Weibchens, erklärte Verhaltensforscher und Studienautor Richard Wagner gegenüber der APA.
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Die Wissenschaftler um Richard Wagner vom Konrad Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) veröffentlichen ihre Beobachtungsergebnisse in den "Proceedings of the Royal Society of London Biology Letters". Die Studie erscheint als Online-Vorabpublikation.
->   Proceedings of the Royal Society of London Biology Letters
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Weibchen will vor allem gesunde Junge
"Eine gefiederte Welt der Eintracht" - könnte man angesichts dieser strengen Monogamie meinen. Während es dem Weibchen aber darum geht, möglichst gesunde Junge in die Welt zu setzen, ist dem Männchen (wie so oft im Tierreich) nur wichtig, dass der Nachwuchs tatsächlich von ihm stammt.

Das Dreizehenmöwen-Weibchen kann jedoch nach einer Kopulation den Samen in einem eigenen Reservoir speichern, und hier setzt auch die Strategie der Damen an:

Denn die Spermien können in jenem Speicher nachweislich altern. Sie degenerieren mit der Zeit, was sowohl den Bruterfolg als auch den Zustand der geschlüpften Küken nachteilig beeinflussen kann. Weibchen, die jene Technik seltener anwenden, haben laut Studie im Vergleich weniger und kleinere Nachkommen.
Der Trick: Zu frühe Samen werden ausgeschieden
Um dies zu vermeiden, greifen die Weibchen daher zu einem Trick. Da das Ei erst rund einen Tag vor dem Legen befruchtet wird, befördern sie häufig den Samen nach einer Kopulation lange vor der Eiablage wieder aus dem Körper.

Dazu komprimieren sie mittels Muskel die so genannte Kloake - die Geschlechtsöffnung - und das Ejakulat landet nur etwa 90 Sekunden nach der Paarung in der Umwelt.

Erst wenn der Tag der Befruchtung des Eies heranrückt, wendet das Weibchen diese Methode nachweislich seltener an, so das Ergebnis der Wissenschaftler. So stellt es sicher, dass stets nur frische Spermien zum Zuge kommen.
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Warum Vögel fremd gehen: Betrug statt Inzest
In der Vogelwelt kennt man etwa auch die Strategie des Fremdgehens - die aus ähnlichen Gründen angewandt wird: Eng verwandte Vogel-Partner, die eigentlich monogam leben, gehen häufiger fremd als genetisch verschiedene Paare. Wie Forscher meinen eine Strategie, um beim Nachwuchs Schäden durch Inzucht zu vermeiden. Indem sie "außerehelichen" Nachwuchs mit einem weniger nah verwandten Partner zeugen, gleichen Vögel schädliche Folgen von Inzucht aus. Auf diese Weise erhöhen die Tiere die Überlebensfähigkeit des eigenen Nachwuchses.
->   Mehr dazu: Artikel vom 10. Oktober 2002
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Für Männchen wächst Gefahr durch Nebenbuhler
Für das Männchen sei dies - so die Logik der Verhaltensforscher - ein Grund zur Besorgnis, da damit die Gefahr wächst, dass kurz vor der Befruchtung doch noch ein Nebenbuhler zuschlägt und der "Herr des Nests" fremde Brut aufzieht.

Die Möwenherren versuchen also nach Möglichkeit, dem unerwünschten Sperma-Ausstoß entgegen zu wirken:

Bemerkt der Partner also, dass sein Weibchen zu ihrem Trick greift, um sich seines alten Samens zu entledigen, so schreitet auch er zur Tat - und bleibt häufiger nach der Kopulation auf dem Rücken des Weibchens sitzen und verhindert durch sein Gewicht das Entleeren der Kloake.
Selektion auch innerhalb einer Partnerschaft
Diesen Zusammenhang konnten die Forscher eindeutig nachweisen. Womit laut Studienleiter Wagner erstmals gezeigt wurde, dass Weibchen neben gezielter Selektion eines Partners auch innerhalb einer Partnerschaft auf die Qualität des Samens achten. Bisher konnte dies noch für keine Tierart belegt werden.
->   Konrad Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung
->   Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
->   Informationen zur Dreizehenmöwe (University of Michigan)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Blaumeisen: Fremdgehen für fitten Nachwuchs (15.10.03)
->   Spermien brauchen "Extra-Kick" für die Befruchtung (1.12.03)
->   Eitle Gockel: Viel Sperma für neue Hennen (6.11.03)
->   Sperma: Qualität ist wichtiger als Quantität (7.11.02)
 
 
 
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01.01.2010