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Nach VfGH-Urteil: Hochschulen müssen nichts ändern  
  Die Beschwerde der SPÖ gegen die Universitätsreform 2002 wurde vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) überwiegend abgewiesen. Die Höchstrichter bestätigten die im Universitätsgesetz 2002 vorgesehene Universitätsorganisation, auch die umstrittenen Uni-Räte, halten die Leistungsvereinbarungen zwischen den Hochschulen und dem Bund aber für verfassungswidrig. Für die Universitäten ändert sich durch das VfGH-Erkenntnis nichts.  
Die bereits bestellten Organe bleiben unverändert, ebenso bereits durchgeführte Änderungen der inneren Organisation. Die Leistungsvereinbarungen wären erst 2007 in Kraft getreten. Daher hat der VfGH auch auf eine "Reparaturfrist" verzichtet.
UOG 93 bereitete Boden für UG 2002
Durch seine Entscheidungsbegründung, dass bereits mit dem von der SPÖ mitbeschlossenen Universitätsorganisationsgesetz (UOG) 1993 die Weichen in Richtung betriebsähnlicher Organisation der Hochschulen gestellt wurden, hat der VfGH indirekt auch den Ball zur Beschwerde führenden SPÖ zurückgespielt.

So heißt es etwa in der Begründung, dass bereits mit der Einrichtung des so genannten Universitätsbeirats im UOG 93 erstmals Personen von außerhalb der Hochschulen als "gesellschaftliche Verbindung" in Gremien der Universität entsandt wurden. Die jetzige Reform der Universitätsstruktur sei daher nur eine "systemimmanente Weiterentwicklung" des damaligen von der SPÖ mitgetragenen Gesetzeswerks.
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Entscheidend für die Verfassungskonformität war daher vor allem die Verfassungsbestimmung des "alten" UOG 93 über die weisungsfreie (autonome) Besorgung ihrer Angelegenheiten durch die Universität selbst. Um diese Bestimmung herum wurde das neue Universitätsgesetz (UG) nämlich aufgebaut.

ÖVP und FPÖ ließen die alte Regelung - nicht zuletzt auf Grund fehlender Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat - in Kraft und nutzten sie als Grundlage für die Uni-Reform.
->   Nationalrat beschließt das Universitätsgesetz 2002 (11.7.02)
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Bestellmodus des Universitätsrates rechtens
Keine Probleme hatten die Höchstrichter mit dem Bestellmodus und der Zusammensetzung des umstrittenen Universitätsrates. Die SPÖ hatte die Meinung vertreten, dass die Mitwirkung der Uni-Angehörigen beim Uni-Rat nicht gewährleistet sei.

Der VfGH meint dagegen, dass die Mehrheit der Rats-Mitglieder von den Uni-Angehörigen bestimmt würden, die vom Senat bestellten Mitglieder könnten jede ihnen nicht genehme Person fern halten.
Bloßes Aufsichtsorgan
Darüber hinaus könne der Uni-Rat nur im Zusammenwirken mit anderen Organen der Uni aktiv werden, er sei als Aufsichtsorgan mit keinen den Kern der Uni-Autonomie betreffenden Aufgaben betraut. Vielmehr trage er nur die Verantwortung für die Rahmenbedingungen, die zuvor vom Ministerium wahrgenommen worden seien.
Fehlender Rechtsschutz bei Leistungsvereinbarungen
Zur Aufhebung der Leistungsvereinbarungen meinte Korinek: "Mit Vereinbarungen, die nicht rechtlich kontrolliert werden können, geht's nicht." Es fehle in der vom Ministerium gewählten Konstruktion als öffentlich-rechtlicher Vertrag an einem Rechtsschutzinstrumentarium.

Für eine Behebung der Verfassungswidrigkeit gebe es unterschiedliche rechtspolitische Optionen. In der Judikatur gebe es etwa einen Fall aus dem Steuerrecht, in dem es gereicht habe, dass die Vereinbarung in einem Bescheid münde, der angefochten werden kann.
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Rektoren beraten am Montag über Erkenntnis
Die Österreichische Rektorenkonferenz (ÖRK) hat am Freitag keine Bewertung der Verfassungsgerichtshofs-Entscheidung zur Universitätsreform abgegeben. Die Uni-Chefs wollen sich am kommenden Montag eingehend mit dem Inhalt des Erkenntnisses auseinander setzen, heißt es in einer Aussendung der ÖRK. Die Rektoren verweisen aber darauf, dass sie die vom VfGH aufgehobenen Bestimmungen über die Leistungsvereinbarungen schon anlässlich der Gesetzwerdung kritisiert hätten.
->   Rektorenkonferenz
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Gehrer sieht Universitätsgesetz bestätigt
Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) sieht das UG 2002 durch die VfGH-Entscheidung bestätigt. Sie zeige, dass alle Regelungen die Autonomie der Universität gewährleiste, im Besonderen die Bestellung von weniger als der Hälfte der Universitätsräte durch die Bundesregierung.
Bildungspolitische Gesamtverantwortung beim Staat
Der Uni-Rat sei als Kontroll- und Aufsichtsorgan gemeinsam mit dem Rektorat und dem Senat für das Management der Unis verantwortlich. Da die bildungspolitische Gesamtverantwortung und damit auch die Finanzierungsverpflichtung mit dem UG 2002 auch weiterhin beim Staat liegen würden, sei es richtig, dass die Bundesregierung, die dem Steuerzahler gegenüber die politische Verantwortung trage, einen Teil der Universitätsräte bestelle, meinte die Ministerin.

Dass das Höchstgericht die Leistungsvereinbarungen zwischen Universitäten und Bund als verfassungswidrig aufgehoben hat, verstärkt nach Ansicht Gehrers "die Rechtssicherheit und Planbarkeit für die Universitäten".
SPÖ sieht "Teilerfolge"
SPÖ-Klubobmann Josef Cap sprach von einem "Teilerfolg", Wissenschaftssprecher Josef Broukal sah die Entscheidung "mit einem lachenden und einem weinenden Augen". Er nehme es zur Kenntnis, dass nun - aufbauend auf den 1993 eingerichteten völlig rechtlosen Gremien wie dem Universitätsbeirat - Gremien mit Entscheidungsbefugnis eingerichtet werden könnten.
ÖH: Neue Bevormundung
"Unzufrieden" mit der Entscheidung zeigte sich die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH): "Die Bevormundung des Ministeriums wird nur durch die Bevormundung des Uni-Rats abgelöst - das ist nicht Autonomie." Für den Grünen Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald ist "ein wichtiger Eckpunkt der Universitätsreform gefallen, der die Grundlage der Budgetverteilung ist".

FPÖ-Wissenschaftssprecherin Magda Bleckmann wertete das VfGH-Erkenntnis hingegen als "klare Abfuhr für die Reform- und Modernisierungsverweigerer in den Reihen von Rot und Grün".
ÖGB: Demokratiepolitisch weiter fragwürdig
Für den Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die Arbeiterkammer (AK) bleibt die Hauptkritik am Universitätsgesetz 2002 aufrecht. Die vom VfGH aufgehobenen Leistungsvereinbarungen seien "eines von vielen Elementen, die zwar nicht verfassungsrechtlich, aber demokratiepolitisch zu hinterfragen sind", heißt es in einer Aussendung des ÖGB.

Und für AK-Chef Herbert Tumpel ändert die VfGH-Entscheidung nichts an den Kritikpunkten der Arbeitnehmervertretung, die u.a. die geringen Mitbestimmungsmöglichkeiten des Uni-Angehörigen betreffen.
->   Verfassungsgerichtshof
->   Universitätsgesetz 2002
->   Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
->   ÖVP
->   SPÖ
->   FPÖ
->   Grüne
Mehr zum Thema "Uni-Reform":
->   Herbert Hrachovec: UG 2002 lässt Unis sehr unterschiedlich reagieren (21.1.04)
->   Uni-Autonomie: Zum Teil radikale Umorganisation (22.12.03)
->   Analyse des Universitätsgesetzes 2002 (11.7.02)
 
 
 
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01.01.2010