News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Therapie gegen Hörsturz dank neuem Wirkstoff  
  Mit dem neuen Wirkstoff Caroverin können erstmals nicht nur die Symptome, sondern auch die Ursache eines Hörsturzes behandelt werden. Eine in den USA und mehreren europäischen Ländern durchgeführte Doppelblindstudie belegt, dass sowohl die Hörverminderungen als auch die mit einem Hörsturz oft einhergehenden Ohrgeräusche, der Tinnitus, sich deutlich besserten oder ganz zurück bildeten.  
Gefühl wie Watte im Ohr
Es passiert oft über Nacht. Am Morgen wachen die Betroffenen auf und haben plötzlich das Gefühl Watte oder Wasser in einem Ohr zu haben.

Außer einem ununterbrochenenen, brummenden oder pfeifenden Geräusch, hören sie von ihrer Umgebung oft kaum etwas oder gar nichts. Gespräche zwischen mehreren Personen werden zum Stimmengewirr.
Vielfältige Ursachen: Von Infektionen bis laute Musik
Die Ursachen können vielfältig sein: Infektionen, Durchblutungsstörungen, Stoffwechselkrankheiten, adrenalinfördernde Freizeitbeschäftigungen oder auch eine sprichwörtlich "ohrenbetäubende" Geräuschkulisse bedeuten für die Ohren meist Stress. In der Techno- und Rave-Generation nehmen Hörschäden jedenfalls auffallend zu.

1.500 bis 2.000 Österreicher erleiden pro Jahr einen Hörsturz. Davon ist etwa ein Drittel so schwer betroffen, dass sie nicht einmal mehr normale Umgangssprache verstehen. Diese liegt etwa um die 70 Dezibel.
...
Sofort zum Arzt, sonst drohen irreparable Schäden
Zwar können sich Hörsturze - vor allem wenn sie eine nur leichte Hörverminderung mit sich bringen - auch ganz von selbst wieder zurückbilden. Weil das jedoch nicht vorhersagbar ist, sollte noch innerhalb der ersten Woche nach dem Verlust des vollständigen Hörvermögens eine Therapie eingeleitet werden. Andenfalls kann aus dem funktionellen Schaden des Ohres ein struktureller Schaden im Innenohr werden, und dieser wäre nicht mehr zu reparieren.
...
Gute Heilungschancen dank Caroverin
Bisherige Therapien bei Hörstürzen beruhten meist auf einer Kombination von durchblutungsfördernden Mitteln und Kortison.

Im besten Fall beseitigte es die Symptome wie Hörverlust und Tinnitus. Das neue Medikament mit dem Wirkstoff Caroverin wirkt nun wesentlich differenzierter, indem es auch die Selbstheilungskräfte der geschädigten Strukturen im Innenohr anregt.
So wirkt das neue Medikament
Das Ohr funktioniert wie ein Mikrofon. Es wandelt Hörerlebnisse in elektrische Signale um. Der Schall versetzt die Härchen der Haarzelle im Innenohr in Schwingungen. Auf diesen mechanischen Reiz reagiert die Zelle chemisch: Sie produziert den Botenstoff Glutamat.

Bei zu starkem Lärm, Entzündungen oder einem anderen Stressfaktor für das Ohr wird die Zelle überreizt und zu viel Glutamat ausgeschüttet. Dadurch werden die Enden des Hörnervs geschädigt. Die Reizweiterleitung durch den Hörnerv in das Gehirn ist damit unterbrochen - ein Hörsturz liegt vor.

Der neue Wirkstoff legt sich nun schützend wie ein Pflaster um die äußeren Enden des Hörnervs. Dadurch werden die Glutamat-Rezeptoren blockiert und das Glutamat am übermäßigen Eindringen gehindert. Gleichzeitg werden die Selbstheilungskräfte der geschädigten Strukturen unterstützt. Der Hörnerv kann sich auf diese Weise wieder erholen.
Deutliche Ergebnisse im Patiententest
Das neue Präparat wurde an 60 Patienten getestet, bei denen ein Hörverlust von mindestens 50 Dezibel festgestellt worden war. Anders als in anderen Fällen, wo die Devise "weniger ist mehr" lautet, konnte mit einer höheren Dosierung von Caroverin auch eine höhere Rate an zurückgebildeten Hörstürzen beobachtet werden.

Bei bis zu 67 Prozent der Patienten konnte das Hörvermögen wieder hergestellt werden. Dieses Ergebnis liegt auch deutlich über der zu erwartenden Spontanremissionsrate. Nun muss eine weitere Phase III Studie die neue Therapie noch in Vergleich zu bisherigen Behandlungsstandards überprüfen.

Doch alle Anzeichen deuten darauf hin, dass das bisher eher schmale Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten bei Hörstürzen - und auch bei dem damit oft gemeinsam auftretenden Tinnitus - mit dem neuen Präparat deutlich bereichert sein könnte.

Rike Fochler, Modern Times Gesundheit.
...
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in der Sendung "Modern Times Gesundheit" am 30. Jänner 2004 um 22.35 Uhr in ORF 2.
->   Modern Times Gesundheit
...
->   HNO-Abteilung am AKH Wien
->   Mehr zu plötzlichem Hörverlust in www.medicine-worldwide.de
Artikel zum Stichwort Gehör in science.ORF.at
->   Erstmals Hirnstamm-Implantate gegen Gehörlosigkeit (8.1.04)
->   Innenohr-Implantat für Altersschwerhörige (10.7.03)
->   Signalumwandlung im Ohr: Rezeptor identifiziert (13.6.03)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010