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Nie mehr lesen? - Der Computer macht's  
  Kürzlich wurde der erste vollfunktionsfähige "Science-Roboter" vorgestellt, der nicht nur selbstständig Experimente durchführen kann, sondern auch Hypothesen bildet und überprüft. Nun steht ein weiteres Handwerk der Zunft vor der endgültigen Rationalisierung: das Lesen. Eine neue Software soll Wissenschaftlern das endlose Schmökern der zunehmend ausufernden Zahl von Journalen und Büchern bald ersparen.  
Das hoffen zumindest Bioinformatiker um Harold Garner vom UT Southwestern Medical Center in Dallas in einer Studie, die im Journal "Bioinformatics" erschienen ist.

Gleichgültig ob es sich um Fachgebiete wie Krebs, AIDS, Kinderheilkunde oder Kardiologie handle, mit der neuen Computer-Applikation sollen Wissenschaftler im Handumdrehen relevante Anknüpfpunkte zu anderen Studien finden können.
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Die Studie "Shared relationship analysis: ranking set cohesion and commonalities within a literature-derived relationship network" ist im Journal "Bioinformatics" (Bd. 20, S. 191, Ausgabe vom 22. Jänner 2004) erschienen.
->   Original-Abstract in "Bioinformatics"
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"Emulation wissenschaftlicher Gedanken"
Die Computeranwendung sei einzigartig, schreibt Biochemiker Harold Garner in einer Aussendung, da sie "den wissenschaftlichen Gedankenprozess emuliere". Sie durchforste Tonnen an Literatur, markiere die relevanten Assoziationen und reihe sie nach ihrer Wichtigkeit.

Hauptargumente für den Schritt vom Menschen zur Maschine: Zeit- und Geldersparnis sowie ein schnellerer Forschungserfolg. Außerdem habe die Software ihre Funktionstüchtigkeit durch die Bestimmung neuer Anwendungen von bekannten Medikamenten bereits unter Beweis gestellt.
Programm analysiert Daten aus "Medline"
Das Datenmaterial bezieht das "Iridescent" getaufte Programm aus den Abstracts des medizinischen Online-Dienstes "Medline", der wichtigsten bibliografischen Datenbank in Sachen Medizin und Gesundheitswissenschaft.

Statistische Berechnungen führen zu einer "intelligenten" Trefferliste der gesuchten Stichworte und einer ebensolchen Verknüpfung mit anderen Studien.
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"Medline": 12,7 Millionen Artikeln
Der Umfang an Information und v.a. sein exponentielles Wachstum machen es Medizinern in der Tat so gut wie unmöglich, einen Überblick über ihr Fachgebiet zu behalten. Die Datenbank "Medline" besteht derzeit aus 4.600 Journalen mit 12,7 Millionen Artikeln aus den vergangenen 35 Jahren. Jährlich kommt eine halbe Million neuer Abstracts hinzu.
->   "Medline"
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Kombination statistischer Auffälligkeiten
"Iridiscent" könne allgemeine Themen identifizieren, aber auch statistische Auffälligkeiten berechnen und zusammenhängende Ergebnisse innerhalb der Trefferliste neu gruppieren. Beispielhaft genannt werden bestimmte Substanzen, welche die Aktivität verschiedener Gene beeinflussen.

Die Software sei in der Lage aus dem Informationswust eine Reihe von Hypothesen zu ziehen und dem Forscher so zu "verborgenem Wissen" zu verhelfen.
Interpretation noch Menschensache
Zwar sei man noch weit davon entfernt, die Interpretation der wissenschaftlichen Daten in die Hände von Computern zu legen, meinte Ko-Autor Jonathan Wren von der University of Oklahoma. In der sinnvollen Organisation von Wissen würden sie aber zunehmend unverzichtbar werden.
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Selbstständiger Wissenschafts-Roboter
Erst Mitte Jänner haben britische Forscher von einem Robotersystem berichtet, das erstmals dazu in der Lage ist, eigenständig wissenschaftlich zu "denken" und Experimente auszuführen. In "Nature" schrieben sie vom erfolgreichen Test der Aufgabe, das Erbgut des Hefepilzes zu untersuchen.
->   "Science robot": Denkend und experimentierfreudig (15.1.04)
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Vorhersage: Einsatz von Psycho-Pharmaka für Herzkrankheit
Nach Auskunft der Forscher konnte die Software ihre Möglichkeiten bereits konkret unter Beweis stellen: bei der Vorhersage von neuen Anwendungen bestehender Medikamente. Auf diese Weise sei etwa die positive Wirkung von Chlopromazin zur Reduzierung von Herzhypertrophie erkannt worden.

Bisher sei das Medikament (auch unter dem Namen Thorazin bekannt) bei psychiatrischen Krankheiten eingesetzt worden - und nicht als Therapie gegen die unerwünschte Erweiterung des Herzens. Für die wirtschaftliche Verwertung der Software sorgt die Firma "etexx Biopharmaceuticals".

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   Mehr über die Arbeit (Harold Garner Lab)
->   University of Texas Southwestern Medical Center at Dallas
->   etexx Biopharmaceuticals
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   "Data mining": Sinnsuche im Meer biologischer Daten (12.11.02)
->   Buchkultur Adieu? Die Zukunft des Wissens (14.6.02)
 
 
 
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01.01.2010